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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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compromittirt. Daß aus einer etwaigen Verbindung
zwischen ihr und Adam, der, wie sie wußte, so etwas
wie ein "armer Teufel" war, letzterem allerlei sehr
reale, sehr realistische Vortheile erwachsen würden:
daran hatte sie natürlich schon gedacht -- und der Ge-
danke hatte sie auch nicht weiter genirt, er hatte ihr
im Gegentheil eine gewisse Befriedigung und einen
gewissen Stolz eingeflößt. Im Uebrigen war sie
zu eitel, um nicht zu glauben, daß sie selbst ihres
Besitzes und ihrer Stellung in der Gesellschaft ent-
kleidet, Werth und starke Anziehungskraft genug für
Adam besäße. Das waren Prämissen, über welche man
getrost schweigen, die man getrost unerörtert lassen
konnte, denn sie waren eben allzu selbstverständlich.

Und nun rückte Adam plötzlich unvermuthet
mit einem Motive heraus, das an greller Betonung
des Materiellen nichts zu wünschen übrig ließ.

Lydia war sehr betroffen. Was sollte sie er-
widern? Mechanisch schloß sie, daß Adam sich jedenfalls
in einer sehr prekären Situation befand. Er hatte
gewiß Schulden contrahirt, die bezahlt sein wollten,
er hatte Verpflichtungen übernommen, die er einlösen
mußte. Und er wandte sich an sie, weil er anderweitig
-- -- ja! -- mein Gott! -- standen ihm denn
keine anderen Wege offen, besaß er keine anderen
Mittel -- oder waren alle Quellen schon erschöpft --?
War sie seine letzte Hoffnung --?

Mitleid, starkes, verstehendes Mitleid quoll in
ihr auf. Und doch hatte sie zugleich das Gefühl,
als wäre sie von etwas unangenehm Klebrigem,

compromittirt. Daß aus einer etwaigen Verbindung
zwiſchen ihr und Adam, der, wie ſie wußte, ſo etwas
wie ein „armer Teufel“ war, letzterem allerlei ſehr
reale, ſehr realiſtiſche Vortheile erwachſen würden:
daran hatte ſie natürlich ſchon gedacht — und der Ge-
danke hatte ſie auch nicht weiter genirt, er hatte ihr
im Gegentheil eine gewiſſe Befriedigung und einen
gewiſſen Stolz eingeflößt. Im Uebrigen war ſie
zu eitel, um nicht zu glauben, daß ſie ſelbſt ihres
Beſitzes und ihrer Stellung in der Geſellſchaft ent-
kleidet, Werth und ſtarke Anziehungskraft genug für
Adam beſäße. Das waren Prämiſſen, über welche man
getroſt ſchweigen, die man getroſt unerörtert laſſen
konnte, denn ſie waren eben allzu ſelbſtverſtändlich.

Und nun rückte Adam plötzlich unvermuthet
mit einem Motive heraus, das an greller Betonung
des Materiellen nichts zu wünſchen übrig ließ.

Lydia war ſehr betroffen. Was ſollte ſie er-
widern? Mechaniſch ſchloß ſie, daß Adam ſich jedenfalls
in einer ſehr prekären Situation befand. Er hatte
gewiß Schulden contrahirt, die bezahlt ſein wollten,
er hatte Verpflichtungen übernommen, die er einlöſen
mußte. Und er wandte ſich an ſie, weil er anderweitig
— — ja! — mein Gott! — ſtanden ihm denn
keine anderen Wege offen, beſaß er keine anderen
Mittel — oder waren alle Quellen ſchon erſchöpft —?
War ſie ſeine letzte Hoffnung —?

Mitleid, ſtarkes, verſtehendes Mitleid quoll in
ihr auf. Und doch hatte ſie zugleich das Gefühl,
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[379/0387] compromittirt. Daß aus einer etwaigen Verbindung zwiſchen ihr und Adam, der, wie ſie wußte, ſo etwas wie ein „armer Teufel“ war, letzterem allerlei ſehr reale, ſehr realiſtiſche Vortheile erwachſen würden: daran hatte ſie natürlich ſchon gedacht — und der Ge- danke hatte ſie auch nicht weiter genirt, er hatte ihr im Gegentheil eine gewiſſe Befriedigung und einen gewiſſen Stolz eingeflößt. Im Uebrigen war ſie zu eitel, um nicht zu glauben, daß ſie ſelbſt ihres Beſitzes und ihrer Stellung in der Geſellſchaft ent- kleidet, Werth und ſtarke Anziehungskraft genug für Adam beſäße. Das waren Prämiſſen, über welche man getroſt ſchweigen, die man getroſt unerörtert laſſen konnte, denn ſie waren eben allzu ſelbſtverſtändlich. Und nun rückte Adam plötzlich unvermuthet mit einem Motive heraus, das an greller Betonung des Materiellen nichts zu wünſchen übrig ließ. Lydia war ſehr betroffen. Was ſollte ſie er- widern? Mechaniſch ſchloß ſie, daß Adam ſich jedenfalls in einer ſehr prekären Situation befand. Er hatte gewiß Schulden contrahirt, die bezahlt ſein wollten, er hatte Verpflichtungen übernommen, die er einlöſen mußte. Und er wandte ſich an ſie, weil er anderweitig — — ja! — mein Gott! — ſtanden ihm denn keine anderen Wege offen, beſaß er keine anderen Mittel — oder waren alle Quellen ſchon erſchöpft —? War ſie ſeine letzte Hoffnung —? Mitleid, ſtarkes, verſtehendes Mitleid quoll in ihr auf. Und doch hatte ſie zugleich das Gefühl, als wäre ſie von etwas unangenehm Klebrigem,

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/387>, abgerufen am 22.11.2024.