wehren sich dieses einschläfernden Staubregens. Ganz läßt er sich überhaupt nicht fernhalten. Aber in manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit imposanter Zusammenraffung aller Leidenschaften und Kräfte die Kruste von sich zu schütteln, um wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen- freiheit, verjüngten Menschenthums athmen zu können. Wieder wird dieser Staub fallen .. da giebts kein Entrinnen -- und unangetastet bleibt Keiner der Sterb- lichen. Wieder wird er fallen, leise wird er sich über die üppig wuchernde, strotzend blühende, mit satter Kraft empordrängende Willens- und Sehn- suchtslandschaft deiner zürnenden, rebellirenden Brust breiten -- leise wird er sich dichten und häufen und ganz gemach wirst du wieder eingereiht, lieber Spießgesell und unfreiwilliger Spaßgesell, in die Riesenlegion der Alltagskinder, die da sich bücken und schicken und der Sterne vergessen und aller gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden, deren inbrünstige Beachtung und zärtliche Betrachtung sie emporrisse aus der Kleinheit und Enge und inneren Gelähmtheit ihrer Existenz .... Aber auch ich -- auch ich lag im harten Banne des Staubes, und matt schlug mein Herz, langsam kroch mein Blut -- -- -- -- --"
"-- -- langsam kroch mein Blut" sprach Adam leise nach und legte die Blätter apathisch aus der Hand. "Das scheint doch öfter vorzukommen", fuhr er fort -- "auch heute kriecht sotanes Blut wieder verflucht langsam. Es liegt so viel Staub und
wehren ſich dieſes einſchläfernden Staubregens. Ganz läßt er ſich überhaupt nicht fernhalten. Aber in manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit impoſanter Zuſammenraffung aller Leidenſchaften und Kräfte die Kruſte von ſich zu ſchütteln, um wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen- freiheit, verjüngten Menſchenthums athmen zu können. Wieder wird dieſer Staub fallen .. da giebts kein Entrinnen — und unangetaſtet bleibt Keiner der Sterb- lichen. Wieder wird er fallen, leiſe wird er ſich über die üppig wuchernde, ſtrotzend blühende, mit ſatter Kraft empordrängende Willens- und Sehn- ſuchtslandſchaft deiner zürnenden, rebellirenden Bruſt breiten — leiſe wird er ſich dichten und häufen und ganz gemach wirſt du wieder eingereiht, lieber Spießgeſell und unfreiwilliger Spaßgeſell, in die Rieſenlegion der Alltagskinder, die da ſich bücken und ſchicken und der Sterne vergeſſen und aller gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden, deren inbrünſtige Beachtung und zärtliche Betrachtung ſie emporriſſe aus der Kleinheit und Enge und inneren Gelähmtheit ihrer Exiſtenz .... Aber auch ich — auch ich lag im harten Banne des Staubes, und matt ſchlug mein Herz, langſam kroch mein Blut — — — — —“
„— — langſam kroch mein Blut“ ſprach Adam leiſe nach und legte die Blätter apathiſch aus der Hand. „Das ſcheint doch öfter vorzukommen“, fuhr er fort — „auch heute kriecht ſotanes Blut wieder verflucht langſam. Es liegt ſo viel Staub und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0357"n="349"/>
wehren ſich dieſes einſchläfernden Staubregens. Ganz<lb/>
läßt er ſich überhaupt nicht fernhalten. Aber in<lb/>
manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit<lb/>
impoſanter Zuſammenraffung aller Leidenſchaften<lb/>
und Kräfte die Kruſte von ſich zu ſchütteln, um<lb/>
wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen-<lb/>
freiheit, verjüngten Menſchenthums athmen zu können.<lb/>
Wieder wird dieſer Staub fallen .. da giebts kein<lb/>
Entrinnen — und unangetaſtet bleibt Keiner der Sterb-<lb/>
lichen. Wieder wird er fallen, leiſe wird er ſich<lb/>
über die üppig wuchernde, ſtrotzend blühende, mit<lb/>ſatter Kraft empordrängende Willens- und Sehn-<lb/>ſuchtslandſchaft deiner zürnenden, rebellirenden Bruſt<lb/>
breiten — leiſe wird er ſich dichten und häufen<lb/>
und ganz gemach wirſt du wieder eingereiht, lieber<lb/>
Spießgeſell und unfreiwilliger Spaßgeſell, in die<lb/>
Rieſenlegion der Alltagskinder, die da ſich bücken<lb/>
und ſchicken und der Sterne vergeſſen und aller<lb/>
gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden,<lb/>
deren inbrünſtige Beachtung und zärtliche Betrachtung<lb/>ſie emporriſſe aus der Kleinheit und Enge und<lb/>
inneren Gelähmtheit ihrer Exiſtenz .... Aber auch<lb/>
ich — auch ich lag im harten Banne des Staubes,<lb/>
und matt ſchlug mein Herz, langſam kroch mein<lb/>
Blut —————“</p><lb/><p>„—— langſam kroch mein Blut“ſprach Adam<lb/>
leiſe nach und legte die Blätter apathiſch aus der<lb/>
Hand. „Das ſcheint doch öfter vorzukommen“, fuhr<lb/>
er fort —„auch heute kriecht ſotanes Blut wieder<lb/>
verflucht langſam. Es liegt ſo viel Staub und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[349/0357]
wehren ſich dieſes einſchläfernden Staubregens. Ganz
läßt er ſich überhaupt nicht fernhalten. Aber in
manchen Naturen lebt doch der Drang, einmal mit
impoſanter Zuſammenraffung aller Leidenſchaften
und Kräfte die Kruſte von ſich zu ſchütteln, um
wieder eine Weile in einer Sphäre verjüngter Seelen-
freiheit, verjüngten Menſchenthums athmen zu können.
Wieder wird dieſer Staub fallen .. da giebts kein
Entrinnen — und unangetaſtet bleibt Keiner der Sterb-
lichen. Wieder wird er fallen, leiſe wird er ſich
über die üppig wuchernde, ſtrotzend blühende, mit
ſatter Kraft empordrängende Willens- und Sehn-
ſuchtslandſchaft deiner zürnenden, rebellirenden Bruſt
breiten — leiſe wird er ſich dichten und häufen
und ganz gemach wirſt du wieder eingereiht, lieber
Spießgeſell und unfreiwilliger Spaßgeſell, in die
Rieſenlegion der Alltagskinder, die da ſich bücken
und ſchicken und der Sterne vergeſſen und aller
gewaltigen Wunder im Himmel und auf Erden,
deren inbrünſtige Beachtung und zärtliche Betrachtung
ſie emporriſſe aus der Kleinheit und Enge und
inneren Gelähmtheit ihrer Exiſtenz .... Aber auch
ich — auch ich lag im harten Banne des Staubes,
und matt ſchlug mein Herz, langſam kroch mein
Blut — — — — —“
„— — langſam kroch mein Blut“ ſprach Adam
leiſe nach und legte die Blätter apathiſch aus der
Hand. „Das ſcheint doch öfter vorzukommen“, fuhr
er fort — „auch heute kriecht ſotanes Blut wieder
verflucht langſam. Es liegt ſo viel Staub und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/357>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.