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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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stand! Das war allerdings sehr peinlich. Und
wenn er sich noch wohler und freier gefühlt hätte!
Aber holprig und langsam war sein Denken, mühsam
vorwärtskriechend und nur ganz obenhin die Dinge
des Lebens betastend. Immer beschäftigte ihn nur das
Nächste. Alle seine Bewegungen waren schwerfällig,
träge, vollzogen sich widerwillig. Eine filzige Zähig-
keit und zugleich eine nervöse, unregelmäßige Be-
wegungssucht, eine zitternde Unruhe spukten in seinen
Gliedern, die wie dicker Brei gern in ihren Lagen ver-
harren wollten und diese doch stetig zu wechseln
strebten. Seine Hände waren schwammig und aufge-
quollen, seine Gesichtslinien an einzelnen Stellen, um
Augen und Nase herum, schärfer markirt und zugleich
widerlich verwischt. Die Lippen trocken, spröde, auf der
Zunge stand ein fader, dürrer, kiesig prickelnder Sand-
geschmack, die Stirn brannte von einem pressenden
Drucke. Oefter mußte Adam gähnen, aber seine Kiefer
schienen alle Biegsamkeit und Spannung verloren zu
haben. Die Kopfhaut schmerzte, als wäre sie von einem
Heere engzusammenstehender Stecknadeln durchlöchert.
Zu jeder Handlung mußte sich Adam besonders
zwingen. Alle Reibungen des geistigen und des
thatsächlichen, praktischen Kleinlebens reizten ihn mit
gesteigerter Intensität. Dabei besaß Nichts ein
tieferes Interesse mehr für ihn .. und Alles, was
ihn sonst zum Denken, Bedenken, Betrachten heraus-
forderte, hatte Wert, Inhalt, Form und Farbe
verloren.

Adam wusch sich Gesicht und Hände und schellte.

ſtand! Das war allerdings ſehr peinlich. Und
wenn er ſich noch wohler und freier gefühlt hätte!
Aber holprig und langſam war ſein Denken, mühſam
vorwärtskriechend und nur ganz obenhin die Dinge
des Lebens betaſtend. Immer beſchäftigte ihn nur das
Nächſte. Alle ſeine Bewegungen waren ſchwerfällig,
träge, vollzogen ſich widerwillig. Eine filzige Zähig-
keit und zugleich eine nervöſe, unregelmäßige Be-
wegungsſucht, eine zitternde Unruhe ſpukten in ſeinen
Gliedern, die wie dicker Brei gern in ihren Lagen ver-
harren wollten und dieſe doch ſtetig zu wechſeln
ſtrebten. Seine Hände waren ſchwammig und aufge-
quollen, ſeine Geſichtslinien an einzelnen Stellen, um
Augen und Naſe herum, ſchärfer markirt und zugleich
widerlich verwiſcht. Die Lippen trocken, ſpröde, auf der
Zunge ſtand ein fader, dürrer, kieſig prickelnder Sand-
geſchmack, die Stirn brannte von einem preſſenden
Drucke. Oefter mußte Adam gähnen, aber ſeine Kiefer
ſchienen alle Biegſamkeit und Spannung verloren zu
haben. Die Kopfhaut ſchmerzte, als wäre ſie von einem
Heere engzuſammenſtehender Stecknadeln durchlöchert.
Zu jeder Handlung mußte ſich Adam beſonders
zwingen. Alle Reibungen des geiſtigen und des
thatſächlichen, praktiſchen Kleinlebens reizten ihn mit
geſteigerter Intenſität. Dabei beſaß Nichts ein
tieferes Intereſſe mehr für ihn .. und Alles, was
ihn ſonſt zum Denken, Bedenken, Betrachten heraus-
forderte, hatte Wert, Inhalt, Form und Farbe
verloren.

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[301/0309] ſtand! Das war allerdings ſehr peinlich. Und wenn er ſich noch wohler und freier gefühlt hätte! Aber holprig und langſam war ſein Denken, mühſam vorwärtskriechend und nur ganz obenhin die Dinge des Lebens betaſtend. Immer beſchäftigte ihn nur das Nächſte. Alle ſeine Bewegungen waren ſchwerfällig, träge, vollzogen ſich widerwillig. Eine filzige Zähig- keit und zugleich eine nervöſe, unregelmäßige Be- wegungsſucht, eine zitternde Unruhe ſpukten in ſeinen Gliedern, die wie dicker Brei gern in ihren Lagen ver- harren wollten und dieſe doch ſtetig zu wechſeln ſtrebten. Seine Hände waren ſchwammig und aufge- quollen, ſeine Geſichtslinien an einzelnen Stellen, um Augen und Naſe herum, ſchärfer markirt und zugleich widerlich verwiſcht. Die Lippen trocken, ſpröde, auf der Zunge ſtand ein fader, dürrer, kieſig prickelnder Sand- geſchmack, die Stirn brannte von einem preſſenden Drucke. Oefter mußte Adam gähnen, aber ſeine Kiefer ſchienen alle Biegſamkeit und Spannung verloren zu haben. Die Kopfhaut ſchmerzte, als wäre ſie von einem Heere engzuſammenſtehender Stecknadeln durchlöchert. Zu jeder Handlung mußte ſich Adam beſonders zwingen. Alle Reibungen des geiſtigen und des thatſächlichen, praktiſchen Kleinlebens reizten ihn mit geſteigerter Intenſität. Dabei beſaß Nichts ein tieferes Intereſſe mehr für ihn .. und Alles, was ihn ſonſt zum Denken, Bedenken, Betrachten heraus- forderte, hatte Wert, Inhalt, Form und Farbe verloren. Adam wuſch ſich Geſicht und Hände und ſchellte.

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/309>, abgerufen am 22.11.2024.