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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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faltet und angerunzelt. Das Haar hatte sich ver-
schoben und sich zu häßlicher Unordnung zusammen-
geknäult. Unangenehm scharf traten die Backenknochen
hervor, die Wangeneinfaltungen leicht überschattend.
Auf der Oberlippe erglänzten im klaren Lichte der
wahren Sonne einige bläulich schwarze, indiskrete
Härchen. Doch schön war der Leib dieser widerspenstigen
Sünderin, etwas mager wohl, aber sehnig und zu-
sammensaugender Kräfte reich. Und dabei gedachte
Adam der Huldinnen, die alle schon hier neben ihm
gelegen .. das Haupt in dieses .. in dieses selbe Kissen
geschmiegt .. und er verglich ihre Reize, so gut er sich
ihrer erinnerte, und durchkostete noch einmal in nach-
lässigem Aufstöbern und Zusammenschüren alle die
Freuden und Entzückungen, die er hier schon genossen,
so oft schon genossen ... Dieselben Verführungsfak-
toren .. dieselbe dampfende Entzündung .. derselbe
Genuß .. dasselbe Resultat .. derselbe Ekel ... ach!
ein so dummes, so wahnsinnig dummes und einfältiges
Genarrtwerden! Die Natur macht nicht viele Worte,
ihre Sprache ist so blutarm. Sie wiederholt sich immer
und plagiirt sich selber mit denselben Wendungen. Und
immer wieder muß man auf den armselig geistlosen
Köder 'reinfallen. Aber es ist, als ob sie, die domina
natura
, stets den Intellekt so lange knebelte und verge-
waltigte, bis sie mit der Brandung des entzündeten
Blutes ihr erhabenes Ziel erreicht hat. Und dann?
Dann läßt sie stillvergnügt die genasführte Kreatur
räsoniren. Das letzte Wort behält sie doch ...
behält sie immer und überall. --

faltet und angerunzelt. Das Haar hatte ſich ver-
ſchoben und ſich zu häßlicher Unordnung zuſammen-
geknäult. Unangenehm ſcharf traten die Backenknochen
hervor, die Wangeneinfaltungen leicht überſchattend.
Auf der Oberlippe erglänzten im klaren Lichte der
wahren Sonne einige bläulich ſchwarze, indiskrete
Härchen. Doch ſchön war der Leib dieſer widerſpenſtigen
Sünderin, etwas mager wohl, aber ſehnig und zu-
ſammenſaugender Kräfte reich. Und dabei gedachte
Adam der Huldinnen, die alle ſchon hier neben ihm
gelegen .. das Haupt in dieſes .. in dieſes ſelbe Kiſſen
geſchmiegt .. und er verglich ihre Reize, ſo gut er ſich
ihrer erinnerte, und durchkoſtete noch einmal in nach-
läſſigem Aufſtöbern und Zuſammenſchüren alle die
Freuden und Entzückungen, die er hier ſchon genoſſen,
ſo oft ſchon genoſſen ... Dieſelben Verführungsfak-
toren .. dieſelbe dampfende Entzündung .. derſelbe
Genuß .. daſſelbe Reſultat .. derſelbe Ekel ... ach!
ein ſo dummes, ſo wahnſinnig dummes und einfältiges
Genarrtwerden! Die Natur macht nicht viele Worte,
ihre Sprache iſt ſo blutarm. Sie wiederholt ſich immer
und plagiirt ſich ſelber mit denſelben Wendungen. Und
immer wieder muß man auf den armſelig geiſtloſen
Köder 'reinfallen. Aber es iſt, als ob ſie, die domina
natura
, ſtets den Intellekt ſo lange knebelte und verge-
waltigte, bis ſie mit der Brandung des entzündeten
Blutes ihr erhabenes Ziel erreicht hat. Und dann?
Dann läßt ſie ſtillvergnügt die genasführte Kreatur
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behält ſie immer und überall. —

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[299/0307] faltet und angerunzelt. Das Haar hatte ſich ver- ſchoben und ſich zu häßlicher Unordnung zuſammen- geknäult. Unangenehm ſcharf traten die Backenknochen hervor, die Wangeneinfaltungen leicht überſchattend. Auf der Oberlippe erglänzten im klaren Lichte der wahren Sonne einige bläulich ſchwarze, indiskrete Härchen. Doch ſchön war der Leib dieſer widerſpenſtigen Sünderin, etwas mager wohl, aber ſehnig und zu- ſammenſaugender Kräfte reich. Und dabei gedachte Adam der Huldinnen, die alle ſchon hier neben ihm gelegen .. das Haupt in dieſes .. in dieſes ſelbe Kiſſen geſchmiegt .. und er verglich ihre Reize, ſo gut er ſich ihrer erinnerte, und durchkoſtete noch einmal in nach- läſſigem Aufſtöbern und Zuſammenſchüren alle die Freuden und Entzückungen, die er hier ſchon genoſſen, ſo oft ſchon genoſſen ... Dieſelben Verführungsfak- toren .. dieſelbe dampfende Entzündung .. derſelbe Genuß .. daſſelbe Reſultat .. derſelbe Ekel ... ach! ein ſo dummes, ſo wahnſinnig dummes und einfältiges Genarrtwerden! Die Natur macht nicht viele Worte, ihre Sprache iſt ſo blutarm. Sie wiederholt ſich immer und plagiirt ſich ſelber mit denſelben Wendungen. Und immer wieder muß man auf den armſelig geiſtloſen Köder 'reinfallen. Aber es iſt, als ob ſie, die domina natura, ſtets den Intellekt ſo lange knebelte und verge- waltigte, bis ſie mit der Brandung des entzündeten Blutes ihr erhabenes Ziel erreicht hat. Und dann? Dann läßt ſie ſtillvergnügt die genasführte Kreatur räſoniren. Das letzte Wort behält ſie doch ... behält ſie immer und überall. —

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/307>, abgerufen am 27.12.2024.