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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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ihn. Er hatte seine kleine Braut heute Abend ja
schon sattsam geärgert. Und mehr als geärgert:
er hatte sie gepeinigt, gemartert, gequält -- er hatte
sie eigentlich scandalös behandelt. Das that ihm
leid -- gewiß! Aber was sollte er jetzt mit ihr
reden? Sie hatten sich heute ja schon gegenseitig
die längsten und tiefsten und ernsthaftesten Vorträge von
der Welt gehalten! Ein pikanter Nachtisch war kaum
zu verachten. Und jetzt tuschelten die Beiden drüben
so impertinent auffällig. Es ging gewiß über Hed-
wig her -- man kritisirte gewiß die "neue Dame seines
Herzens" .. diese Dame, die mit ihrem herben,
verschlossenen Wesen, ihrer spröden Zurückhaltung,
so gar nicht in diese Umgebung paßte ... in diese
Umgebung, die nur gewohnt war, ein helles, lustiges
Lachen zu hören .. und blitzende Augen zu sehen ..
und die köstliche Melancholie des verschwiegenen
Minnespiels zu studiren, welches in immer wieder
neuer Gestalt zu erfinden und zu bethätigen, das ge-
heime Einverständniß zweier Liebenden so unermüdlich
ist und so unübertrefflich ...

Die Kellnerin brachte den Wein und schenkte ein.
Ein paar gelbweiße Tropfen fielen auf die weiße
Tischdecke. Das kleine Fräulein war ein Bissel
unaufmerksam gewesen. Sie hatte nicht auf den
Wein geachtet, sie hatte Hedwig inspizirt. Sie schien
sich ein Urtheil bilden ... sich über Etwas klar
werden zu wollen. Adam verspürte den Zusammen-
hang. Er mußte lächeln. Wie die Hunde, dachte
er. Aber cosi fan tutte. Sie müssen sich erst

Conradi, Adam Mensch. 18


ihn. Er hatte ſeine kleine Braut heute Abend ja
ſchon ſattſam geärgert. Und mehr als geärgert:
er hatte ſie gepeinigt, gemartert, gequält — er hatte
ſie eigentlich ſcandalös behandelt. Das that ihm
leid — gewiß! Aber was ſollte er jetzt mit ihr
reden? Sie hatten ſich heute ja ſchon gegenſeitig
die längſten und tiefſten und ernſthafteſten Vorträge von
der Welt gehalten! Ein pikanter Nachtiſch war kaum
zu verachten. Und jetzt tuſchelten die Beiden drüben
ſo impertinent auffällig. Es ging gewiß über Hed-
wig her — man kritiſirte gewiß die „neue Dame ſeines
Herzens“ .. dieſe Dame, die mit ihrem herben,
verſchloſſenen Weſen, ihrer ſpröden Zurückhaltung,
ſo gar nicht in dieſe Umgebung paßte ... in dieſe
Umgebung, die nur gewohnt war, ein helles, luſtiges
Lachen zu hören .. und blitzende Augen zu ſehen ..
und die köſtliche Melancholie des verſchwiegenen
Minneſpiels zu ſtudiren, welches in immer wieder
neuer Geſtalt zu erfinden und zu bethätigen, das ge-
heime Einverſtändniß zweier Liebenden ſo unermüdlich
iſt und ſo unübertrefflich ...

Die Kellnerin brachte den Wein und ſchenkte ein.
Ein paar gelbweiße Tropfen fielen auf die weiße
Tiſchdecke. Das kleine Fräulein war ein Biſſel
unaufmerkſam geweſen. Sie hatte nicht auf den
Wein geachtet, ſie hatte Hedwig inſpizirt. Sie ſchien
ſich ein Urtheil bilden ... ſich über Etwas klar
werden zu wollen. Adam verſpürte den Zuſammen-
hang. Er mußte lächeln. Wie die Hunde, dachte
er. Aber cosi fan tutte. Sie müſſen ſich erſt

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[273/0281] ihn. Er hatte ſeine kleine Braut heute Abend ja ſchon ſattſam geärgert. Und mehr als geärgert: er hatte ſie gepeinigt, gemartert, gequält — er hatte ſie eigentlich ſcandalös behandelt. Das that ihm leid — gewiß! Aber was ſollte er jetzt mit ihr reden? Sie hatten ſich heute ja ſchon gegenſeitig die längſten und tiefſten und ernſthafteſten Vorträge von der Welt gehalten! Ein pikanter Nachtiſch war kaum zu verachten. Und jetzt tuſchelten die Beiden drüben ſo impertinent auffällig. Es ging gewiß über Hed- wig her — man kritiſirte gewiß die „neue Dame ſeines Herzens“ .. dieſe Dame, die mit ihrem herben, verſchloſſenen Weſen, ihrer ſpröden Zurückhaltung, ſo gar nicht in dieſe Umgebung paßte ... in dieſe Umgebung, die nur gewohnt war, ein helles, luſtiges Lachen zu hören .. und blitzende Augen zu ſehen .. und die köſtliche Melancholie des verſchwiegenen Minneſpiels zu ſtudiren, welches in immer wieder neuer Geſtalt zu erfinden und zu bethätigen, das ge- heime Einverſtändniß zweier Liebenden ſo unermüdlich iſt und ſo unübertrefflich ... Die Kellnerin brachte den Wein und ſchenkte ein. Ein paar gelbweiße Tropfen fielen auf die weiße Tiſchdecke. Das kleine Fräulein war ein Biſſel unaufmerkſam geweſen. Sie hatte nicht auf den Wein geachtet, ſie hatte Hedwig inſpizirt. Sie ſchien ſich ein Urtheil bilden ... ſich über Etwas klar werden zu wollen. Adam verſpürte den Zuſammen- hang. Er mußte lächeln. Wie die Hunde, dachte er. Aber cosi fan tutte. Sie müſſen ſich erſt Conradi, Adam Menſch. 18

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/281>, abgerufen am 25.11.2024.