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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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die schöne Sünderin schwimmen und halten wir's
mit der Tugend! ... Und weiter noch in die Ver-
gangenheit zurück: die Soubrette ... die Chanso-
nettensängerin ... die Choristin ... die zweite Lieb-
haberin -- die kleine Katze war nur etwas zu
eifersüchtig -- Ida, die Kellnerin -- Pauline, die
Conservatoristin -- Donnerwetter! das Kind konnte
verblüffend offen und geradezu sein! -- Auguste,
die Kindergärtnerin -- Helene, die Confektioneuse --
die schwarzzöpfige Maxel, die so etwas wie eine Collegin
von Emmy war -- Ottilie, die pralle Jüdin mit den
polirten Sammetaugen und dem Teint, der wie gekoch-
tes Hühnerfleisch aussah -- Toni, das fürwitzige, ver-
liebte Töchterlein des Herrn Polizeicommissars -- --
mein Gott! die Proskriptionsliste will gar kein Ende
nehmen .. Wie viel vergeudete und verschwendete Zeit!
Wie viel verzettelte, verpuffte Kraft! Wie viel zerquirlte
Stimmung! Wie viel überflüssig verlottertes Geld!
Und doch --: man hat wenigstens Etwas erlebt!
Etwas erlebt, von dem tausend andere Pomadenheilige
keenen blauen Dunst haben! War's auch im Grunde
immer wieder dasselbe --: man hat seinen psycholo-
gischen Blick doch bedeutend geschärft -- man hat die
Weiber -- verzeih', mein Lieb! -- einigermaßen kennen
gelernt -- man ist hinter unendlich viele Schliche und
Coulissengeheimnisse des Lebens gekommen -- summa
summarum
: ich bereue mein fahriges Zigeunerleben
keineswegs. Ich habe manche unvergeßliche Stunde
durchlebt ... manches volle, große, ganze Gefühl ge-
nossen -- ich habe manchen brennenden Schmerz durch-

die ſchöne Sünderin ſchwimmen und halten wir's
mit der Tugend! ... Und weiter noch in die Ver-
gangenheit zurück: die Soubrette ... die Chanſo-
nettenſängerin ... die Choriſtin ... die zweite Lieb-
haberin — die kleine Katze war nur etwas zu
eiferſüchtig — Ida, die Kellnerin — Pauline, die
Conſervatoriſtin — Donnerwetter! das Kind konnte
verblüffend offen und geradezu ſein! — Auguſte,
die Kindergärtnerin — Helene, die Confektioneuſe —
die ſchwarzzöpfige Maxel, die ſo etwas wie eine Collegin
von Emmy war — Ottilie, die pralle Jüdin mit den
polirten Sammetaugen und dem Teint, der wie gekoch-
tes Hühnerfleiſch ausſah — Toni, das fürwitzige, ver-
liebte Töchterlein des Herrn Polizeicommiſſars — —
mein Gott! die Proſkriptionsliſte will gar kein Ende
nehmen .. Wie viel vergeudete und verſchwendete Zeit!
Wie viel verzettelte, verpuffte Kraft! Wie viel zerquirlte
Stimmung! Wie viel überflüſſig verlottertes Geld!
Und doch —: man hat wenigſtens Etwas erlebt!
Etwas erlebt, von dem tauſend andere Pomadenheilige
keenen blauen Dunſt haben! War's auch im Grunde
immer wieder daſſelbe —: man hat ſeinen pſycholo-
giſchen Blick doch bedeutend geſchärft — man hat die
Weiber — verzeih', mein Lieb! — einigermaßen kennen
gelernt — man iſt hinter unendlich viele Schliche und
Couliſſengeheimniſſe des Lebens gekommen — summa
summarum
: ich bereue mein fahriges Zigeunerleben
keineswegs. Ich habe manche unvergeßliche Stunde
durchlebt ... manches volle, große, ganze Gefühl ge-
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[265/0273] die ſchöne Sünderin ſchwimmen und halten wir's mit der Tugend! ... Und weiter noch in die Ver- gangenheit zurück: die Soubrette ... die Chanſo- nettenſängerin ... die Choriſtin ... die zweite Lieb- haberin — die kleine Katze war nur etwas zu eiferſüchtig — Ida, die Kellnerin — Pauline, die Conſervatoriſtin — Donnerwetter! das Kind konnte verblüffend offen und geradezu ſein! — Auguſte, die Kindergärtnerin — Helene, die Confektioneuſe — die ſchwarzzöpfige Maxel, die ſo etwas wie eine Collegin von Emmy war — Ottilie, die pralle Jüdin mit den polirten Sammetaugen und dem Teint, der wie gekoch- tes Hühnerfleiſch ausſah — Toni, das fürwitzige, ver- liebte Töchterlein des Herrn Polizeicommiſſars — — mein Gott! die Proſkriptionsliſte will gar kein Ende nehmen .. Wie viel vergeudete und verſchwendete Zeit! Wie viel verzettelte, verpuffte Kraft! Wie viel zerquirlte Stimmung! Wie viel überflüſſig verlottertes Geld! Und doch —: man hat wenigſtens Etwas erlebt! Etwas erlebt, von dem tauſend andere Pomadenheilige keenen blauen Dunſt haben! War's auch im Grunde immer wieder daſſelbe —: man hat ſeinen pſycholo- giſchen Blick doch bedeutend geſchärft — man hat die Weiber — verzeih', mein Lieb! — einigermaßen kennen gelernt — man iſt hinter unendlich viele Schliche und Couliſſengeheimniſſe des Lebens gekommen — summa summarum: ich bereue mein fahriges Zigeunerleben keineswegs. Ich habe manche unvergeßliche Stunde durchlebt ... manches volle, große, ganze Gefühl ge- noſſen — ich habe manchen brennenden Schmerz durch-

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/273>, abgerufen am 25.11.2024.