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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Wenig lockert. Alle philosophischen Erziehungsversuche
meines Vaters sind vergeblich gewesen. Das Blut
meiner Mutter -- das sagt Alles. Ich bin nicht zu
dem Frieden gekommen, den mir mein Vater gegeben
zu haben glaubt. Ich verbarg und versteckte die
letzten Funken meiner Jugend vor ihm -- die letzten
Funken, die Du angefacht hast, Adam. Es war
ja nicht schwer, sie vor dem alten Manne zu ver-
heimlichen. Er lebt ja nur in seiner Welt -- und
unsere engen, kargen, farblosen Verhältnisse brachten
es mit sich, daß ich äußerlich ruhig und ernst und
zufrieden erscheinen konnte. Und doch -- und doch
-- Adam -- trotz alledem habe ich das Gefühl,
daß ich zu welk und zu alt bin für Dich. Laß die
letzten Flammen erstorben sein -- und ich falle ganz
zusammen. Das traurige, eintönige Leben, das ich
seit Jahren habe führen müssen und das ...
wenigstens anfangs ... dem innersten Grundzuge
meiner Natur ganz entgegengesetzt war -- mit der
Zeit paßt man sich eben mehr und mehr an --
dieses Leben konnte nicht ohne abtödtende Einflüsse
auf mich bleiben. Ich bin nur ein Schatten noch von
dem, was ich einst war. Ich gehe durch die Welt ...
durch die reale Welt der Sinne wie im Traume ...
wie eine Nachtwandlerin ... ich habe kaum Fühlung
mit dem, was die Zeit bewegt. Nur ein dunkles Ahnen
... ein gewisser Instinkt sagt mir noch Manches. Ich
bin vielleicht keine verlorene Seele, aber sicher eine
verlegene ... eine verwelkende und verkümmernde.
Das ist Alles, Alles so traurig -- so unsäglich

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Wenig lockert. Alle philoſophiſchen Erziehungsverſuche
meines Vaters ſind vergeblich geweſen. Das Blut
meiner Mutter — das ſagt Alles. Ich bin nicht zu
dem Frieden gekommen, den mir mein Vater gegeben
zu haben glaubt. Ich verbarg und verſteckte die
letzten Funken meiner Jugend vor ihm — die letzten
Funken, die Du angefacht haſt, Adam. Es war
ja nicht ſchwer, ſie vor dem alten Manne zu ver-
heimlichen. Er lebt ja nur in ſeiner Welt — und
unſere engen, kargen, farbloſen Verhältniſſe brachten
es mit ſich, daß ich äußerlich ruhig und ernſt und
zufrieden erſcheinen konnte. Und doch — und doch
— Adam — trotz alledem habe ich das Gefühl,
daß ich zu welk und zu alt bin für Dich. Laß die
letzten Flammen erſtorben ſein — und ich falle ganz
zuſammen. Das traurige, eintönige Leben, das ich
ſeit Jahren habe führen müſſen und das ...
wenigſtens anfangs ... dem innerſten Grundzuge
meiner Natur ganz entgegengeſetzt war — mit der
Zeit paßt man ſich eben mehr und mehr an —
dieſes Leben konnte nicht ohne abtödtende Einflüſſe
auf mich bleiben. Ich bin nur ein Schatten noch von
dem, was ich einſt war. Ich gehe durch die Welt ...
durch die reale Welt der Sinne wie im Traume ...
wie eine Nachtwandlerin ... ich habe kaum Fühlung
mit dem, was die Zeit bewegt. Nur ein dunkles Ahnen
... ein gewiſſer Inſtinkt ſagt mir noch Manches. Ich
bin vielleicht keine verlorene Seele, aber ſicher eine
verlegene ... eine verwelkende und verkümmernde.
Das iſt Alles, Alles ſo traurig — ſo unſäglich

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[243/0251] Wenig lockert. Alle philoſophiſchen Erziehungsverſuche meines Vaters ſind vergeblich geweſen. Das Blut meiner Mutter — das ſagt Alles. Ich bin nicht zu dem Frieden gekommen, den mir mein Vater gegeben zu haben glaubt. Ich verbarg und verſteckte die letzten Funken meiner Jugend vor ihm — die letzten Funken, die Du angefacht haſt, Adam. Es war ja nicht ſchwer, ſie vor dem alten Manne zu ver- heimlichen. Er lebt ja nur in ſeiner Welt — und unſere engen, kargen, farbloſen Verhältniſſe brachten es mit ſich, daß ich äußerlich ruhig und ernſt und zufrieden erſcheinen konnte. Und doch — und doch — Adam — trotz alledem habe ich das Gefühl, daß ich zu welk und zu alt bin für Dich. Laß die letzten Flammen erſtorben ſein — und ich falle ganz zuſammen. Das traurige, eintönige Leben, das ich ſeit Jahren habe führen müſſen und das ... wenigſtens anfangs ... dem innerſten Grundzuge meiner Natur ganz entgegengeſetzt war — mit der Zeit paßt man ſich eben mehr und mehr an — dieſes Leben konnte nicht ohne abtödtende Einflüſſe auf mich bleiben. Ich bin nur ein Schatten noch von dem, was ich einſt war. Ich gehe durch die Welt ... durch die reale Welt der Sinne wie im Traume ... wie eine Nachtwandlerin ... ich habe kaum Fühlung mit dem, was die Zeit bewegt. Nur ein dunkles Ahnen ... ein gewiſſer Inſtinkt ſagt mir noch Manches. Ich bin vielleicht keine verlorene Seele, aber ſicher eine verlegene ... eine verwelkende und verkümmernde. Das iſt Alles, Alles ſo traurig — ſo unſäglich 16*

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/251>, abgerufen am 25.11.2024.