Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].Bald ist sie wieder aufgeschluckt von dem fließenden Bald iſt ſie wieder aufgeſchluckt von dem fließenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0240" n="232"/> Bald iſt ſie wieder aufgeſchluckt von dem fließenden<lb/> Wirrwarrwandel der Tagesdinge. Auch die Seele<lb/> hat einmal von der Einfachheit und der Freiheit<lb/> des Lebens geträumt. Aber dann kam das Leben<lb/> ſelbſt und löſchte mit ſeinem bunten Zuviel alle<lb/> dieſe vagen Träume aus. Nur manchmal flattert<lb/> noch ein verlorener Traumfetzen durch Deine Welt<lb/> der wirklichen Dinge und mahnt Dich an einſtige<lb/> Sehnſuchten, Hoffnungen, Erwartungen, an einſtige<lb/> Gewißheiten. Merkwürdig verſtören dieſe Erinne-<lb/> rungen und ſtärken doch zugleich. Schmerzlich ge-<lb/> bären ſie <hi rendition="#g">Ideale</hi> ... oder erneuern, vervollkommnen<lb/> verblichene wieder und verkümmerte. Wie ein me-<lb/> taphyſiſches Erzittern feinſten, ſublimſten Nerven-<lb/> lebens iſt es in Dir ... wie ein Erzittern, das<lb/> aber immer weitere Kreiſe ſchlägt und immermehr<lb/> hinein in den Fluthſpiegel der realen Welt. So<lb/> wird man wieder zum <hi rendition="#g">bewußten Kämpfer</hi>,<lb/> wo man vorher nur unfreiwilliger Arbeiter ge-<lb/> weſen war. Der, den ſich die Welt unterworfen<lb/> hatte, hat nun die Welt ſich unterworfen. Und die<lb/> Zeit iſt wahrhaftig dazu angethan, daß man ein<lb/><hi rendition="#g">Kämpfer</hi> in ihr iſt! Wie oft habe ich ſie ſchon<lb/> packen wollen in ihrem innerſten Nerv — dieſe<lb/> merkwürdige Zeit — <hi rendition="#g">unſere</hi> Zeit! Es gelingt<lb/> mir nicht. Indizienkrumen ſammeln ... Brocken<lb/> ... Steinchen ... Steinchen auf Steinchen kleben —<lb/> das kann ich nicht. Von ihren großen Strömungen<lb/> laſſe ich mich gar gern ergreifen. Vieles ... zu<lb/> Vieles darf ... <hi rendition="#g">muß</hi> hier an uns rühren. Es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [232/0240]
Bald iſt ſie wieder aufgeſchluckt von dem fließenden
Wirrwarrwandel der Tagesdinge. Auch die Seele
hat einmal von der Einfachheit und der Freiheit
des Lebens geträumt. Aber dann kam das Leben
ſelbſt und löſchte mit ſeinem bunten Zuviel alle
dieſe vagen Träume aus. Nur manchmal flattert
noch ein verlorener Traumfetzen durch Deine Welt
der wirklichen Dinge und mahnt Dich an einſtige
Sehnſuchten, Hoffnungen, Erwartungen, an einſtige
Gewißheiten. Merkwürdig verſtören dieſe Erinne-
rungen und ſtärken doch zugleich. Schmerzlich ge-
bären ſie Ideale ... oder erneuern, vervollkommnen
verblichene wieder und verkümmerte. Wie ein me-
taphyſiſches Erzittern feinſten, ſublimſten Nerven-
lebens iſt es in Dir ... wie ein Erzittern, das
aber immer weitere Kreiſe ſchlägt und immermehr
hinein in den Fluthſpiegel der realen Welt. So
wird man wieder zum bewußten Kämpfer,
wo man vorher nur unfreiwilliger Arbeiter ge-
weſen war. Der, den ſich die Welt unterworfen
hatte, hat nun die Welt ſich unterworfen. Und die
Zeit iſt wahrhaftig dazu angethan, daß man ein
Kämpfer in ihr iſt! Wie oft habe ich ſie ſchon
packen wollen in ihrem innerſten Nerv — dieſe
merkwürdige Zeit — unſere Zeit! Es gelingt
mir nicht. Indizienkrumen ſammeln ... Brocken
... Steinchen ... Steinchen auf Steinchen kleben —
das kann ich nicht. Von ihren großen Strömungen
laſſe ich mich gar gern ergreifen. Vieles ... zu
Vieles darf ... muß hier an uns rühren. Es
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