Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889]."Ja! bitte, Herr Doctor -- leisten Sie meiner Hedwig führte ihren Vater, der mit Mühe einen „Ja! bitte, Herr Doctor — leiſten Sie meiner Hedwig führte ihren Vater, der mit Mühe einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0236" n="228"/> <p>„Ja! bitte, Herr Doctor — leiſten Sie meiner<lb/> Tochter noch etwas Geſellſchaft! Wenn Sie geſtatten<lb/> — ich möchte allerdings doch lieber zu Bett gehen<lb/> — das iſt ſo meine gewohnte Stunde — ich kann<lb/> ja nicht viel ſchlafen — der Huſten — die Ge-<lb/> danken und manches ... manches Fremde haben<lb/> Sie meinem alten Kopfe heute doch aufgegeben,<lb/> Herr Doctor ... Es iſt mir Vieles aus meiner<lb/> Jugend wieder eingefallen ... ich hätte Ihnen auch<lb/> Dies und Das erwidern können — es iſt zu ſpät ...<lb/> zu ſpät für heute Abend ... und wohl auch zu<lb/> ſpät — für immer ... Ich muß der Jugend die<lb/> Arbeit überlaſſen ... zu früh vom Leben gebrochen.<lb/> Auch Sie werden ſich müde arbeiten ... müde ...<lb/> müde ... Sie ſind es ja jetzt ſchon, wie Sie ſagen.<lb/> Aber arbeiten Sie ſich Ihre Jugend erſt tüchtig<lb/> herunter von Seele und Leib ... und Sie kommen<lb/> ſchließlich zu mir zurück — vielleicht von einem<lb/> anderen Punkte aus — vielleicht auf einem anderen<lb/> Wege — aber gewiß zu demſelben Ziele, zu dem<lb/> die Weiſen aller Zeiten noch zurückgekommen ſind.<lb/> Und nun leben Sie für heute wohl, Herr Doctor,<lb/> und ſchenken Sie mir recht bald wieder einmal die<lb/> Freude Ihres Beſuches. Ich denke, wir haben noch<lb/> Mancherlei miteinander auszumachen ...“</p><lb/> <p>Hedwig führte ihren Vater, der mit Mühe einen<lb/> Huſtenausbruch unterdrückte, hinaus. Adam war<lb/> allein. Er trat an's Fenſter und legte ſich weit<lb/> über die Brüſtung. Die Nacht war ſchwül. Am<lb/> Himmel ein einförmiges Wolkengewirr ... ſchwere,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0236]
„Ja! bitte, Herr Doctor — leiſten Sie meiner
Tochter noch etwas Geſellſchaft! Wenn Sie geſtatten
— ich möchte allerdings doch lieber zu Bett gehen
— das iſt ſo meine gewohnte Stunde — ich kann
ja nicht viel ſchlafen — der Huſten — die Ge-
danken und manches ... manches Fremde haben
Sie meinem alten Kopfe heute doch aufgegeben,
Herr Doctor ... Es iſt mir Vieles aus meiner
Jugend wieder eingefallen ... ich hätte Ihnen auch
Dies und Das erwidern können — es iſt zu ſpät ...
zu ſpät für heute Abend ... und wohl auch zu
ſpät — für immer ... Ich muß der Jugend die
Arbeit überlaſſen ... zu früh vom Leben gebrochen.
Auch Sie werden ſich müde arbeiten ... müde ...
müde ... Sie ſind es ja jetzt ſchon, wie Sie ſagen.
Aber arbeiten Sie ſich Ihre Jugend erſt tüchtig
herunter von Seele und Leib ... und Sie kommen
ſchließlich zu mir zurück — vielleicht von einem
anderen Punkte aus — vielleicht auf einem anderen
Wege — aber gewiß zu demſelben Ziele, zu dem
die Weiſen aller Zeiten noch zurückgekommen ſind.
Und nun leben Sie für heute wohl, Herr Doctor,
und ſchenken Sie mir recht bald wieder einmal die
Freude Ihres Beſuches. Ich denke, wir haben noch
Mancherlei miteinander auszumachen ...“
Hedwig führte ihren Vater, der mit Mühe einen
Huſtenausbruch unterdrückte, hinaus. Adam war
allein. Er trat an's Fenſter und legte ſich weit
über die Brüſtung. Die Nacht war ſchwül. Am
Himmel ein einförmiges Wolkengewirr ... ſchwere,
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