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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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Ge[s]chäft versuchte wieder einen kleinen Lebensauf-
schwung. Dafür war denn die Meisterin dankbar
gewesen .. und hatte in einer Stunde der Freude,
Hoffnung und Seelenschwäche dem drängenden Ge-
sell[e]n ihre Hand zugesagt. Die Hochzeit war auch
ein[e]s Tages still, glanzlos, verschämt gefeiert --
un[d] Herr Salge somit Meister und Besitzer einer
Bäc[k]erei geworden, die ihm, dem bisher ar-
me[n] Burschen, doch immerhin eine gewisse Würde
gab und ein bewußteres Auftreten gestattete. Ueber-
die[s] war ja die Meisterin todtkrank .. ihr Lichtlein
bre[n]zelte, zuckte und knarrte schon leise .. lange
kon[n]te es nicht mehr brennen .. Eines Tages er-
losc[h] es denn auch, und Herr Salge, der wacker ge-
arbe[i]tet hatte und dem es auch gelungen war, seine
Wa[a]re wieder mehr zu Ehre und Ansehen zu brin-
gen, heirathete seine Dienstmagd, mit der er sich
scho[n] vorher eingelassen hatte, und die sich eine nicht
gan[z] kümmrige Summe aus ihren früheren Dienst-
schaf[t]en zusammengespart. Die Stiefkinder kamen
natü[r]lich früh aus dem Hause. Die Mädchen mußten
sich mach ihrer Einsegnung bald nach auswärts ver-
ding[e]n, Gustav wurde zum Nachbar Schlächter in
die [L]ehre gethan: er konnte ja vielleicht dasselbe
Glüc[k] haben, wie sein Stiefvater. Adams nahm sich
als d[i]e Zeit dazu gekommen war, einer seiner Lehrer
an [u]nd verschaffte ihm einen Platz im Gymnasial-
Alu[m]nat der nächsten größeren Provinzialstadt: in
dem [J]ungen schien etwas Mehr zu stecken, als in seinen
Gesc[h]wistern .. und des Experiments, das noth-


Ge[ſ]chäft verſuchte wieder einen kleinen Lebensauf-
ſchwung. Dafür war denn die Meiſterin dankbar
geweſen .. und hatte in einer Stunde der Freude,
Hoffnung und Seelenſchwäche dem drängenden Ge-
ſell[e]n ihre Hand zugeſagt. Die Hochzeit war auch
ein[e]s Tages ſtill, glanzlos, verſchämt gefeiert —
un[d] Herr Salge ſomit Meiſter und Beſitzer einer
Bäc[k]erei geworden, die ihm, dem bisher ar-
me[n] Burſchen, doch immerhin eine gewiſſe Würde
gab und ein bewußteres Auftreten geſtattete. Ueber-
die[s] war ja die Meiſterin todtkrank .. ihr Lichtlein
bre[n]zelte, zuckte und knarrte ſchon leiſe .. lange
kon[n]te es nicht mehr brennen .. Eines Tages er-
loſc[h] es denn auch, und Herr Salge, der wacker ge-
arbe[i]tet hatte und dem es auch gelungen war, ſeine
Wa[a]re wieder mehr zu Ehre und Anſehen zu brin-
gen, heirathete ſeine Dienſtmagd, mit der er ſich
ſcho[n] vorher eingelaſſen hatte, und die ſich eine nicht
gan[z] kümmrige Summe aus ihren früheren Dienſt-
ſchaf[t]en zuſammengeſpart. Die Stiefkinder kamen
natü[r]lich früh aus dem Hauſe. Die Mädchen mußten
ſich mach ihrer Einſegnung bald nach auswärts ver-
ding[e]n, Guſtav wurde zum Nachbar Schlächter in
die [L]ehre gethan: er konnte ja vielleicht daſſelbe
Glüc[k] haben, wie ſein Stiefvater. Adams nahm ſich
als d[i]e Zeit dazu gekommen war, einer ſeiner Lehrer
an [u]nd verſchaffte ihm einen Platz im Gymnaſial-
Alu[m]nat der nächſten größeren Provinzialſtadt: in
dem [J]ungen ſchien etwas Mehr zu ſtecken, als in ſeinen
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[13/0021] Geſchäft verſuchte wieder einen kleinen Lebensauf- ſchwung. Dafür war denn die Meiſterin dankbar geweſen .. und hatte in einer Stunde der Freude, Hoffnung und Seelenſchwäche dem drängenden Ge- ſellen ihre Hand zugeſagt. Die Hochzeit war auch eines Tages ſtill, glanzlos, verſchämt gefeiert — und Herr Salge ſomit Meiſter und Beſitzer einer Bäckerei geworden, die ihm, dem bisher ar- men Burſchen, doch immerhin eine gewiſſe Würde gab und ein bewußteres Auftreten geſtattete. Ueber- dies war ja die Meiſterin todtkrank .. ihr Lichtlein brenzelte, zuckte und knarrte ſchon leiſe .. lange konnte es nicht mehr brennen .. Eines Tages er- loſch es denn auch, und Herr Salge, der wacker ge- arbeitet hatte und dem es auch gelungen war, ſeine Waare wieder mehr zu Ehre und Anſehen zu brin- gen, heirathete ſeine Dienſtmagd, mit der er ſich ſchon vorher eingelaſſen hatte, und die ſich eine nicht ganz kümmrige Summe aus ihren früheren Dienſt- ſchaften zuſammengeſpart. Die Stiefkinder kamen natürlich früh aus dem Hauſe. Die Mädchen mußten ſich mach ihrer Einſegnung bald nach auswärts ver- dingen, Guſtav wurde zum Nachbar Schlächter in die Lehre gethan: er konnte ja vielleicht daſſelbe Glück haben, wie ſein Stiefvater. Adams nahm ſich als die Zeit dazu gekommen war, einer ſeiner Lehrer an und verſchaffte ihm einen Platz im Gymnaſial- Alumnat der nächſten größeren Provinzialſtadt: in dem Jungen ſchien etwas Mehr zu ſtecken, als in ſeinen Geſchwiſtern .. und des Experiments, das noth-

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/21>, abgerufen am 25.11.2024.