Höflichkeit ... und wurde dabei doch wieder ein Wenig verlegen. Aber zugleich machte ihm der harmlos-einfältige Gedanke wollüstiges Vergnügen, daß für Hedwig die Thatsache, ihn in einem offenen Wagen an der Seite Frau Lange's gesehen zu haben, zu einem neuen Grunde, sich mit ihm zu beschäftigen, werden mußte -- und daß andrerseits sein auffallend höflicher Gruß gegen Irmers nicht ohne Eindruck auf Lydia bleiben konnte.
"Gestatten Sie, daß ich hier aussteige, gnädige Frau! .." wiederholte Adam, als der Wagen kaum noch hundert Schritt von dem Ausgang des Parkes entfernt war -- "und" -- fügte er leiser hinzu -- "wann werden Sie einmal für mich zu Hause sein, Lydia? Das geht so nicht weiter -- das ertrage ich nicht länger -- die Sache muß zur Entscheidung kommen -- -- oder -- ja! -- das ist besser -- ich schreibe Ihnen --"
"Wie Sie wollen, Herr Doctor. Ich weiß übri- gens nicht, was Sie mir -- doch -- nebenbei be- merkt -- ich verreise demnächst auf einige Wochen --"
Frau Lange ließ halten. Adam stieg aus und zog den Hut.
"Adieu! .." Das klang entsetzlich kurz und schroff.
Der Wagen rollte davon. Es regnete stärker.
Adam schlug die Richtung nach seiner Wohnung ein. Das leise Prickeln und verhaltene Stechen der Regentropfen that ihm fast wohl. Bei einer solchen Naturstimmung fliegen keine großen Gedanken
Höflichkeit ... und wurde dabei doch wieder ein Wenig verlegen. Aber zugleich machte ihm der harmlos-einfältige Gedanke wollüſtiges Vergnügen, daß für Hedwig die Thatſache, ihn in einem offenen Wagen an der Seite Frau Lange's geſehen zu haben, zu einem neuen Grunde, ſich mit ihm zu beſchäftigen, werden mußte — und daß andrerſeits ſein auffallend höflicher Gruß gegen Irmers nicht ohne Eindruck auf Lydia bleiben konnte.
„Geſtatten Sie, daß ich hier ausſteige, gnädige Frau! ..“ wiederholte Adam, als der Wagen kaum noch hundert Schritt von dem Ausgang des Parkes entfernt war — „und“ — fügte er leiſer hinzu — „wann werden Sie einmal für mich zu Hauſe ſein, Lydia? Das geht ſo nicht weiter — das ertrage ich nicht länger — die Sache muß zur Entſcheidung kommen — — oder — ja! — das iſt beſſer — ich ſchreibe Ihnen —“
„Wie Sie wollen, Herr Doctor. Ich weiß übri- gens nicht, was Sie mir — doch — nebenbei be- merkt — ich verreiſe demnächſt auf einige Wochen —“
Frau Lange ließ halten. Adam ſtieg aus und zog den Hut.
„Adieu! ..“ Das klang entſetzlich kurz und ſchroff.
Der Wagen rollte davon. Es regnete ſtärker.
Adam ſchlug die Richtung nach ſeiner Wohnung ein. Das leiſe Prickeln und verhaltene Stechen der Regentropfen that ihm faſt wohl. Bei einer ſolchen Naturſtimmung fliegen keine großen Gedanken
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0204"n="196"/>
Höflichkeit ... und wurde dabei doch wieder ein<lb/>
Wenig verlegen. Aber zugleich machte ihm der<lb/>
harmlos-einfältige Gedanke wollüſtiges Vergnügen,<lb/>
daß für Hedwig die Thatſache, ihn in einem offenen<lb/>
Wagen an der Seite Frau Lange's geſehen zu haben,<lb/>
zu einem neuen Grunde, ſich mit ihm zu beſchäftigen,<lb/>
werden mußte — und daß andrerſeits ſein auffallend<lb/>
höflicher Gruß gegen Irmers nicht ohne Eindruck<lb/>
auf Lydia bleiben konnte.</p><lb/><p>„Geſtatten Sie, daß ich hier ausſteige, gnädige<lb/>
Frau! ..“ wiederholte Adam, als der Wagen kaum<lb/>
noch hundert Schritt von dem Ausgang des Parkes<lb/>
entfernt war —„und“— fügte er leiſer hinzu —<lb/>„wann werden Sie einmal für mich zu Hauſe ſein,<lb/>
Lydia? Das geht ſo nicht weiter — das ertrage ich<lb/>
nicht länger — die Sache muß zur Entſcheidung<lb/>
kommen —— oder — ja! — das iſt beſſer —<lb/>
ich ſchreibe Ihnen —“</p><lb/><p>„Wie Sie wollen, Herr Doctor. Ich weiß übri-<lb/>
gens nicht, was Sie mir — doch — nebenbei be-<lb/>
merkt — ich verreiſe demnächſt auf einige Wochen —“</p><lb/><p>Frau Lange ließ halten. Adam ſtieg aus und<lb/>
zog den Hut.</p><lb/><p>„Adieu! ..“ Das klang entſetzlich kurz und<lb/>ſchroff.</p><lb/><p>Der Wagen rollte davon. Es regnete ſtärker.</p><lb/><p>Adam ſchlug die Richtung nach ſeiner Wohnung<lb/>
ein. Das leiſe Prickeln und verhaltene Stechen<lb/>
der Regentropfen that ihm faſt wohl. Bei einer<lb/>ſolchen Naturſtimmung fliegen keine großen Gedanken<lb/></p></div></body></text></TEI>
[196/0204]
Höflichkeit ... und wurde dabei doch wieder ein
Wenig verlegen. Aber zugleich machte ihm der
harmlos-einfältige Gedanke wollüſtiges Vergnügen,
daß für Hedwig die Thatſache, ihn in einem offenen
Wagen an der Seite Frau Lange's geſehen zu haben,
zu einem neuen Grunde, ſich mit ihm zu beſchäftigen,
werden mußte — und daß andrerſeits ſein auffallend
höflicher Gruß gegen Irmers nicht ohne Eindruck
auf Lydia bleiben konnte.
„Geſtatten Sie, daß ich hier ausſteige, gnädige
Frau! ..“ wiederholte Adam, als der Wagen kaum
noch hundert Schritt von dem Ausgang des Parkes
entfernt war — „und“ — fügte er leiſer hinzu —
„wann werden Sie einmal für mich zu Hauſe ſein,
Lydia? Das geht ſo nicht weiter — das ertrage ich
nicht länger — die Sache muß zur Entſcheidung
kommen — — oder — ja! — das iſt beſſer —
ich ſchreibe Ihnen —“
„Wie Sie wollen, Herr Doctor. Ich weiß übri-
gens nicht, was Sie mir — doch — nebenbei be-
merkt — ich verreiſe demnächſt auf einige Wochen —“
Frau Lange ließ halten. Adam ſtieg aus und
zog den Hut.
„Adieu! ..“ Das klang entſetzlich kurz und
ſchroff.
Der Wagen rollte davon. Es regnete ſtärker.
Adam ſchlug die Richtung nach ſeiner Wohnung
ein. Das leiſe Prickeln und verhaltene Stechen
der Regentropfen that ihm faſt wohl. Bei einer
ſolchen Naturſtimmung fliegen keine großen Gedanken
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/204>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.