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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889].

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daran, sich einmal den Proceß zu zergliedern,
unter dem die Menschen ... andere Menschen, ein-
fachere Individuen, die Durchschnittsmasse .. zu
handeln pflegen. Der Motiv entfiel ihm wieder,
entwischte ihm. Es war wohl auch zu complicirt und
bedurfte einer ruhigen, objectiven, kritischen Secir-
stimmung, welche Adam jetzt kaum vorräthig bei
sich fand. Das Bewußtsein seiner Unzuverlässigkeit
in erotischen Angelegenheiten zerrte doch gewaltig
an ihm. Es machte ihn zuerst unruhig, es empörte
ihn gegen sich, dann legte es sich als ein schwerer,
massiver Druck, lähmend und zusammenschnürend, auf
ihn. Adam athmete einige Male heftiger, er schüttelte
an sich herum -- er wollte um jeden Preis das
Blei dieser trostlosen Starrheit aus seiner Seele
los sein. Andere Gedanken kamen nun. Ja! Ja!
Und nochmals Ja! --: er mußte sich andere, neue
Verhältnisse schaffen, unter denen er in Zukunft
leben durfte. Ah! da erwartete er also doch noch
eine Erneuerung seiner "Persönlichkeit" -- er hielt
sie für möglich -- er rechnete sogar schon mit ihr --?
Oder that er das Letztere etwa nicht? Gewiß that
er's! Er hatte noch längst nicht a la Doctor Irmer
auf das Leben "verzichtet". Nein, keine Spur
davon! Er wollte leben: reich, unabhängig .. in
einer Lage leben, wo er nicht jeden Groschen
dreimal umdrehen und besehen mußte, ehe er ihn
ausgab -- was er allerdings sonst auch nie that,
was er aber eigentlich den ökonomischen Privatgesetzen,
unter denen er jetzt existierte, schuldig gewesen wäre --

Conradi, Adam Mensch. 11

daran, ſich einmal den Proceß zu zergliedern,
unter dem die Menſchen ... andere Menſchen, ein-
fachere Individuen, die Durchſchnittsmaſſe .. zu
handeln pflegen. Der Motiv entfiel ihm wieder,
entwiſchte ihm. Es war wohl auch zu complicirt und
bedurfte einer ruhigen, objectiven, kritiſchen Secir-
ſtimmung, welche Adam jetzt kaum vorräthig bei
ſich fand. Das Bewußtſein ſeiner Unzuverläſſigkeit
in erotiſchen Angelegenheiten zerrte doch gewaltig
an ihm. Es machte ihn zuerſt unruhig, es empörte
ihn gegen ſich, dann legte es ſich als ein ſchwerer,
maſſiver Druck, lähmend und zuſammenſchnürend, auf
ihn. Adam athmete einige Male heftiger, er ſchüttelte
an ſich herum — er wollte um jeden Preis das
Blei dieſer troſtloſen Starrheit aus ſeiner Seele
los ſein. Andere Gedanken kamen nun. Ja! Ja!
Und nochmals Ja! —: er mußte ſich andere, neue
Verhältniſſe ſchaffen, unter denen er in Zukunft
leben durfte. Ah! da erwartete er alſo doch noch
eine Erneuerung ſeiner „Perſönlichkeit“ — er hielt
ſie für möglich — er rechnete ſogar ſchon mit ihr —?
Oder that er das Letztere etwa nicht? Gewiß that
er's! Er hatte noch längſt nicht à la Doctor Irmer
auf das Leben „verzichtet“. Nein, keine Spur
davon! Er wollte leben: reich, unabhängig .. in
einer Lage leben, wo er nicht jeden Groſchen
dreimal umdrehen und beſehen mußte, ehe er ihn
ausgab — was er allerdings ſonſt auch nie that,
was er aber eigentlich den ökonomiſchen Privatgeſetzen,
unter denen er jetzt exiſtierte, ſchuldig geweſen wäre —

Conradi, Adam Menſch. 11
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[161/0169] daran, ſich einmal den Proceß zu zergliedern, unter dem die Menſchen ... andere Menſchen, ein- fachere Individuen, die Durchſchnittsmaſſe .. zu handeln pflegen. Der Motiv entfiel ihm wieder, entwiſchte ihm. Es war wohl auch zu complicirt und bedurfte einer ruhigen, objectiven, kritiſchen Secir- ſtimmung, welche Adam jetzt kaum vorräthig bei ſich fand. Das Bewußtſein ſeiner Unzuverläſſigkeit in erotiſchen Angelegenheiten zerrte doch gewaltig an ihm. Es machte ihn zuerſt unruhig, es empörte ihn gegen ſich, dann legte es ſich als ein ſchwerer, maſſiver Druck, lähmend und zuſammenſchnürend, auf ihn. Adam athmete einige Male heftiger, er ſchüttelte an ſich herum — er wollte um jeden Preis das Blei dieſer troſtloſen Starrheit aus ſeiner Seele los ſein. Andere Gedanken kamen nun. Ja! Ja! Und nochmals Ja! —: er mußte ſich andere, neue Verhältniſſe ſchaffen, unter denen er in Zukunft leben durfte. Ah! da erwartete er alſo doch noch eine Erneuerung ſeiner „Perſönlichkeit“ — er hielt ſie für möglich — er rechnete ſogar ſchon mit ihr —? Oder that er das Letztere etwa nicht? Gewiß that er's! Er hatte noch längſt nicht à la Doctor Irmer auf das Leben „verzichtet“. Nein, keine Spur davon! Er wollte leben: reich, unabhängig .. in einer Lage leben, wo er nicht jeden Groſchen dreimal umdrehen und beſehen mußte, ehe er ihn ausgab — was er allerdings ſonſt auch nie that, was er aber eigentlich den ökonomiſchen Privatgeſetzen, unter denen er jetzt exiſtierte, ſchuldig geweſen wäre — Conradi, Adam Menſch. 11

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Zitationshilfe: Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/169>, abgerufen am 27.11.2024.