einer vornehmen, eleganten, weichen, mit künstlerischem Verständniß arrangirten Umgebung, die soviel als möglich alle trivialen, hyperboreischen Reibungen überflüssig machte, zu leben. In dieser Hinsicht be- saß Adam also auch sehr epicureische Gelüste.
"Was enthalten denn die Brochüren, die Sie jetzt geschrieben haben, Herr Doctor?" fragte Irmer endlich.
"Ach Gott! das sind mehr feuilletonistische Stil- übungen. Ich lege weiter keinen Werth auf sie. Moderne, zeitgemäße Themata übrigens. Hoffentlich bringen sie mir ein paar Dreier ein. In dem einen Hefte habe ich allerlei Pikanterie'n über das specifische Wesen des deutschen Gymnasiallehrers aus- gekramt -- -- ich hatte nämlich selbst einmal die Ehre, einem Präceptorencollegium anzugehören, Herr Doctor -- na! und da lernt man ja diese famose, menschliche pele-mele-Speise kennen -- in dem ander'n Hefte, das aber noch nicht ganz fertig ist, plaudere ich über -- -- oder sagen wir meinetwegen: liefere ich eine psychologische Analyse des geistigen Pro- letariats von heute -- "modern," wie gesagt, "zeit- gemäß" sind die Motive jedenfalls.."
"Ja! .. Ja! .." versicherte Doctor Irmer zu- stimmend. Er sah vor sich hin. Sein Gesicht nahm sich sehr nachdenklich aus. Zugleich etwas schmerzhaft verzogen. Adam konnte sich des Gefühls nicht er- wehren, daß sein Gegenüber bedauerte, auf den Ge- danken, derartige "brennende Fragen" zu behandeln, nicht selbst gekommen zu sein.
einer vornehmen, eleganten, weichen, mit künſtleriſchem Verſtändniß arrangirten Umgebung, die ſoviel als möglich alle trivialen, hyperboreiſchen Reibungen überflüſſig machte, zu leben. In dieſer Hinſicht be- ſaß Adam alſo auch ſehr epicureiſche Gelüſte.
„Was enthalten denn die Brochüren, die Sie jetzt geſchrieben haben, Herr Doctor?“ fragte Irmer endlich.
„Ach Gott! das ſind mehr feuilletoniſtiſche Stil- übungen. Ich lege weiter keinen Werth auf ſie. Moderne, zeitgemäße Themata übrigens. Hoffentlich bringen ſie mir ein paar Dreier ein. In dem einen Hefte habe ich allerlei Pikanterie'n über das ſpecifiſche Weſen des deutſchen Gymnaſiallehrers aus- gekramt — — ich hatte nämlich ſelbſt einmal die Ehre, einem Präceptorencollegium anzugehören, Herr Doctor — na! und da lernt man ja dieſe famoſe, menſchliche pêle-mêle-Speiſe kennen — in dem ander'n Hefte, das aber noch nicht ganz fertig iſt, plaudere ich über — — oder ſagen wir meinetwegen: liefere ich eine pſychologiſche Analyſe des geiſtigen Pro- letariats von heute — „modern,“ wie geſagt, „zeit- gemäß“ ſind die Motive jedenfalls..“
„Ja! .. Ja! ..“ verſicherte Doctor Irmer zu- ſtimmend. Er ſah vor ſich hin. Sein Geſicht nahm ſich ſehr nachdenklich aus. Zugleich etwas ſchmerzhaft verzogen. Adam konnte ſich des Gefühls nicht er- wehren, daß ſein Gegenüber bedauerte, auf den Ge- danken, derartige „brennende Fragen“ zu behandeln, nicht ſelbſt gekommen zu ſein.
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einer vornehmen, eleganten, weichen, mit künſtleriſchem
Verſtändniß arrangirten Umgebung, die ſoviel als
möglich alle trivialen, hyperboreiſchen Reibungen
überflüſſig machte, zu leben. In dieſer Hinſicht be-
ſaß Adam alſo auch ſehr epicureiſche Gelüſte.
„Was enthalten denn die Brochüren, die Sie
jetzt geſchrieben haben, Herr Doctor?“ fragte Irmer
endlich.
„Ach Gott! das ſind mehr feuilletoniſtiſche Stil-
übungen. Ich lege weiter keinen Werth auf ſie.
Moderne, zeitgemäße Themata übrigens. Hoffentlich
bringen ſie mir ein paar Dreier ein. In dem
einen Hefte habe ich allerlei Pikanterie'n über das
ſpecifiſche Weſen des deutſchen Gymnaſiallehrers aus-
gekramt — — ich hatte nämlich ſelbſt einmal die
Ehre, einem Präceptorencollegium anzugehören, Herr
Doctor — na! und da lernt man ja dieſe famoſe,
menſchliche pêle-mêle-Speiſe kennen — in dem ander'n
Hefte, das aber noch nicht ganz fertig iſt, plaudere ich
über — — oder ſagen wir meinetwegen: liefere
ich eine pſychologiſche Analyſe des geiſtigen Pro-
letariats von heute — „modern,“ wie geſagt, „zeit-
gemäß“ ſind die Motive jedenfalls..“
„Ja! .. Ja! ..“ verſicherte Doctor Irmer zu-
ſtimmend. Er ſah vor ſich hin. Sein Geſicht nahm ſich
ſehr nachdenklich aus. Zugleich etwas ſchmerzhaft
verzogen. Adam konnte ſich des Gefühls nicht er-
wehren, daß ſein Gegenüber bedauerte, auf den Ge-
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/120>, abgerufen am 18.12.2024.
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