"Ich weiß nicht .. der Herr Doctor -- wen darf ich melden?"
Adam suchte seine Karte hervor und hielt sie dem Mädchen hin. Dabei warf er einen kurzen, scharfen Blick auf das Dirndl. Das wurde ein Bissel verlegen und erröthete. Das Ding war nicht übel. Eine kleine, untersetzte, volle Gestalt. Aller- dings etwas lotterig und unsauber, von Spuren grober häuslicher Arbeit übersäet. Das Mägdlein wischte sich die rothen, unfeinen, unappetitlichen Hände an der dreckigen Schürze ab, ehe sie Adam die elegante, elfenbeingelbe Visitenkarte zaghaft- täppisch abnahm.
"Der Herr Doctor läßt bitten .."
Das Mädchen ging auf dem schmalen, schatten- durchdunkelten Corridor vor Adam her. Der konnte sich nicht enthalten, einen Augenblick die Finger seiner glacegantirten Rechten um den vollen, linken Oberarm der kleinen ancilla amandissima zu spannen.
Ein leises, Entrüstung, Ueberraschung und heim- liches, verhaltenes Vergnügen zugleich verrathendes "Na!" ließ sich hören. Der Arm entschlüpfte.
Adam ging auf Herrn Doctor Irmer zu, der im Sessel vor seinem Schreibtische saß und den Kopf halb zu dem Eintretenden hingewandt hielt.
"Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich mir die Freiheit nehme, Sie aufzusuchen. Aber -- nun -- offen gesagt: Sie interessiren mich. Ich hatte neu- lich die Ehre, Ihr Fräulein Tochter gelegentlich eines Soupers bei Herrn Quöck kennen zu lernen. Und
„Ich weiß nicht .. der Herr Doctor — wen darf ich melden?“
Adam ſuchte ſeine Karte hervor und hielt ſie dem Mädchen hin. Dabei warf er einen kurzen, ſcharfen Blick auf das Dirndl. Das wurde ein Biſſel verlegen und erröthete. Das Ding war nicht übel. Eine kleine, unterſetzte, volle Geſtalt. Aller- dings etwas lotterig und unſauber, von Spuren grober häuslicher Arbeit überſäet. Das Mägdlein wiſchte ſich die rothen, unfeinen, unappetitlichen Hände an der dreckigen Schürze ab, ehe ſie Adam die elegante, elfenbeingelbe Viſitenkarte zaghaft- täppiſch abnahm.
„Der Herr Doctor läßt bitten ..“
Das Mädchen ging auf dem ſchmalen, ſchatten- durchdunkelten Corridor vor Adam her. Der konnte ſich nicht enthalten, einen Augenblick die Finger ſeiner glacégantirten Rechten um den vollen, linken Oberarm der kleinen ancilla amandissima zu ſpannen.
Ein leiſes, Entrüſtung, Ueberraſchung und heim- liches, verhaltenes Vergnügen zugleich verrathendes „Na!“ ließ ſich hören. Der Arm entſchlüpfte.
Adam ging auf Herrn Doctor Irmer zu, der im Seſſel vor ſeinem Schreibtiſche ſaß und den Kopf halb zu dem Eintretenden hingewandt hielt.
„Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich mir die Freiheit nehme, Sie aufzuſuchen. Aber — nun — offen geſagt: Sie intereſſiren mich. Ich hatte neu- lich die Ehre, Ihr Fräulein Tochter gelegentlich eines Soupers bei Herrn Quöck kennen zu lernen. Und
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„Ich weiß nicht .. der Herr Doctor — wen
darf ich melden?“
Adam ſuchte ſeine Karte hervor und hielt ſie
dem Mädchen hin. Dabei warf er einen kurzen,
ſcharfen Blick auf das Dirndl. Das wurde ein
Biſſel verlegen und erröthete. Das Ding war nicht
übel. Eine kleine, unterſetzte, volle Geſtalt. Aller-
dings etwas lotterig und unſauber, von Spuren
grober häuslicher Arbeit überſäet. Das Mägdlein
wiſchte ſich die rothen, unfeinen, unappetitlichen
Hände an der dreckigen Schürze ab, ehe ſie Adam
die elegante, elfenbeingelbe Viſitenkarte zaghaft-
täppiſch abnahm.
„Der Herr Doctor läßt bitten ..“
Das Mädchen ging auf dem ſchmalen, ſchatten-
durchdunkelten Corridor vor Adam her. Der konnte
ſich nicht enthalten, einen Augenblick die Finger
ſeiner glacégantirten Rechten um den vollen, linken
Oberarm der kleinen ancilla amandissima zu ſpannen.
Ein leiſes, Entrüſtung, Ueberraſchung und heim-
liches, verhaltenes Vergnügen zugleich verrathendes
„Na!“ ließ ſich hören. Der Arm entſchlüpfte.
Adam ging auf Herrn Doctor Irmer zu, der
im Seſſel vor ſeinem Schreibtiſche ſaß und den
Kopf halb zu dem Eintretenden hingewandt hielt.
„Verzeihen Sie, Herr Doctor, daß ich mir die
Freiheit nehme, Sie aufzuſuchen. Aber — nun —
offen geſagt: Sie intereſſiren mich. Ich hatte neu-
lich die Ehre, Ihr Fräulein Tochter gelegentlich eines
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/117>, abgerufen am 18.12.2024.
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