zwischen diesem kühnen Herrn Doctor und sich. Und doch sträubte sie sich, laut zu äußern, wie sympathisch sie sich ganz unten auf dem Boden ihres Ichs berührt fühlte. Vielleicht war sie durch die Einsamkeit, in der sie mit ihrem Vater jahrelang gelebt, innerlich auch schon zu versteift und verhärtet, um für Dialektik noch die gehörige Geschmeidigkeit des Geistes zu besitzen.
So fügte Adam nach einer Weile, während welcher sie schweigend neben einander hergeschritten waren, hin- zu: "-- Darauf kommt es ja auch gar nicht an, was man ist, sondern darauf: wie man das ist, was man ist. .."
"Wollten Sie nicht einmal meinen Vater besuchen, Herr Doctor?"
Die Frage klang liebenswürdig, einladend. Un- willkürlich münzte sie Adam zur zustimmenden, Ver- ständniß und verwandte Anschauung verrathenden Antwort auf seine Auseinandersetzung um. Er freute sich darüber, aber, merkwürdig und erklärlich zugleich, veranlaßte ihn diese Frage zu einer gespreizt- höflichen Erwiderung: "Gewiß, mein gnädiges Fräulein! Ich werde mir mit Ihrer Erlaubniß dem- nächst die Ehre geben --"
Hedwig sah ihren Begleiter wegwerfend von der Seite an.
Adam fing den Blick auf und erklärte ihn sich. Er lächelte.
"Hedwig!"
"Herr Doctor --?"
Conradi, Adam Mensch. 7
zwiſchen dieſem kühnen Herrn Doctor und ſich. Und doch ſträubte ſie ſich, laut zu äußern, wie ſympathiſch ſie ſich ganz unten auf dem Boden ihres Ichs berührt fühlte. Vielleicht war ſie durch die Einſamkeit, in der ſie mit ihrem Vater jahrelang gelebt, innerlich auch ſchon zu verſteift und verhärtet, um für Dialektik noch die gehörige Geſchmeidigkeit des Geiſtes zu beſitzen.
So fügte Adam nach einer Weile, während welcher ſie ſchweigend neben einander hergeſchritten waren, hin- zu: „— Darauf kommt es ja auch gar nicht an, was man iſt, ſondern darauf: wie man das iſt, was man iſt. ..“
„Wollten Sie nicht einmal meinen Vater beſuchen, Herr Doctor?“
Die Frage klang liebenswürdig, einladend. Un- willkürlich münzte ſie Adam zur zuſtimmenden, Ver- ſtändniß und verwandte Anſchauung verrathenden Antwort auf ſeine Auseinanderſetzung um. Er freute ſich darüber, aber, merkwürdig und erklärlich zugleich, veranlaßte ihn dieſe Frage zu einer geſpreizt- höflichen Erwiderung: „Gewiß, mein gnädiges Fräulein! Ich werde mir mit Ihrer Erlaubniß dem- nächſt die Ehre geben —“
Hedwig ſah ihren Begleiter wegwerfend von der Seite an.
Adam fing den Blick auf und erklärte ihn ſich. Er lächelte.
„Hedwig!“
„Herr Doctor —?“
Conradi, Adam Menſch. 7
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zwiſchen dieſem kühnen Herrn Doctor und ſich.
Und doch ſträubte ſie ſich, laut zu äußern, wie
ſympathiſch ſie ſich ganz unten auf dem Boden ihres
Ichs berührt fühlte. Vielleicht war ſie durch die
Einſamkeit, in der ſie mit ihrem Vater jahrelang
gelebt, innerlich auch ſchon zu verſteift und verhärtet,
um für Dialektik noch die gehörige Geſchmeidigkeit
des Geiſtes zu beſitzen.
So fügte Adam nach einer Weile, während welcher
ſie ſchweigend neben einander hergeſchritten waren, hin-
zu: „— Darauf kommt es ja auch gar nicht an, was
man iſt, ſondern darauf: wie man das iſt, was
man iſt. ..“
„Wollten Sie nicht einmal meinen Vater beſuchen,
Herr Doctor?“
Die Frage klang liebenswürdig, einladend. Un-
willkürlich münzte ſie Adam zur zuſtimmenden, Ver-
ſtändniß und verwandte Anſchauung verrathenden
Antwort auf ſeine Auseinanderſetzung um. Er
freute ſich darüber, aber, merkwürdig und erklärlich
zugleich, veranlaßte ihn dieſe Frage zu einer geſpreizt-
höflichen Erwiderung: „Gewiß, mein gnädiges
Fräulein! Ich werde mir mit Ihrer Erlaubniß dem-
nächſt die Ehre geben —“
Hedwig ſah ihren Begleiter wegwerfend von der
Seite an.
Adam fing den Blick auf und erklärte ihn ſich.
Er lächelte.
„Hedwig!“
„Herr Doctor —?“
Conradi, Adam Menſch. 7
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Conradi, Hermann: Adam Mensch. Leipzig, [1889], S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/conradi_adam_1889/105>, abgerufen am 26.11.2024.
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