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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Zeit genug für das Krankenhaus, darin jene verzweifelten Schnitte
auszuführen, bei denen die moderne Chirurgie nur noch ihre
Virtuosität, nicht mehr ihre Heilkraft beweisen kann.

Es ist in der weiblichen Literatur über die Frauenfrage -
und hier ist sie wohl vor allem glaubwürdige Zeugin - oft
und breit auseinandergesetzt worden, wie sehr das Gebiet der
Frauenleiden Anlaß zu diesen Mißständen gibt, wie wegen
der nun einmal vorhandenen Scheu weiblicher (insbesondere un-
verehelichter) Personen vor der Offenbarung ihrer Beschwerden
an männliche Aerzte ein dringender Begehr nach weiblichen
Frauenärzten ruft; wie unterdessen Tausende zu Grunde gehen,
weil die ärztliche Hülfe zur rechten Stunde nicht eingreifen kann.

Wie nun öfters derartige Gründe als Waffen des Angriffs
und der Vertheidigung hin und her gewendet werden, so ge-
schieht es auch bei den Debatten über diese Frage. Jhr wollt,
werfen die Gegner ein, diese Art der weiblichen Schamhaftig-
keit schonen, um dafür in viel flagranterer Weise durch Eure
Abhülfsmaßregeln die weibliche Schamhaftigkeit zu opfern! Die
Ausbildung der Frau, des jungen Mädchens für den ärztlichen
Beruf durch die unentbehrlichen Studien der medicinischen
Wissenschaften - sei es in eigenen Frauenhochschulen, sei es
gar gemeinsam mit den männlichen Studirenden - bedeutet,
so wird behauptet, einen so revolutionären Schritt gegenüber
unseren Sitten und Erziehungsmitteln für das weibliche Ge-
schlecht, daß diese Zumuthung eine viel stärkere ist, als jene
Zumuthung der ärztlichen Diagnose. So die Gegner.

Dies würde richtig sein, wenn es sich um dieselben weib-
lichen Personen handelte. Es besteht aber die Schwierigkeit,
auf die es ankommt, darin, daß nun einmal thatsächlich ein
großer Theil des weiblichen Geschlechts jene übertriebene Scheu
besitzt, und an dieser Thatsache wird dadurch nichts geändert,

Zeit genug für das Krankenhaus, darin jene verzweifelten Schnitte
auszuführen, bei denen die moderne Chirurgie nur noch ihre
Virtuosität, nicht mehr ihre Heilkraft beweisen kann.

Es ist in der weiblichen Literatur über die Frauenfrage –
und hier ist sie wohl vor allem glaubwürdige Zeugin – oft
und breit auseinandergesetzt worden, wie sehr das Gebiet der
Frauenleiden Anlaß zu diesen Mißständen gibt, wie wegen
der nun einmal vorhandenen Scheu weiblicher (insbesondere un-
verehelichter) Personen vor der Offenbarung ihrer Beschwerden
an männliche Aerzte ein dringender Begehr nach weiblichen
Frauenärzten ruft; wie unterdessen Tausende zu Grunde gehen,
weil die ärztliche Hülfe zur rechten Stunde nicht eingreifen kann.

Wie nun öfters derartige Gründe als Waffen des Angriffs
und der Vertheidigung hin und her gewendet werden, so ge-
schieht es auch bei den Debatten über diese Frage. Jhr wollt,
werfen die Gegner ein, diese Art der weiblichen Schamhaftig-
keit schonen, um dafür in viel flagranterer Weise durch Eure
Abhülfsmaßregeln die weibliche Schamhaftigkeit zu opfern! Die
Ausbildung der Frau, des jungen Mädchens für den ärztlichen
Beruf durch die unentbehrlichen Studien der medicinischen
Wissenschaften – sei es in eigenen Frauenhochschulen, sei es
gar gemeinsam mit den männlichen Studirenden – bedeutet,
so wird behauptet, einen so revolutionären Schritt gegenüber
unseren Sitten und Erziehungsmitteln für das weibliche Ge-
schlecht, daß diese Zumuthung eine viel stärkere ist, als jene
Zumuthung der ärztlichen Diagnose. So die Gegner.

Dies würde richtig sein, wenn es sich um dieselben weib-
lichen Personen handelte. Es besteht aber die Schwierigkeit,
auf die es ankommt, darin, daß nun einmal thatsächlich ein
großer Theil des weiblichen Geschlechts jene übertriebene Scheu
besitzt, und an dieser Thatsache wird dadurch nichts geändert,

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[155/0171] Zeit genug für das Krankenhaus, darin jene verzweifelten Schnitte auszuführen, bei denen die moderne Chirurgie nur noch ihre Virtuosität, nicht mehr ihre Heilkraft beweisen kann. Es ist in der weiblichen Literatur über die Frauenfrage – und hier ist sie wohl vor allem glaubwürdige Zeugin – oft und breit auseinandergesetzt worden, wie sehr das Gebiet der Frauenleiden Anlaß zu diesen Mißständen gibt, wie wegen der nun einmal vorhandenen Scheu weiblicher (insbesondere un- verehelichter) Personen vor der Offenbarung ihrer Beschwerden an männliche Aerzte ein dringender Begehr nach weiblichen Frauenärzten ruft; wie unterdessen Tausende zu Grunde gehen, weil die ärztliche Hülfe zur rechten Stunde nicht eingreifen kann. Wie nun öfters derartige Gründe als Waffen des Angriffs und der Vertheidigung hin und her gewendet werden, so ge- schieht es auch bei den Debatten über diese Frage. Jhr wollt, werfen die Gegner ein, diese Art der weiblichen Schamhaftig- keit schonen, um dafür in viel flagranterer Weise durch Eure Abhülfsmaßregeln die weibliche Schamhaftigkeit zu opfern! Die Ausbildung der Frau, des jungen Mädchens für den ärztlichen Beruf durch die unentbehrlichen Studien der medicinischen Wissenschaften – sei es in eigenen Frauenhochschulen, sei es gar gemeinsam mit den männlichen Studirenden – bedeutet, so wird behauptet, einen so revolutionären Schritt gegenüber unseren Sitten und Erziehungsmitteln für das weibliche Ge- schlecht, daß diese Zumuthung eine viel stärkere ist, als jene Zumuthung der ärztlichen Diagnose. So die Gegner. Dies würde richtig sein, wenn es sich um dieselben weib- lichen Personen handelte. Es besteht aber die Schwierigkeit, auf die es ankommt, darin, daß nun einmal thatsächlich ein großer Theil des weiblichen Geschlechts jene übertriebene Scheu besitzt, und an dieser Thatsache wird dadurch nichts geändert,

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/171>, abgerufen am 25.11.2024.