Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Mann geradezu in die zweite Reihe zu rücken pflegt, wie in
anderen Ländern die Frau hinter den Mann.

Doch auch in dem eigentlichen Spielraume, auf den die
neue Bewegung sich richtet, sind die thatsächlichen Voraus-
setzungen nicht so ungünstig, wie es gelegentlich scheinen könnte.
Die Berufszählung vom Jahre 1882 sagt uns für das Deutsche
Reich, daß es in der schmalsten Schicht der arbeitstheiligen
Abstufung - Beamte und freie Berufsarten - 115272 weib-
liche Personen gab, d. h. ein Viertel so viel als männliche.
Jn dieser Zahl ist enthalten, was von Lehrerinnen, Erziehe-
rinnen, Angestellten der Eisenbahn-, Post-, Telegraphen-,
Telephonverwaltung damals bereits in deutschen Landen zu
finden war. Allerdings ist es die verhältnißmäßig große Zahl
selber, welche uns sagt, daß auch in diesem engeren Gebiete
es wiederum vielmehr die Quantität als die Qualität ist, die
uns aus dem Bestehenden entgegenspringt. Aber in der Menge
weiblicher Berufsthätigkeit auf diesem Gebiete liegt der eigent-
liche Unterbau für die Bestrebungen der Frauenbewegung. Die
große Zahl der Lehrerinnen und Erzieherinnen legt die Frage
nahe, warum das eben bestehende Maß an Vorbildung für
diese Berufsarten, warum die auf diese Vorbildung gegründeten
Schranken weiblicher Wirksamkeit in dieser Sphäre nicht er-
weitert werden können, oder ob sie etwas ein- für allemal Ge-
gebenes, ob sie etwas "Natürliches" sind. Eine Frage, welche
unterdessen zu Gunsten der Reform, wie wir wissen, u. A.
durch die preußische Unterrichtsverwaltung beantwortet worden
ist. Denn je mangelhafter, je unabgeschlossener der ganze bis-
herige Zustand weiblicher Schulbildung einschließlich ihrer höch-
sten Stufen nach allgemeinem Urtheil erscheint, um so weiteren
Raum läßt er offen für Reformen, die das Ganze von Grund

Mann geradezu in die zweite Reihe zu rücken pflegt, wie in
anderen Ländern die Frau hinter den Mann.

Doch auch in dem eigentlichen Spielraume, auf den die
neue Bewegung sich richtet, sind die thatsächlichen Voraus-
setzungen nicht so ungünstig, wie es gelegentlich scheinen könnte.
Die Berufszählung vom Jahre 1882 sagt uns für das Deutsche
Reich, daß es in der schmalsten Schicht der arbeitstheiligen
Abstufung – Beamte und freie Berufsarten – 115272 weib-
liche Personen gab, d. h. ein Viertel so viel als männliche.
Jn dieser Zahl ist enthalten, was von Lehrerinnen, Erziehe-
rinnen, Angestellten der Eisenbahn-, Post-, Telegraphen-,
Telephonverwaltung damals bereits in deutschen Landen zu
finden war. Allerdings ist es die verhältnißmäßig große Zahl
selber, welche uns sagt, daß auch in diesem engeren Gebiete
es wiederum vielmehr die Quantität als die Qualität ist, die
uns aus dem Bestehenden entgegenspringt. Aber in der Menge
weiblicher Berufsthätigkeit auf diesem Gebiete liegt der eigent-
liche Unterbau für die Bestrebungen der Frauenbewegung. Die
große Zahl der Lehrerinnen und Erzieherinnen legt die Frage
nahe, warum das eben bestehende Maß an Vorbildung für
diese Berufsarten, warum die auf diese Vorbildung gegründeten
Schranken weiblicher Wirksamkeit in dieser Sphäre nicht er-
weitert werden können, oder ob sie etwas ein- für allemal Ge-
gebenes, ob sie etwas „Natürliches“ sind. Eine Frage, welche
unterdessen zu Gunsten der Reform, wie wir wissen, u. A.
durch die preußische Unterrichtsverwaltung beantwortet worden
ist. Denn je mangelhafter, je unabgeschlossener der ganze bis-
herige Zustand weiblicher Schulbildung einschließlich ihrer höch-
sten Stufen nach allgemeinem Urtheil erscheint, um so weiteren
Raum läßt er offen für Reformen, die das Ganze von Grund

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="117"/>
Mann geradezu in die zweite Reihe zu rücken pflegt, wie in<lb/>
anderen Ländern die Frau hinter den Mann.</p><lb/>
          <p>Doch auch in dem eigentlichen Spielraume, auf den die<lb/>
neue Bewegung sich richtet, sind die thatsächlichen Voraus-<lb/>
setzungen nicht so ungünstig, wie es gelegentlich scheinen könnte.<lb/>
Die Berufszählung vom Jahre 1882 sagt uns für das Deutsche<lb/>
Reich, daß es in der schmalsten Schicht der arbeitstheiligen<lb/>
Abstufung &#x2013; Beamte und freie Berufsarten &#x2013; 115272 weib-<lb/>
liche Personen gab, d. h. ein Viertel so viel als männliche.<lb/>
Jn dieser Zahl ist enthalten, was von Lehrerinnen, Erziehe-<lb/>
rinnen, Angestellten der Eisenbahn-, Post-, Telegraphen-,<lb/>
Telephonverwaltung damals bereits in deutschen Landen zu<lb/>
finden war. Allerdings ist es die verhältnißmäßig große Zahl<lb/>
selber, welche uns sagt, daß auch in diesem engeren Gebiete<lb/>
es wiederum vielmehr die Quantität als die Qualität ist, die<lb/>
uns aus dem Bestehenden entgegenspringt. Aber in der Menge<lb/>
weiblicher Berufsthätigkeit auf diesem Gebiete liegt der eigent-<lb/>
liche Unterbau für die Bestrebungen der Frauenbewegung. Die<lb/>
große Zahl der Lehrerinnen und Erzieherinnen legt die Frage<lb/>
nahe, warum das eben bestehende Maß an Vorbildung für<lb/>
diese Berufsarten, warum die auf diese Vorbildung gegründeten<lb/>
Schranken weiblicher Wirksamkeit in dieser Sphäre nicht er-<lb/>
weitert werden können, oder ob sie etwas ein- für allemal Ge-<lb/>
gebenes, ob sie etwas &#x201E;Natürliches&#x201C; sind. Eine Frage, welche<lb/>
unterdessen zu Gunsten der Reform, wie wir wissen, u. A.<lb/>
durch die preußische Unterrichtsverwaltung beantwortet worden<lb/>
ist. Denn je mangelhafter, je unabgeschlossener der ganze bis-<lb/>
herige Zustand weiblicher Schulbildung einschließlich ihrer höch-<lb/>
sten Stufen nach allgemeinem Urtheil erscheint, um so weiteren<lb/>
Raum läßt er offen für Reformen, die das Ganze von Grund<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0133] Mann geradezu in die zweite Reihe zu rücken pflegt, wie in anderen Ländern die Frau hinter den Mann. Doch auch in dem eigentlichen Spielraume, auf den die neue Bewegung sich richtet, sind die thatsächlichen Voraus- setzungen nicht so ungünstig, wie es gelegentlich scheinen könnte. Die Berufszählung vom Jahre 1882 sagt uns für das Deutsche Reich, daß es in der schmalsten Schicht der arbeitstheiligen Abstufung – Beamte und freie Berufsarten – 115272 weib- liche Personen gab, d. h. ein Viertel so viel als männliche. Jn dieser Zahl ist enthalten, was von Lehrerinnen, Erziehe- rinnen, Angestellten der Eisenbahn-, Post-, Telegraphen-, Telephonverwaltung damals bereits in deutschen Landen zu finden war. Allerdings ist es die verhältnißmäßig große Zahl selber, welche uns sagt, daß auch in diesem engeren Gebiete es wiederum vielmehr die Quantität als die Qualität ist, die uns aus dem Bestehenden entgegenspringt. Aber in der Menge weiblicher Berufsthätigkeit auf diesem Gebiete liegt der eigent- liche Unterbau für die Bestrebungen der Frauenbewegung. Die große Zahl der Lehrerinnen und Erzieherinnen legt die Frage nahe, warum das eben bestehende Maß an Vorbildung für diese Berufsarten, warum die auf diese Vorbildung gegründeten Schranken weiblicher Wirksamkeit in dieser Sphäre nicht er- weitert werden können, oder ob sie etwas ein- für allemal Ge- gebenes, ob sie etwas „Natürliches“ sind. Eine Frage, welche unterdessen zu Gunsten der Reform, wie wir wissen, u. A. durch die preußische Unterrichtsverwaltung beantwortet worden ist. Denn je mangelhafter, je unabgeschlossener der ganze bis- herige Zustand weiblicher Schulbildung einschließlich ihrer höch- sten Stufen nach allgemeinem Urtheil erscheint, um so weiteren Raum läßt er offen für Reformen, die das Ganze von Grund

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/133
Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/133>, abgerufen am 24.11.2024.