Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_575.001 p2c_575.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0099" n="575"/><lb n="p2c_575.001"/> ausdrücken, und auf einen geselligen Genuß dieser Gemüthsstimmung <lb n="p2c_575.002"/> berechnet sind, müssen ausschließend den <lb n="p2c_575.003"/> Nahmen Lied führen. Will man die Natur des Liedes aus <lb n="p2c_575.004"/> der im §. gegebenen Definition näher entwickeln, so ergeben <lb n="p2c_575.005"/> sich folgende Resultate: 1) der <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Jnnhalt des <lb n="p2c_575.006"/> Liedes ist eine Empfindung des niedern Schönen, bis zum <lb n="p2c_575.007"/> Scherzhaften hinab. Da aber der Charakter des Liedes <lb n="p2c_575.008"/> <hi rendition="#g">geselliger Genuß, wahre Humanität</hi> ist, so <lb n="p2c_575.009"/> muß im Durchschnitt für alle Menschen eine gewisse Hauptempfindung <lb n="p2c_575.010"/> angenommen werden, die der Menschheit würdig <lb n="p2c_575.011"/> sey, und die gleichsam dem Lied ein Jdeal vorhalte. <lb n="p2c_575.012"/> Die Stimmung zum niedern Schönen darf also nicht ganz <lb n="p2c_575.013"/> ohne ein dunkel sie begleitendes Gefühl des höhern Schönen <lb n="p2c_575.014"/> seyn, wenn der Charakter der Menschheit ganz ausgedrückt <lb n="p2c_575.015"/> werden soll. Diese Vereinigung zweyer Gefühle giebt eine <lb n="p2c_575.016"/> <hi rendition="#g">Modification,</hi> welche wir oben das <hi rendition="#g">Edle</hi> nannten. <lb n="p2c_575.017"/> Daher ist der herrschende Hauptton, der im Liede statt <lb n="p2c_575.018"/> finden muß, die <hi rendition="#g">Empfindung</hi> des <hi rendition="#g">Edlen.</hi> Feyerliche <lb n="p2c_575.019"/> erhabene Stimmung, wie die der Hymne und Ode paßt <lb n="p2c_575.020"/> nicht für jeden, sanftes, scherzhaftes Gefühl ist auch nicht <lb n="p2c_575.021"/> in allen Menschenherzen. Aber das <hi rendition="#g">Edle</hi> soll eigentlich <lb n="p2c_575.022"/> der Hauptzug im Charakter der Menschheit seyn, wenn wir <lb n="p2c_575.023"/> sie aus dem ästhetischen Standpunkte im Durchschnitt ansehn. <lb n="p2c_575.024"/> Hiermit ist keine andre Untergattung des niedern <lb n="p2c_575.025"/> Schönen ausgeschlossen. Nur müssen sie alle durch den <lb n="p2c_575.026"/> Hauptton des Edlen modificirt werden, auch dürfen diese <lb n="p2c_575.027"/> Empfindungen nicht so schnell und leidenschaftlich abwechseln, <lb n="p2c_575.028"/> wie bey der Elegie, oder der Ode, weil dies dem Haupttone </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [575/0099]
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ausdrücken, und auf einen geselligen Genuß dieser Gemüthsstimmung p2c_575.002
berechnet sind, müssen ausschließend den p2c_575.003
Nahmen Lied führen. Will man die Natur des Liedes aus p2c_575.004
der im §. gegebenen Definition näher entwickeln, so ergeben p2c_575.005
sich folgende Resultate: 1) der ästhetische Jnnhalt des p2c_575.006
Liedes ist eine Empfindung des niedern Schönen, bis zum p2c_575.007
Scherzhaften hinab. Da aber der Charakter des Liedes p2c_575.008
geselliger Genuß, wahre Humanität ist, so p2c_575.009
muß im Durchschnitt für alle Menschen eine gewisse Hauptempfindung p2c_575.010
angenommen werden, die der Menschheit würdig p2c_575.011
sey, und die gleichsam dem Lied ein Jdeal vorhalte. p2c_575.012
Die Stimmung zum niedern Schönen darf also nicht ganz p2c_575.013
ohne ein dunkel sie begleitendes Gefühl des höhern Schönen p2c_575.014
seyn, wenn der Charakter der Menschheit ganz ausgedrückt p2c_575.015
werden soll. Diese Vereinigung zweyer Gefühle giebt eine p2c_575.016
Modification, welche wir oben das Edle nannten. p2c_575.017
Daher ist der herrschende Hauptton, der im Liede statt p2c_575.018
finden muß, die Empfindung des Edlen. Feyerliche p2c_575.019
erhabene Stimmung, wie die der Hymne und Ode paßt p2c_575.020
nicht für jeden, sanftes, scherzhaftes Gefühl ist auch nicht p2c_575.021
in allen Menschenherzen. Aber das Edle soll eigentlich p2c_575.022
der Hauptzug im Charakter der Menschheit seyn, wenn wir p2c_575.023
sie aus dem ästhetischen Standpunkte im Durchschnitt ansehn. p2c_575.024
Hiermit ist keine andre Untergattung des niedern p2c_575.025
Schönen ausgeschlossen. Nur müssen sie alle durch den p2c_575.026
Hauptton des Edlen modificirt werden, auch dürfen diese p2c_575.027
Empfindungen nicht so schnell und leidenschaftlich abwechseln, p2c_575.028
wie bey der Elegie, oder der Ode, weil dies dem Haupttone
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