p2c_568.002 3) Da die Elegie den Charakter des niedern Schönen, p2c_568.003 insbesondere des Sanften hat, so kommt ihr p2c_568.004 ein natürlicher Styl zu, ohne solche hervorstechende p2c_568.005 Figuren, wie die Ode. Das Sanfte entwickelt sich p2c_568.006 leicht. Daher müssen keine schweren Uebergänge, und p2c_568.007 lyrische Sprünge statt finden. Jn sofern ist der Elegie p2c_568.008 auch ein etwas gedehnter Ausdruck gestattet.
p2c_568.009 Anmerk. Ovids Ton ist zwar natürlich und leicht, p2c_568.010 aber für die Elegie zu witzig. Er spielt mit Worten und p2c_568.011 Antithesen. Das mag in dem galantern Theile seiner Gedichte p2c_568.012 angehn. Aber er thut es auch, wo er die Sprache p2c_568.013 der Empfindung reden will. Die dritte Elegie im ersten p2c_568.014 Buche der Tristium ist voll Gefühl. Man sieht, daß eine p2c_568.015 wahre Situation diese Klage ausgepreßt hat. Dennoch p2c_568.016 läßt er seine Frau bey ihrer Trennung sagen te iubet e p2c_568.017 patria discedere Caesaris ira, me pietas, pietas haec p2c_568.018 mihi Caesar erit. - Das ist nicht viel besser, als p2c_568.019 Hofmannswaldau, der in seinen Heldenbriefen die p2c_568.020 Emma an den Eginhard schreiben läßt, er habe mehr p2c_568.021 Dinte als Blut für den Kayser vergossen - oder: dies p2c_568.022 Brieflein schließ ich zu, und meine Kammer auf. - - p2c_568.023 Tibull ist in der Sprache der Elegie allein classisch zu p2c_568.024 nennen. Er ist natürlich und doch nie prosaisch, wie p2c_568.025 öfters Ovid. - Properz hat mehr genialische Energie, p2c_568.026 als Tibull. Sein Styl ist aber auch schwerer.
p2c_568.001 §. 4.
p2c_568.002 3) Da die Elegie den Charakter des niedern Schönen, p2c_568.003 insbesondere des Sanften hat, so kommt ihr p2c_568.004 ein natürlicher Styl zu, ohne solche hervorstechende p2c_568.005 Figuren, wie die Ode. Das Sanfte entwickelt sich p2c_568.006 leicht. Daher müssen keine schweren Uebergänge, und p2c_568.007 lyrische Sprünge statt finden. Jn sofern ist der Elegie p2c_568.008 auch ein etwas gedehnter Ausdruck gestattet.
p2c_568.009 Anmerk. Ovids Ton ist zwar natürlich und leicht, p2c_568.010 aber für die Elegie zu witzig. Er spielt mit Worten und p2c_568.011 Antithesen. Das mag in dem galantern Theile seiner Gedichte p2c_568.012 angehn. Aber er thut es auch, wo er die Sprache p2c_568.013 der Empfindung reden will. Die dritte Elegie im ersten p2c_568.014 Buche der Tristium ist voll Gefühl. Man sieht, daß eine p2c_568.015 wahre Situation diese Klage ausgepreßt hat. Dennoch p2c_568.016 läßt er seine Frau bey ihrer Trennung sagen te iubet e p2c_568.017 patria discedere Caesaris ira, me pietas, pietas haec p2c_568.018 mihi Caesar erit. ─ Das ist nicht viel besser, als p2c_568.019 Hofmannswaldau, der in seinen Heldenbriefen die p2c_568.020 Emma an den Eginhard schreiben läßt, er habe mehr p2c_568.021 Dinte als Blut für den Kayser vergossen ─ oder: dies p2c_568.022 Brieflein schließ ich zu, und meine Kammer auf. ─ ─ p2c_568.023 Tibull ist in der Sprache der Elegie allein classisch zu p2c_568.024 nennen. Er ist natürlich und doch nie prosaisch, wie p2c_568.025 öfters Ovid. ─ Properz hat mehr genialische Energie, p2c_568.026 als Tibull. Sein Styl ist aber auch schwerer.
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/92>, abgerufen am 16.02.2025.
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