Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_555.001 p2c_555.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0079" n="555"/><lb n="p2c_555.001"/> fast aus lauter Epitheten. 4) Dithyramben. Haben mehr <lb n="p2c_555.002"/> den Charakter des <hi rendition="#g">Heftigen</hi> als des Feyerlichen. (Der <lb n="p2c_555.003"/> Ausdruck soll daher kommen, daß Bachus zweymal geboren <lb n="p2c_555.004"/> worden, <foreign xml:lang="grc">δις θυρας ἀμειβων</foreign>. Andere meynen, daher, <lb n="p2c_555.005"/> daß, nach dem Archilochus, ein Diener des Bachus so geheißen.) <lb n="p2c_555.006"/> Dem sey wie ihm wolle, so ist der Styl der dithyrambischen <lb n="p2c_555.007"/> Hymnen auf den Bachus im höchsten Grade lyrisch, <lb n="p2c_555.008"/> das Metrum wechselnd und voll kurzer Sylben gewesen. <lb n="p2c_555.009"/> Man erfand und setzte neue lange Worte dazu zusammen. <lb n="p2c_555.010"/> Aeschylus nennt den <foreign xml:lang="grc">διθυραμβον μιξοβοαν</foreign>. ─ <lb n="p2c_555.011"/> Die Dithyramben des Pindar sind verlohren gegangen. <lb n="p2c_555.012"/> Eine Gattung davon hieß Hyporchema. Auch Lobgesänge <lb n="p2c_555.013"/> auf andre Götter, den Silen, die Cybele, den Priap u. <lb n="p2c_555.014"/> s. w. heißen zuweilen Dithyramben, wiewohl auch dafür <lb n="p2c_555.015"/> wieder andere Sylbenmaaße statt fanden (s. oben). Die <lb n="p2c_555.016"/> Dithyramben wurden von der freysten Musik begleitet, welcher <lb n="p2c_555.017"/> <foreign xml:lang="grc">φρυγιος νομος</foreign> hieß. Die dorische Harmonie hingegen <lb n="p2c_555.018"/> (<foreign xml:lang="grc">δωριϛι</foreign>), welche bey den Tibiis statt fand, konnte auf den <lb n="p2c_555.019"/> Dithyramben nicht angewendet werden. Sie war ernst und <lb n="p2c_555.020"/> besänftigte mehr, als daß sie hinriß. ─ Die Neuern verstehen <lb n="p2c_555.021"/> unter den Dithyramben Gedichte, wo der höchste lyrische <lb n="p2c_555.022"/> Rausch in Sprache und Sylbenmaaß ausgedrückt ist. <lb n="p2c_555.023"/> Sie setzen also ungewöhnliches Genie voraus. Die Ode des <lb n="p2c_555.024"/> Horaz: <hi rendition="#aq">Quo me Bache rapis</hi>, mag wohl noch die einzige <lb n="p2c_555.025"/> Dithyrambe von Werth seyn. Die Jtaliener, Franzosen <lb n="p2c_555.026"/> und Deutschen haben die dithyrambische Manier nachgeahmt, <lb n="p2c_555.027"/> am neusten Voß und de Lisle. Klopstocks geistliche <lb n="p2c_555.028"/> Oden nähern sich zuweilen der Dithyrambe. Nur ein solcher </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [555/0079]
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fast aus lauter Epitheten. 4) Dithyramben. Haben mehr p2c_555.002
den Charakter des Heftigen als des Feyerlichen. (Der p2c_555.003
Ausdruck soll daher kommen, daß Bachus zweymal geboren p2c_555.004
worden, δις θυρας ἀμειβων. Andere meynen, daher, p2c_555.005
daß, nach dem Archilochus, ein Diener des Bachus so geheißen.) p2c_555.006
Dem sey wie ihm wolle, so ist der Styl der dithyrambischen p2c_555.007
Hymnen auf den Bachus im höchsten Grade lyrisch, p2c_555.008
das Metrum wechselnd und voll kurzer Sylben gewesen. p2c_555.009
Man erfand und setzte neue lange Worte dazu zusammen. p2c_555.010
Aeschylus nennt den διθυραμβον μιξοβοαν. ─ p2c_555.011
Die Dithyramben des Pindar sind verlohren gegangen. p2c_555.012
Eine Gattung davon hieß Hyporchema. Auch Lobgesänge p2c_555.013
auf andre Götter, den Silen, die Cybele, den Priap u. p2c_555.014
s. w. heißen zuweilen Dithyramben, wiewohl auch dafür p2c_555.015
wieder andere Sylbenmaaße statt fanden (s. oben). Die p2c_555.016
Dithyramben wurden von der freysten Musik begleitet, welcher p2c_555.017
φρυγιος νομος hieß. Die dorische Harmonie hingegen p2c_555.018
(δωριϛι), welche bey den Tibiis statt fand, konnte auf den p2c_555.019
Dithyramben nicht angewendet werden. Sie war ernst und p2c_555.020
besänftigte mehr, als daß sie hinriß. ─ Die Neuern verstehen p2c_555.021
unter den Dithyramben Gedichte, wo der höchste lyrische p2c_555.022
Rausch in Sprache und Sylbenmaaß ausgedrückt ist. p2c_555.023
Sie setzen also ungewöhnliches Genie voraus. Die Ode des p2c_555.024
Horaz: Quo me Bache rapis, mag wohl noch die einzige p2c_555.025
Dithyrambe von Werth seyn. Die Jtaliener, Franzosen p2c_555.026
und Deutschen haben die dithyrambische Manier nachgeahmt, p2c_555.027
am neusten Voß und de Lisle. Klopstocks geistliche p2c_555.028
Oden nähern sich zuweilen der Dithyrambe. Nur ein solcher
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