p2c_536.001 der Ode von dem eigentlichen Hauptinhalte unterscheiden. p2c_536.002 Die Veranlassung der Ode kann bestimmtp2c_536.003 seyn. Die Gedankenreihe selbst ist und bleibt unbestimmt.p2c_536.004 Die Veranlassung erweckt im Dichter die Empfindung p2c_536.005 des Schönen, und diese nährt er durch willkührliche Gedanken. p2c_536.006 Diesen Gedanken nach wechseln im Gedicht Beschreibungen, p2c_536.007 Lehren, Erzählungen ab. Aber dies alles sind p2c_536.008 episodische Nebenideen, zusammengekettet durch eine freyere p2c_536.009 Jdeenassociation. Man hat gefragt, ob eine Ode Handlungp2c_536.010 enthalten könnte. Jm eigentlichen Sinne dieses p2c_536.011 Worts muß die Frage verneint werden. Die Darstellung p2c_536.012 einer Handlung würde die Jdeenreihe nicht durch sich p2c_536.013 selbst, sondern durch äußere Umstände ganz bestimmen. p2c_536.014 Oden sind also fehlerhaft, wo man sich den Gang der Gedanken p2c_536.015 nicht durch die Gemüthsstimmung des Dichters selbst, p2c_536.016 sondern durch vorausgesetzte äußere Veränderungen erklären p2c_536.017 soll. Wenn also z. B. in einer Ode sich der Dichter eine p2c_536.018 geliebte Nymphe denkt, die er verfolgt, und plötzlich ausruft: p2c_536.019 "Ha, dich, flüchtiges Reh, dich hab ich erhascht!" p2c_536.020 so ist dies nicht zu billigen, weil man sich dabey äußerep2c_536.021 Umstände denken muß, die die Jdeenreihe nicht bloß veranlassen, p2c_536.022 sondern immerfort nen bestimmen. Es giebt zwar p2c_536.023 ganz erzählende Oden, der Einkleidung nach, z. B. die p2c_536.024 Weissagung des Nereus, Horaz I. 15. Allein wenn gleich p2c_536.025 die Vorbereitung historisch ist, welche uns einen Schauplatz p2c_536.026 gleichsam für die Ode bestimmt, so ist doch die Weissagung p2c_536.027 des Nereus selbst lyrisch, eine ganz freye, objektivp2c_536.028 unbestimmte Gedankenreihe. Es giebt auch dramati=
p2c_536.001 der Ode von dem eigentlichen Hauptinhalte unterscheiden. p2c_536.002 Die Veranlassung der Ode kann bestimmtp2c_536.003 seyn. Die Gedankenreihe selbst ist und bleibt unbestimmt.p2c_536.004 Die Veranlassung erweckt im Dichter die Empfindung p2c_536.005 des Schönen, und diese nährt er durch willkührliche Gedanken. p2c_536.006 Diesen Gedanken nach wechseln im Gedicht Beschreibungen, p2c_536.007 Lehren, Erzählungen ab. Aber dies alles sind p2c_536.008 episodische Nebenideen, zusammengekettet durch eine freyere p2c_536.009 Jdeenassociation. Man hat gefragt, ob eine Ode Handlungp2c_536.010 enthalten könnte. Jm eigentlichen Sinne dieses p2c_536.011 Worts muß die Frage verneint werden. Die Darstellung p2c_536.012 einer Handlung würde die Jdeenreihe nicht durch sich p2c_536.013 selbst, sondern durch äußere Umstände ganz bestimmen. p2c_536.014 Oden sind also fehlerhaft, wo man sich den Gang der Gedanken p2c_536.015 nicht durch die Gemüthsstimmung des Dichters selbst, p2c_536.016 sondern durch vorausgesetzte äußere Veränderungen erklären p2c_536.017 soll. Wenn also z. B. in einer Ode sich der Dichter eine p2c_536.018 geliebte Nymphe denkt, die er verfolgt, und plötzlich ausruft: p2c_536.019 „Ha, dich, flüchtiges Reh, dich hab ich erhascht!“ p2c_536.020 so ist dies nicht zu billigen, weil man sich dabey äußerep2c_536.021 Umstände denken muß, die die Jdeenreihe nicht bloß veranlassen, p2c_536.022 sondern immerfort nen bestimmen. Es giebt zwar p2c_536.023 ganz erzählende Oden, der Einkleidung nach, z. B. die p2c_536.024 Weissagung des Nereus, Horaz I. 15. Allein wenn gleich p2c_536.025 die Vorbereitung historisch ist, welche uns einen Schauplatz p2c_536.026 gleichsam für die Ode bestimmt, so ist doch die Weissagung p2c_536.027 des Nereus selbst lyrisch, eine ganz freye, objektivp2c_536.028 unbestimmte Gedankenreihe. Es giebt auch dramati=
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0060"n="536"/><lbn="p2c_536.001"/>
der Ode von dem eigentlichen <hirendition="#g">Hauptinhalte</hi> unterscheiden. <lbn="p2c_536.002"/>
Die <hirendition="#g">Veranlassung</hi> der Ode kann <hirendition="#g">bestimmt</hi><lbn="p2c_536.003"/>
seyn. Die Gedankenreihe selbst ist und bleibt <hirendition="#g">unbestimmt.</hi><lbn="p2c_536.004"/>
Die <hirendition="#g">Veranlassung</hi> erweckt im Dichter die Empfindung <lbn="p2c_536.005"/>
des Schönen, und diese nährt er durch willkührliche Gedanken. <lbn="p2c_536.006"/>
Diesen Gedanken nach wechseln im Gedicht Beschreibungen, <lbn="p2c_536.007"/>
Lehren, Erzählungen ab. Aber dies alles sind <lbn="p2c_536.008"/>
episodische Nebenideen, zusammengekettet durch eine freyere <lbn="p2c_536.009"/>
Jdeenassociation. Man hat gefragt, ob eine <hirendition="#g">Ode Handlung</hi><lbn="p2c_536.010"/>
enthalten könnte. Jm eigentlichen Sinne dieses <lbn="p2c_536.011"/>
Worts muß die Frage verneint werden. Die Darstellung <lbn="p2c_536.012"/>
einer <hirendition="#g">Handlung</hi> würde die Jdeenreihe nicht durch sich <lbn="p2c_536.013"/>
selbst, sondern durch äußere Umstände ganz bestimmen. <lbn="p2c_536.014"/><hirendition="#g">Oden</hi> sind also fehlerhaft, wo man sich den Gang der Gedanken <lbn="p2c_536.015"/>
nicht durch die Gemüthsstimmung des Dichters selbst, <lbn="p2c_536.016"/>
sondern durch vorausgesetzte äußere Veränderungen erklären <lbn="p2c_536.017"/>
soll. Wenn also z. B. in einer Ode sich der Dichter eine <lbn="p2c_536.018"/>
geliebte Nymphe denkt, die er verfolgt, und plötzlich ausruft: <lbn="p2c_536.019"/>„Ha, dich, flüchtiges Reh, dich hab ich erhascht!“<lbn="p2c_536.020"/>
so ist dies nicht zu billigen, weil man sich dabey <hirendition="#g">äußere</hi><lbn="p2c_536.021"/>
Umstände denken muß, die die Jdeenreihe nicht bloß veranlassen, <lbn="p2c_536.022"/>
sondern immerfort nen bestimmen. Es giebt zwar <lbn="p2c_536.023"/>
ganz erzählende Oden, der Einkleidung nach, z. B. die <lbn="p2c_536.024"/>
Weissagung des Nereus, Horaz <hirendition="#aq">I</hi>. 15. Allein wenn gleich <lbn="p2c_536.025"/>
die Vorbereitung historisch ist, welche uns einen Schauplatz <lbn="p2c_536.026"/>
gleichsam für die Ode bestimmt, so ist doch die Weissagung <lbn="p2c_536.027"/>
des Nereus selbst <hirendition="#g">lyrisch,</hi> eine ganz <hirendition="#g">freye, objektiv</hi><lbn="p2c_536.028"/>
unbestimmte Gedankenreihe. Es giebt auch <hirendition="#g">dramati=
</hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[536/0060]
p2c_536.001
der Ode von dem eigentlichen Hauptinhalte unterscheiden. p2c_536.002
Die Veranlassung der Ode kann bestimmt p2c_536.003
seyn. Die Gedankenreihe selbst ist und bleibt unbestimmt. p2c_536.004
Die Veranlassung erweckt im Dichter die Empfindung p2c_536.005
des Schönen, und diese nährt er durch willkührliche Gedanken. p2c_536.006
Diesen Gedanken nach wechseln im Gedicht Beschreibungen, p2c_536.007
Lehren, Erzählungen ab. Aber dies alles sind p2c_536.008
episodische Nebenideen, zusammengekettet durch eine freyere p2c_536.009
Jdeenassociation. Man hat gefragt, ob eine Ode Handlung p2c_536.010
enthalten könnte. Jm eigentlichen Sinne dieses p2c_536.011
Worts muß die Frage verneint werden. Die Darstellung p2c_536.012
einer Handlung würde die Jdeenreihe nicht durch sich p2c_536.013
selbst, sondern durch äußere Umstände ganz bestimmen. p2c_536.014
Oden sind also fehlerhaft, wo man sich den Gang der Gedanken p2c_536.015
nicht durch die Gemüthsstimmung des Dichters selbst, p2c_536.016
sondern durch vorausgesetzte äußere Veränderungen erklären p2c_536.017
soll. Wenn also z. B. in einer Ode sich der Dichter eine p2c_536.018
geliebte Nymphe denkt, die er verfolgt, und plötzlich ausruft: p2c_536.019
„Ha, dich, flüchtiges Reh, dich hab ich erhascht!“ p2c_536.020
so ist dies nicht zu billigen, weil man sich dabey äußere p2c_536.021
Umstände denken muß, die die Jdeenreihe nicht bloß veranlassen, p2c_536.022
sondern immerfort nen bestimmen. Es giebt zwar p2c_536.023
ganz erzählende Oden, der Einkleidung nach, z. B. die p2c_536.024
Weissagung des Nereus, Horaz I. 15. Allein wenn gleich p2c_536.025
die Vorbereitung historisch ist, welche uns einen Schauplatz p2c_536.026
gleichsam für die Ode bestimmt, so ist doch die Weissagung p2c_536.027
des Nereus selbst lyrisch, eine ganz freye, objektiv p2c_536.028
unbestimmte Gedankenreihe. Es giebt auch dramati=
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 536. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/60>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.