p2c_535.001 darf es nicht überwiegend seyn. Am allerwenigsten p2c_535.002 darf es unter einer Modification erscheinen, welche p2c_535.003 das höhere Schöne stöhrte.
p2c_535.004 Anmerk. Da die Stimmung zum höhern Schönen p2c_535.005 eine ungewöhnliche Gemüthsbewegung ist, welche im Menschen p2c_535.006 mehr durch Leidenschaften, als durch kaltes Denken p2c_535.007 gewirkt wird, so ist begreiflich, warum einige den wesentlichenp2c_535.008 Jnhalt der Ode in Schilderung der Leidenschaftp2c_535.009 gesetzt haben. Allein die Schilderung der Leidenschaft, die p2c_535.010 dunkle heftige Empfindung macht eigentlich nicht das Gedicht, p2c_535.011 sondern der Sieg, welchen die Vorstellkraft der Phantasie p2c_535.012 ihr abgewinnt, wenn sie das Begehren des Gemüths p2c_535.013 im hellen Lichte der Schönheit zeigt. Durch die Leidenschaften p2c_535.014 kommt allerdings viel geistiges Leben in die Ode. Die p2c_535.015 eigentliche Ode muß aber doch mehr für die Fantasie, als p2c_535.016 für das Herz seyn. Darum heißt sie auch oft eidullion, p2c_535.017 ein kleines Gemälde. Das Herz findet mehr Nahrung in p2c_535.018 der Elegie, welche bey der Leidenschaft länger verweilt. p2c_535.019 Auch ist der Odendichter oft nur in einer bewunderndenp2c_535.020 Stimmung, nicht in einer begehrenden. - Horaz p2c_535.021 scheint in seiner Arte poetica der Ode eine bestimmte Gattung p2c_535.022 von Gegenständen anweisen zu wollen. Musa dedit p2c_535.023 fidibus Divos, puerosque Deorum et pugilem victorem, p2c_535.024 et equum certamine primum et iuvenum p2c_535.025 curas et libera vina referre. Er scheint hier vorzüglich p2c_535.026 den Pindar und die andern griechischen Lyriker in Gedanken p2c_535.027 gehabt zu haben. Allein man muß die Veranlassung
p2c_535.001 darf es nicht überwiegend seyn. Am allerwenigsten p2c_535.002 darf es unter einer Modification erscheinen, welche p2c_535.003 das höhere Schöne stöhrte.
p2c_535.004 Anmerk. Da die Stimmung zum höhern Schönen p2c_535.005 eine ungewöhnliche Gemüthsbewegung ist, welche im Menschen p2c_535.006 mehr durch Leidenschaften, als durch kaltes Denken p2c_535.007 gewirkt wird, so ist begreiflich, warum einige den wesentlichenp2c_535.008 Jnhalt der Ode in Schilderung der Leidenschaftp2c_535.009 gesetzt haben. Allein die Schilderung der Leidenschaft, die p2c_535.010 dunkle heftige Empfindung macht eigentlich nicht das Gedicht, p2c_535.011 sondern der Sieg, welchen die Vorstellkraft der Phantasie p2c_535.012 ihr abgewinnt, wenn sie das Begehren des Gemüths p2c_535.013 im hellen Lichte der Schönheit zeigt. Durch die Leidenschaften p2c_535.014 kommt allerdings viel geistiges Leben in die Ode. Die p2c_535.015 eigentliche Ode muß aber doch mehr für die Fantasie, als p2c_535.016 für das Herz seyn. Darum heißt sie auch oft εἰδυλλιον, p2c_535.017 ein kleines Gemälde. Das Herz findet mehr Nahrung in p2c_535.018 der Elegie, welche bey der Leidenschaft länger verweilt. p2c_535.019 Auch ist der Odendichter oft nur in einer bewunderndenp2c_535.020 Stimmung, nicht in einer begehrenden. ─ Horaz p2c_535.021 scheint in seiner Arte poetica der Ode eine bestimmte Gattung p2c_535.022 von Gegenständen anweisen zu wollen. Musa dedit p2c_535.023 fidibus Divos, puerosque Deorum et pugilem victorem, p2c_535.024 et equum certamine primum et iuvenum p2c_535.025 curas et libera vina referre. Er scheint hier vorzüglich p2c_535.026 den Pindar und die andern griechischen Lyriker in Gedanken p2c_535.027 gehabt zu haben. Allein man muß die Veranlassung
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/59>, abgerufen am 16.07.2024.
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