Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p2c_534.001
sondere Form
einen andern Namen erhalten, wollen p2c_534.002
wir im Allgemeinen Oden nennen.

p2c_534.003
Anmerk. Diese griechische Benennung ist ursprünglich p2c_534.004
musikalisch, wie die ganze lyrische Poesie von p2c_534.005
der Lyra herstammt, welche Merkur erfand. - Odos p2c_534.006
heißt nach einigen Grammatikern der große Becher, der bey p2c_534.007
den griechischen Gastmählern mit Gesang herumgegeben p2c_534.008
wurde. Sonach wäre Ode und Skolion oder Tafellied ziemlich p2c_534.009
synonym. Man ist indeß bey allen Nazionen übereingekommen, p2c_534.010
alle lyrische Gedichte höherer Art, sobald sie p2c_534.011
durch keine besondere zufällige Form einen andern Namen p2c_534.012
bekommen, Oden zu nennen.

p2c_534.013
§. 2.

p2c_534.014
I) Theorie der Ode. 1) Da die Materie der p2c_534.015
Ode eine lyrische durch kein Objekt fixirte Gedankenreihe p2c_534.016
ist, welche die Stimmung des höhern Schönen p2c_534.017
nährt, so ist alle Einheit, welche diese Dichtungsart p2c_534.018
verlangt, nur darinnen zu suchen, daß die p2c_534.019
Empfindung des höhern Schönen in ihr herrschend p2c_534.020
bleibe. Das höhere Schöne hat mehrere Unterarten. p2c_534.021
Das Große, das Starke, das Heftige, das Erhabene. p2c_534.022
Diese können in einer Ode mit allen ihren Modificationen p2c_534.023
unter einander abwechseln. Selbst das p2c_534.024
niedere Schöne kann darein verwebt werden. Nur

p2c_534.001
sondere Form
einen andern Namen erhalten, wollen p2c_534.002
wir im Allgemeinen Oden nennen.

p2c_534.003
Anmerk. Diese griechische Benennung ist ursprünglich p2c_534.004
musikalisch, wie die ganze lyrische Poesie von p2c_534.005
der Lyra herstammt, welche Merkur erfand. ─ Ὠδος p2c_534.006
heißt nach einigen Grammatikern der große Becher, der bey p2c_534.007
den griechischen Gastmählern mit Gesang herumgegeben p2c_534.008
wurde. Sonach wäre Ode und Skolion oder Tafellied ziemlich p2c_534.009
synonym. Man ist indeß bey allen Nazionen übereingekommen, p2c_534.010
alle lyrische Gedichte höherer Art, sobald sie p2c_534.011
durch keine besondere zufällige Form einen andern Namen p2c_534.012
bekommen, Oden zu nennen.

p2c_534.013
§. 2.

p2c_534.014
I) Theorie der Ode. 1) Da die Materie der p2c_534.015
Ode eine lyrische durch kein Objekt fixirte Gedankenreihe p2c_534.016
ist, welche die Stimmung des höhern Schönen p2c_534.017
nährt, so ist alle Einheit, welche diese Dichtungsart p2c_534.018
verlangt, nur darinnen zu suchen, daß die p2c_534.019
Empfindung des höhern Schönen in ihr herrschend p2c_534.020
bleibe. Das höhere Schöne hat mehrere Unterarten. p2c_534.021
Das Große, das Starke, das Heftige, das Erhabene. p2c_534.022
Diese können in einer Ode mit allen ihren Modificationen p2c_534.023
unter einander abwechseln. Selbst das p2c_534.024
niedere Schöne kann darein verwebt werden. Nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0058" n="534"/><lb n="p2c_534.001"/>
sondere Form</hi> einen andern Namen erhalten, wollen <lb n="p2c_534.002"/>
wir im Allgemeinen <hi rendition="#g">Oden</hi> nennen.</p>
            <p><lb n="p2c_534.003"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Diese griechische Benennung ist ursprünglich <lb n="p2c_534.004"/> <hi rendition="#g">musikalisch,</hi> wie die ganze <hi rendition="#g">lyrische</hi> Poesie von <lb n="p2c_534.005"/>
der Lyra herstammt, welche Merkur erfand. &#x2500; <foreign xml:lang="grc">&#x1F68;&#x03B4;&#x03BF;&#x03C2;</foreign> <lb n="p2c_534.006"/>
heißt nach einigen Grammatikern der große Becher, der bey <lb n="p2c_534.007"/>
den griechischen Gastmählern mit Gesang herumgegeben <lb n="p2c_534.008"/>
wurde. Sonach wäre Ode und Skolion oder Tafellied ziemlich <lb n="p2c_534.009"/>
synonym. Man ist indeß bey allen Nazionen übereingekommen, <lb n="p2c_534.010"/>
alle lyrische Gedichte höherer Art, sobald sie <lb n="p2c_534.011"/>
durch keine besondere zufällige Form einen andern Namen <lb n="p2c_534.012"/>
bekommen, <hi rendition="#g">Oden</hi> zu nennen.</p>
            <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_534.013"/>
§. 2.</hi> </p>
            <p><lb n="p2c_534.014"/><hi rendition="#aq">I</hi>) Theorie der <hi rendition="#g">Ode.</hi> 1) Da die Materie der <lb n="p2c_534.015"/>
Ode eine <hi rendition="#g">lyrische</hi> durch kein Objekt fixirte Gedankenreihe <lb n="p2c_534.016"/>
ist, welche die Stimmung des <hi rendition="#g">höhern Schönen</hi> <lb n="p2c_534.017"/>
nährt, so ist alle <hi rendition="#g">Einheit,</hi> welche diese Dichtungsart <lb n="p2c_534.018"/>
verlangt, nur darinnen zu suchen, daß die <lb n="p2c_534.019"/>
Empfindung des <hi rendition="#g">höhern</hi> Schönen in ihr herrschend <lb n="p2c_534.020"/>
bleibe. Das höhere Schöne hat mehrere Unterarten. <lb n="p2c_534.021"/>
Das Große, das Starke, das Heftige, das Erhabene. <lb n="p2c_534.022"/>
Diese können in einer Ode mit allen ihren Modificationen <lb n="p2c_534.023"/>
unter einander abwechseln. Selbst das <lb n="p2c_534.024"/>
niedere Schöne kann darein verwebt werden. Nur
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[534/0058] p2c_534.001 sondere Form einen andern Namen erhalten, wollen p2c_534.002 wir im Allgemeinen Oden nennen. p2c_534.003 Anmerk. Diese griechische Benennung ist ursprünglich p2c_534.004 musikalisch, wie die ganze lyrische Poesie von p2c_534.005 der Lyra herstammt, welche Merkur erfand. ─ Ὠδος p2c_534.006 heißt nach einigen Grammatikern der große Becher, der bey p2c_534.007 den griechischen Gastmählern mit Gesang herumgegeben p2c_534.008 wurde. Sonach wäre Ode und Skolion oder Tafellied ziemlich p2c_534.009 synonym. Man ist indeß bey allen Nazionen übereingekommen, p2c_534.010 alle lyrische Gedichte höherer Art, sobald sie p2c_534.011 durch keine besondere zufällige Form einen andern Namen p2c_534.012 bekommen, Oden zu nennen. p2c_534.013 §. 2. p2c_534.014 I) Theorie der Ode. 1) Da die Materie der p2c_534.015 Ode eine lyrische durch kein Objekt fixirte Gedankenreihe p2c_534.016 ist, welche die Stimmung des höhern Schönen p2c_534.017 nährt, so ist alle Einheit, welche diese Dichtungsart p2c_534.018 verlangt, nur darinnen zu suchen, daß die p2c_534.019 Empfindung des höhern Schönen in ihr herrschend p2c_534.020 bleibe. Das höhere Schöne hat mehrere Unterarten. p2c_534.021 Das Große, das Starke, das Heftige, das Erhabene. p2c_534.022 Diese können in einer Ode mit allen ihren Modificationen p2c_534.023 unter einander abwechseln. Selbst das p2c_534.024 niedere Schöne kann darein verwebt werden. Nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/58
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/58>, abgerufen am 22.11.2024.