p2c_740.001 edelsten Seelen gefaßt werden. Die griechische Mythologie p2c_740.002 idealisirt nur das äußere individuelle Daseyn. Das Christenthum p2c_740.003 eröffnet denen, welche reines Herzens sind, eine p2c_740.004 Einsicht in die Geheimnisse des Weltalls. Die griechische p2c_740.005 Mythologie verweilt auf der Oberfläche der schönen Natur. p2c_740.006 Daß beyde Ansichten von der menschlichen Phantasie gesucht p2c_740.007 werden, erhellt aus dem wunderbaren Phänomen von so p2c_740.008 vielen vortrefflichen Gedichten, wo christliche Jdeen, und p2c_740.009 griechische Mythologie zusammen zu finden sind. Doch p2c_740.010 läuft dies immer wider die kosmische Wahrscheinlichkeit, p2c_740.011 zumal in der historischen Poesie. - Es wäre die höchste p2c_740.012 Aufgabe für einen Dichter, deren Auflösung durch unser p2c_740.013 Zeitalter nothwendig geworden ist, das griechische Schönheitsgefühl p2c_740.014 mit den christlichen Jdeen so zu vereinigen, daß p2c_740.015 der Geschmack dabey nicht beleidigt würde. Da die griechischen p2c_740.016 Mythen sich auf die sichtbare Natur beziehn, so könnten p2c_740.017 sie besonders aus dem Standpunkte der neuplatonischen p2c_740.018 Philosophie als Allegorie angesehn, und dabey die christlichen p2c_740.019 Jdeen in ein geheimnißvolles Dunkel als der letzte Sinn p2c_740.020 des Räthsels gestellt werden. Hätte derjenige französische p2c_740.021 Schriftsteller, welcher la guerre des Dieux anciens et p2c_740.022 modernes geschrieben hat, (Evariste Parny) statt ein p2c_740.023 komisches Heldengedicht zu schreiben, das nur halbwitzige p2c_740.024 Blasphemieen enthält, seinen Gegenstand von der ernsthaften p2c_740.025 Seite angesehn, so würde er vielleicht ein neues unbekanntes p2c_740.026 Land für den poetischen Genius entdeckt haben. p2c_740.027 Doch diese Ansicht mußte ihm bey seiner unheiligen Stimmung p2c_740.028 verborgen bleiben. Auch hier, wie z. B. bey der
p2c_740.001 edelsten Seelen gefaßt werden. Die griechische Mythologie p2c_740.002 idealisirt nur das äußere individuelle Daseyn. Das Christenthum p2c_740.003 eröffnet denen, welche reines Herzens sind, eine p2c_740.004 Einsicht in die Geheimnisse des Weltalls. Die griechische p2c_740.005 Mythologie verweilt auf der Oberfläche der schönen Natur. p2c_740.006 Daß beyde Ansichten von der menschlichen Phantasie gesucht p2c_740.007 werden, erhellt aus dem wunderbaren Phänomen von so p2c_740.008 vielen vortrefflichen Gedichten, wo christliche Jdeen, und p2c_740.009 griechische Mythologie zusammen zu finden sind. Doch p2c_740.010 läuft dies immer wider die kosmische Wahrscheinlichkeit, p2c_740.011 zumal in der historischen Poesie. ─ Es wäre die höchste p2c_740.012 Aufgabe für einen Dichter, deren Auflösung durch unser p2c_740.013 Zeitalter nothwendig geworden ist, das griechische Schönheitsgefühl p2c_740.014 mit den christlichen Jdeen so zu vereinigen, daß p2c_740.015 der Geschmack dabey nicht beleidigt würde. Da die griechischen p2c_740.016 Mythen sich auf die sichtbare Natur beziehn, so könnten p2c_740.017 sie besonders aus dem Standpunkte der neuplatonischen p2c_740.018 Philosophie als Allegorie angesehn, und dabey die christlichen p2c_740.019 Jdeen in ein geheimnißvolles Dunkel als der letzte Sinn p2c_740.020 des Räthsels gestellt werden. Hätte derjenige französische p2c_740.021 Schriftsteller, welcher la guerre des Dieux anciens et p2c_740.022 modernes geschrieben hat, (Evariste Parny) statt ein p2c_740.023 komisches Heldengedicht zu schreiben, das nur halbwitzige p2c_740.024 Blasphemieen enthält, seinen Gegenstand von der ernsthaften p2c_740.025 Seite angesehn, so würde er vielleicht ein neues unbekanntes p2c_740.026 Land für den poetischen Genius entdeckt haben. p2c_740.027 Doch diese Ansicht mußte ihm bey seiner unheiligen Stimmung p2c_740.028 verborgen bleiben. Auch hier, wie z. B. bey der
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 740. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/264>, abgerufen am 16.02.2025.
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