Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_712.001 p2c_712.006 p2c_712.007 p2c_712.014 p2c_712.001 p2c_712.006 p2c_712.007 p2c_712.014 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0236" n="712"/><lb n="p2c_712.001"/> Etwas anders ist bey dem <hi rendition="#g">Lehrgedichte</hi> der niedern Gattung, <lb n="p2c_712.002"/> bey den szientifischen, artistischen Gedicht. Hier <lb n="p2c_712.003"/> sind die Digressionen selbst als Schmuck des Ganzen wegen <lb n="p2c_712.004"/> der mindern Wichtigkeit des Stoffs an ihrer Stelle, und <lb n="p2c_712.005"/> Home geht zu weit, wenn er den Virgil deswegen tadelt.</p> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_712.006"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_712.007"/> Der <hi rendition="#g">ästhetische</hi> Hauptinhalt des <hi rendition="#g">höhern <lb n="p2c_712.008"/> Lehrgedichts</hi> ist die Empfindung des <hi rendition="#g">Großen,</hi> <lb n="p2c_712.009"/> welche nach der vom Dichter genommenen Ansicht entweder <lb n="p2c_712.010"/> mehr ins <hi rendition="#g">Glänzende,</hi> oder ins <hi rendition="#g">Schaurige</hi> <lb n="p2c_712.011"/> fallen oder ans Starke gränzen kann. Alle übrige <lb n="p2c_712.012"/> Empfindungen des höhern und niedern Schönen müssen <lb n="p2c_712.013"/> sich nach jener herrschenden Tonart modifiziren.</p> <p><lb n="p2c_712.014"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> Die Abstractionen des Verstandes setzen <lb n="p2c_712.015"/> eine gewisse <hi rendition="#g">Ruhe</hi> voraus, welche besonders mit der <lb n="p2c_712.016"/> <hi rendition="#g">ästhetischen</hi> Empfindung des <hi rendition="#g">Großen</hi> und <hi rendition="#g">Starken</hi> <lb n="p2c_712.017"/> verbunden ist. Bey Lukrez ist die Hauptempfindung eine <lb n="p2c_712.018"/> gewisse <hi rendition="#g">lichte</hi> glänzende Größe. Jn Young herrscht eine <lb n="p2c_712.019"/> melancholische schauerliche Dunkelheit. Pope hat viel Glanz, <lb n="p2c_712.020"/> aber weniger Stärke und Hoheit der Empfindung als Lukrez. <lb n="p2c_712.021"/> Sogar ein Grad des <hi rendition="#g">Lächerlichen</hi> und <hi rendition="#g">Scherzhaften,</hi> <lb n="p2c_712.022"/> insofern es mit der großen Empfindung eines Weisen <lb n="p2c_712.023"/> verträglich ist, wird von den <hi rendition="#g">höhern</hi> Lehrdichtern in das <lb n="p2c_712.024"/> System ihrer Empfindungen aufgenommen. Pope sagt <lb n="p2c_712.025"/> gleich anfangs zu seinem Freund, laß uns, wo sichs gebühret </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [712/0236]
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Etwas anders ist bey dem Lehrgedichte der niedern Gattung, p2c_712.002
bey den szientifischen, artistischen Gedicht. Hier p2c_712.003
sind die Digressionen selbst als Schmuck des Ganzen wegen p2c_712.004
der mindern Wichtigkeit des Stoffs an ihrer Stelle, und p2c_712.005
Home geht zu weit, wenn er den Virgil deswegen tadelt.
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§. 3.
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Der ästhetische Hauptinhalt des höhern p2c_712.008
Lehrgedichts ist die Empfindung des Großen, p2c_712.009
welche nach der vom Dichter genommenen Ansicht entweder p2c_712.010
mehr ins Glänzende, oder ins Schaurige p2c_712.011
fallen oder ans Starke gränzen kann. Alle übrige p2c_712.012
Empfindungen des höhern und niedern Schönen müssen p2c_712.013
sich nach jener herrschenden Tonart modifiziren.
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Anmerk. Die Abstractionen des Verstandes setzen p2c_712.015
eine gewisse Ruhe voraus, welche besonders mit der p2c_712.016
ästhetischen Empfindung des Großen und Starken p2c_712.017
verbunden ist. Bey Lukrez ist die Hauptempfindung eine p2c_712.018
gewisse lichte glänzende Größe. Jn Young herrscht eine p2c_712.019
melancholische schauerliche Dunkelheit. Pope hat viel Glanz, p2c_712.020
aber weniger Stärke und Hoheit der Empfindung als Lukrez. p2c_712.021
Sogar ein Grad des Lächerlichen und Scherzhaften, p2c_712.022
insofern es mit der großen Empfindung eines Weisen p2c_712.023
verträglich ist, wird von den höhern Lehrdichtern in das p2c_712.024
System ihrer Empfindungen aufgenommen. Pope sagt p2c_712.025
gleich anfangs zu seinem Freund, laß uns, wo sichs gebühret
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