Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_693.001 p2c_693.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0217" n="693"/><lb n="p2c_693.001"/> , Schäferschauspiele. ─ Man muß auch hier bey <lb n="p2c_693.002"/> der Benennung und Classification des Gedichts auf den <lb n="p2c_693.003"/> Hauptzweck des Dichters sehn. Jst der Hauptzweck des <lb n="p2c_693.004"/> Gedichts <hi rendition="#g">Beschreibung, Schilderung</hi> der <hi rendition="#g">Sitten,</hi> <lb n="p2c_693.005"/> so mag die Form immer Erzählung seyn, es bleibt doch eine <lb n="p2c_693.006"/> <hi rendition="#g">Jdylle</hi> im <hi rendition="#g">Engern Sinne.</hi> Jst aber der Hauptzweck <lb n="p2c_693.007"/> des Gedichts, das Hauptinteresse auf die <hi rendition="#g">Handlung</hi> gerichtet, <lb n="p2c_693.008"/> so sage man lieber, es ist ein <hi rendition="#g">idyllisches</hi> erzählendes <lb n="p2c_693.009"/> Gedicht. So hat z. B. Vossens Louise mehr den <lb n="p2c_693.010"/> Zweck, naive Sitten darzustellen und zu beschreiben, als <lb n="p2c_693.011"/> durch die Handlung zu interessiren. Mithin ist das Gedicht <lb n="p2c_693.012"/> <hi rendition="#g">Jdylle</hi> im Engern Sinne. Hermann und Dorothea ist <lb n="p2c_693.013"/> schon mehr <hi rendition="#g">Erzählung</hi> idyllischer Art, denn hier hat <lb n="p2c_693.014"/> die Handlung mehr Jnteresse. ─ Einige Formen scheinen <lb n="p2c_693.015"/> für die <hi rendition="#g">Jdylle</hi> nicht sehr zu passen. <hi rendition="#g">Schäferroman,</hi> <lb n="p2c_693.016"/> z. B. die ländlichen <hi rendition="#g">Jdeen</hi> werden darinn über die Gebühr <lb n="p2c_693.017"/> ausgedehnt. Es ist in den Charakteren, in den Verhältnissen <lb n="p2c_693.018"/> zu viel Einfachheit, als daß ein solcher Roman nicht <lb n="p2c_693.019"/> langweilig werden sollte. ─ Eben so ist <hi rendition="#g">Schäferepopöe</hi> <lb n="p2c_693.020"/> eine etwas unbehülfliche Form, so schön auch zum <lb n="p2c_693.021"/> Theil Geßners Tod Abels ist. Die <hi rendition="#g">Jdylle</hi> im Engern <lb n="p2c_693.022"/> Sinn wirkt am besten als ein Miniaturgemälde, als eine <lb n="p2c_693.023"/> flüchtige Ansicht, als eine einzelne Szene. Auch hierüber <lb n="p2c_693.024"/> giebt uns schon der Nahme den besten Aufschluß. ─ <lb n="p2c_693.025"/> Gleichwohl haben alle neuere Nazionen die <hi rendition="#g">Jdylle</hi> in dergleichen <lb n="p2c_693.026"/> unbehülflichen Formen. Es giebt auch französische <lb n="p2c_693.027"/> <hi rendition="#g">Schäferepopöen.</hi> Doch da <hi rendition="#g">Epopöe</hi> eigentlich eine <lb n="p2c_693.028"/> <hi rendition="#g">Erzählung</hi> erhabner Art bedeutet, so sollte man die </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [693/0217]
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, Schäferschauspiele. ─ Man muß auch hier bey p2c_693.002
der Benennung und Classification des Gedichts auf den p2c_693.003
Hauptzweck des Dichters sehn. Jst der Hauptzweck des p2c_693.004
Gedichts Beschreibung, Schilderung der Sitten, p2c_693.005
so mag die Form immer Erzählung seyn, es bleibt doch eine p2c_693.006
Jdylle im Engern Sinne. Jst aber der Hauptzweck p2c_693.007
des Gedichts, das Hauptinteresse auf die Handlung gerichtet, p2c_693.008
so sage man lieber, es ist ein idyllisches erzählendes p2c_693.009
Gedicht. So hat z. B. Vossens Louise mehr den p2c_693.010
Zweck, naive Sitten darzustellen und zu beschreiben, als p2c_693.011
durch die Handlung zu interessiren. Mithin ist das Gedicht p2c_693.012
Jdylle im Engern Sinne. Hermann und Dorothea ist p2c_693.013
schon mehr Erzählung idyllischer Art, denn hier hat p2c_693.014
die Handlung mehr Jnteresse. ─ Einige Formen scheinen p2c_693.015
für die Jdylle nicht sehr zu passen. Schäferroman, p2c_693.016
z. B. die ländlichen Jdeen werden darinn über die Gebühr p2c_693.017
ausgedehnt. Es ist in den Charakteren, in den Verhältnissen p2c_693.018
zu viel Einfachheit, als daß ein solcher Roman nicht p2c_693.019
langweilig werden sollte. ─ Eben so ist Schäferepopöe p2c_693.020
eine etwas unbehülfliche Form, so schön auch zum p2c_693.021
Theil Geßners Tod Abels ist. Die Jdylle im Engern p2c_693.022
Sinn wirkt am besten als ein Miniaturgemälde, als eine p2c_693.023
flüchtige Ansicht, als eine einzelne Szene. Auch hierüber p2c_693.024
giebt uns schon der Nahme den besten Aufschluß. ─ p2c_693.025
Gleichwohl haben alle neuere Nazionen die Jdylle in dergleichen p2c_693.026
unbehülflichen Formen. Es giebt auch französische p2c_693.027
Schäferepopöen. Doch da Epopöe eigentlich eine p2c_693.028
Erzählung erhabner Art bedeutet, so sollte man die
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