Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_690.001 p2c_690.026 p2c_690.001 p2c_690.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0214" n="690"/><lb n="p2c_690.001"/> als die Schilderung der lebendigen Natur selbst. Sie nähern <lb n="p2c_690.002"/> sich schon der dritten Gattung des moralischen beschreibenden <lb n="p2c_690.003"/> Gedichts, nämlich, der, wo eine gewisse Cultur <lb n="p2c_690.004"/> der Seele mit dem Naturstande vereinigt gedacht wird. ─ <lb n="p2c_690.005"/> Theokrit hat also mehr <hi rendition="#g">Reiz</hi> und Leben, <hi rendition="#g">Geßner</hi> höhere <lb n="p2c_690.006"/> geistige Schönheit. Voß und Göthe (in Hermann und Dorothea) <lb n="p2c_690.007"/> stehn zwischen beyden in der Mitte. Die Menschen, <lb n="p2c_690.008"/> die von diesen Dichtern geschildert werden, sind schon in bürgerlichen <lb n="p2c_690.009"/> Verhältnissen. Es wird aber von diesen bürgerlichen <lb n="p2c_690.010"/> Verhältnissen durch die <hi rendition="#g">Jdylle</hi> als <hi rendition="#g">beschreibendes <lb n="p2c_690.011"/> Gedicht</hi> die lebendigste anschaulichste Ansicht für die <lb n="p2c_690.012"/> Phantasie aufgefaßt. Da die <hi rendition="#g">Phantasie</hi> unter allen <lb n="p2c_690.013"/> Seelenkräften die unbefangenste ist, und ihr das Anschaun <lb n="p2c_690.014"/> und Verwundern (<foreign xml:lang="grc">θαυμαζειν</foreign>) zukommt, so wird jedes beschreibende <lb n="p2c_690.015"/> Gedicht dieser Art, selbst bey einem nicht ländlichen <lb n="p2c_690.016"/> Gegenstande, den <hi rendition="#g">naiven</hi> Ton haben, und sich der <lb n="p2c_690.017"/> ländlichen Jdylle nähern. Aus diesem allen sieht man, wie <lb n="p2c_690.018"/> sich nach und nach das <hi rendition="#g">Wesen</hi> der Jdylle immer bestimmter <lb n="p2c_690.019"/> organisirt hat. Deswegen haben wir die Definition <lb n="p2c_690.020"/> der <hi rendition="#g">Jdylle</hi> im eigentlichsten Sinne nicht blos auf Darstellung <lb n="p2c_690.021"/> des Landlebens eingeschränkt, sondern ihren objektiven <lb n="p2c_690.022"/> Zweck dahin bestimmt, die <hi rendition="#g">Sitten</hi> des Menschen von <lb n="p2c_690.023"/> Seiten ihrer <hi rendition="#g">unbefangenen</hi> und <hi rendition="#g">lebendigen</hi> Schönheit, <lb n="p2c_690.024"/> den <hi rendition="#g">sichtbaren</hi> Reiz des Lebens für die <hi rendition="#g">Phantasie</hi> <lb n="p2c_690.025"/> zu beschreiben.</p> <p><lb n="p2c_690.026"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Der <hi rendition="#g">ästhetische Jnhalt</hi> der <lb n="p2c_690.027"/> <hi rendition="#g">Jdylle,</hi> die herrschende Empfindung ist das <hi rendition="#g">Naive,</hi> und </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [690/0214]
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als die Schilderung der lebendigen Natur selbst. Sie nähern p2c_690.002
sich schon der dritten Gattung des moralischen beschreibenden p2c_690.003
Gedichts, nämlich, der, wo eine gewisse Cultur p2c_690.004
der Seele mit dem Naturstande vereinigt gedacht wird. ─ p2c_690.005
Theokrit hat also mehr Reiz und Leben, Geßner höhere p2c_690.006
geistige Schönheit. Voß und Göthe (in Hermann und Dorothea) p2c_690.007
stehn zwischen beyden in der Mitte. Die Menschen, p2c_690.008
die von diesen Dichtern geschildert werden, sind schon in bürgerlichen p2c_690.009
Verhältnissen. Es wird aber von diesen bürgerlichen p2c_690.010
Verhältnissen durch die Jdylle als beschreibendes p2c_690.011
Gedicht die lebendigste anschaulichste Ansicht für die p2c_690.012
Phantasie aufgefaßt. Da die Phantasie unter allen p2c_690.013
Seelenkräften die unbefangenste ist, und ihr das Anschaun p2c_690.014
und Verwundern (θαυμαζειν) zukommt, so wird jedes beschreibende p2c_690.015
Gedicht dieser Art, selbst bey einem nicht ländlichen p2c_690.016
Gegenstande, den naiven Ton haben, und sich der p2c_690.017
ländlichen Jdylle nähern. Aus diesem allen sieht man, wie p2c_690.018
sich nach und nach das Wesen der Jdylle immer bestimmter p2c_690.019
organisirt hat. Deswegen haben wir die Definition p2c_690.020
der Jdylle im eigentlichsten Sinne nicht blos auf Darstellung p2c_690.021
des Landlebens eingeschränkt, sondern ihren objektiven p2c_690.022
Zweck dahin bestimmt, die Sitten des Menschen von p2c_690.023
Seiten ihrer unbefangenen und lebendigen Schönheit, p2c_690.024
den sichtbaren Reiz des Lebens für die Phantasie p2c_690.025
zu beschreiben.
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Anmerk. 2. Der ästhetische Jnhalt der p2c_690.027
Jdylle, die herrschende Empfindung ist das Naive, und
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