Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_663.001 p2c_663.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0187" n="663"/><lb n="p2c_663.001"/> kannte das Lustspiel nur als Satyre nicht in allen seinen <lb n="p2c_663.002"/> Veränderungen. Er konnte, als ästhetischer Kritiker, noch <lb n="p2c_663.003"/> eine neue Periode derselben weissagen, die nachher erfolgte, <lb n="p2c_663.004"/> nämlich die Zeit der <hi rendition="#g">neuen</hi> oder edlen Komödie. ─ Da <lb n="p2c_663.005"/> das <hi rendition="#g">satyrische</hi> Lustspiel auf eine bald <hi rendition="#g">bittere,</hi> bald <lb n="p2c_663.006"/> <hi rendition="#g">lustige</hi> Weise über die Thorheiten der Menschen spottet, <lb n="p2c_663.007"/> so sucht es Welt und Menschenleben nicht in einer <hi rendition="#g">idealen</hi> <lb n="p2c_663.008"/> Gestalt, sondern in <hi rendition="#g">grotesken</hi> lächerlichen Formen zu <lb n="p2c_663.009"/> zeigen. Es bindet sich also an <hi rendition="#g">keine</hi> dramatische Regel <lb n="p2c_663.010"/> von Wahrscheinlichkeit, Einheit des Orts, der Zeit, der <lb n="p2c_663.011"/> Handlung. Es liebt, wie man im Aristophanes sieht, in <lb n="p2c_663.012"/> seinen Decorationen das Abentheuerliche. Das <hi rendition="#g">Genie</hi> <lb n="p2c_663.013"/> folgt hier mit der größten Freyheit seinen Launen, und so <lb n="p2c_663.014"/> wenig, wie Aristophanes Götter und Menschen schont, eben <lb n="p2c_663.015"/> so wenig schont er irgend eine dramatische Regel. Unter <lb n="p2c_663.016"/> allen Gattungen des Lustspiels giebt das <hi rendition="#g">satyrische</hi> der <lb n="p2c_663.017"/> Phantasie am meisten Nahrung, wegen seiner humoristischen <lb n="p2c_663.018"/> Erfindungen. 4) Das <hi rendition="#g">groteskkomische Lustspiel,</hi> <lb n="p2c_663.019"/> wo nicht das <hi rendition="#g">feinkomische,</hi> sondern das <hi rendition="#g">groteskkomische</hi> <lb n="p2c_663.020"/> herrschend ist. Hier zeigt sich das ganze menschliche <lb n="p2c_663.021"/> Leben als <hi rendition="#g">auffallende</hi> Karrikatur, da in der eigentlichen <lb n="p2c_663.022"/> <hi rendition="#g">Komödie</hi> nur seine <hi rendition="#g">feinern</hi> lächerlichen Nüancen <lb n="p2c_663.023"/> gefunden werden. Von dem <hi rendition="#g">satyrischen</hi> Lustspiel unterscheidet <lb n="p2c_663.024"/> es sich dadurch, daß es nicht wider die Thorheiten <lb n="p2c_663.025"/> und Fehler gerichtet ist. Das <hi rendition="#g">satyrische</hi> Lustspiel, wie <lb n="p2c_663.026"/> wir aber schon gesehn haben, nimmt oft die Form des <hi rendition="#g">groteskkomischen</hi> <lb n="p2c_663.027"/> an. Die Gattung des <hi rendition="#g">groteskkomischen</hi> <lb n="p2c_663.028"/> Lustspiels ist sehr weitumfassend. Es kann auf </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [663/0187]
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kannte das Lustspiel nur als Satyre nicht in allen seinen p2c_663.002
Veränderungen. Er konnte, als ästhetischer Kritiker, noch p2c_663.003
eine neue Periode derselben weissagen, die nachher erfolgte, p2c_663.004
nämlich die Zeit der neuen oder edlen Komödie. ─ Da p2c_663.005
das satyrische Lustspiel auf eine bald bittere, bald p2c_663.006
lustige Weise über die Thorheiten der Menschen spottet, p2c_663.007
so sucht es Welt und Menschenleben nicht in einer idealen p2c_663.008
Gestalt, sondern in grotesken lächerlichen Formen zu p2c_663.009
zeigen. Es bindet sich also an keine dramatische Regel p2c_663.010
von Wahrscheinlichkeit, Einheit des Orts, der Zeit, der p2c_663.011
Handlung. Es liebt, wie man im Aristophanes sieht, in p2c_663.012
seinen Decorationen das Abentheuerliche. Das Genie p2c_663.013
folgt hier mit der größten Freyheit seinen Launen, und so p2c_663.014
wenig, wie Aristophanes Götter und Menschen schont, eben p2c_663.015
so wenig schont er irgend eine dramatische Regel. Unter p2c_663.016
allen Gattungen des Lustspiels giebt das satyrische der p2c_663.017
Phantasie am meisten Nahrung, wegen seiner humoristischen p2c_663.018
Erfindungen. 4) Das groteskkomische Lustspiel, p2c_663.019
wo nicht das feinkomische, sondern das groteskkomische p2c_663.020
herrschend ist. Hier zeigt sich das ganze menschliche p2c_663.021
Leben als auffallende Karrikatur, da in der eigentlichen p2c_663.022
Komödie nur seine feinern lächerlichen Nüancen p2c_663.023
gefunden werden. Von dem satyrischen Lustspiel unterscheidet p2c_663.024
es sich dadurch, daß es nicht wider die Thorheiten p2c_663.025
und Fehler gerichtet ist. Das satyrische Lustspiel, wie p2c_663.026
wir aber schon gesehn haben, nimmt oft die Form des groteskkomischen p2c_663.027
an. Die Gattung des groteskkomischen p2c_663.028
Lustspiels ist sehr weitumfassend. Es kann auf
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