p2c_644.001 nicht kräftiger, und zugleich natürlicher ausgedrückt werden. p2c_644.002 Die Rede, in der Makbeth die Wunden des Dunkan mit p2c_644.003 Lücken im Weltall vergleicht, zu denen das Verderben hereinbricht, p2c_644.004 haben einige Kunstrichter zu schwülstig gefunden, p2c_644.005 und psychologisch mit der heuchlerischen Verlegenheit des Königsmörders p2c_644.006 erklären wollen. Allein sie wär auch ohnedem p2c_644.007 passend. Shakespear wendet den hohen Styl nur auf leidenschaftliche p2c_644.008 Scenen an, Sophocles und Aeschylus dagegen p2c_644.009 sind oft schwülstig in der Diction, weil sie auch ganz gewöhnliche p2c_644.010 Dinge in neuen Wendungen sagen wollen. Welch p2c_644.011 ein Metapher ist nicht z. B. epta epi thebais vs. 373. p2c_644.012 spoude diokon pompimous khnoas podon, um das Gehenp2c_644.013 auszudrücken. Und es ist hier nicht einmal mehr eigentlicher p2c_644.014 Chorgesang. Sophocles läßt seine Boten oft in künstlicheren p2c_644.015 Wendungen reden, als ein Pindar sprechen würde; p2c_644.016 hierinnen ist der Styl des Euripides simpler. - Was p2c_644.017 nun das dramatische Gespräch der Tragödie insbesondere p2c_644.018 betrifft, so muß es allerdings idealer gehalten werden, p2c_644.019 als im Lustspiel. Die Hoheit der Verhältnisse, der heroische p2c_644.020 Charakter der Personen, giebt den Unterredungen eine p2c_644.021 gewisse Würde, die aber nach jeder Sinnesart anders modifizirt p2c_644.022 seyn muß. Monologen sind den tragischen Personen p2c_644.023 natürlich, wegen der Heftigkeit ihrer Empfindungen und p2c_644.024 den wunderbaren Situationen. Nur müssen sie, wie bey p2c_644.025 Shakespear, wahrer Ausbruch des Gefühls seyn. Mehr p2c_644.026 Jnterjektionen, als kalte Betrachtungen. Daß der Prologusp2c_644.027 und der Chor sich den Zuschauern nennt und zu erkennen p2c_644.028 giebt, ist zwar wider die Jllusion. Denn wirklich handelnde
p2c_644.001 nicht kräftiger, und zugleich natürlicher ausgedrückt werden. p2c_644.002 Die Rede, in der Makbeth die Wunden des Dunkan mit p2c_644.003 Lücken im Weltall vergleicht, zu denen das Verderben hereinbricht, p2c_644.004 haben einige Kunstrichter zu schwülstig gefunden, p2c_644.005 und psychologisch mit der heuchlerischen Verlegenheit des Königsmörders p2c_644.006 erklären wollen. Allein sie wär auch ohnedem p2c_644.007 passend. Shakespear wendet den hohen Styl nur auf leidenschaftliche p2c_644.008 Scenen an, Sophocles und Aeschylus dagegen p2c_644.009 sind oft schwülstig in der Diction, weil sie auch ganz gewöhnliche p2c_644.010 Dinge in neuen Wendungen sagen wollen. Welch p2c_644.011 ein Metapher ist nicht z. B. επτα επι θηβαις vs. 373. p2c_644.012 σπουδη διωκων πομπιμους χνοας ποδων, um das Gehenp2c_644.013 auszudrücken. Und es ist hier nicht einmal mehr eigentlicher p2c_644.014 Chorgesang. Sophocles läßt seine Boten oft in künstlicheren p2c_644.015 Wendungen reden, als ein Pindar sprechen würde; p2c_644.016 hierinnen ist der Styl des Euripides simpler. ─ Was p2c_644.017 nun das dramatische Gespräch der Tragödie insbesondere p2c_644.018 betrifft, so muß es allerdings idealer gehalten werden, p2c_644.019 als im Lustspiel. Die Hoheit der Verhältnisse, der heroische p2c_644.020 Charakter der Personen, giebt den Unterredungen eine p2c_644.021 gewisse Würde, die aber nach jeder Sinnesart anders modifizirt p2c_644.022 seyn muß. Monologen sind den tragischen Personen p2c_644.023 natürlich, wegen der Heftigkeit ihrer Empfindungen und p2c_644.024 den wunderbaren Situationen. Nur müssen sie, wie bey p2c_644.025 Shakespear, wahrer Ausbruch des Gefühls seyn. Mehr p2c_644.026 Jnterjektionen, als kalte Betrachtungen. Daß der Prologusp2c_644.027 und der Chor sich den Zuschauern nennt und zu erkennen p2c_644.028 giebt, ist zwar wider die Jllusion. Denn wirklich handelnde
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/168>, abgerufen am 16.07.2024.
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