p2c_628.001 und das giebt gewissermaßen zwey Handlungen, die nicht p2c_628.002 nothwendig mit einander verbunden sind. Beym Shakespear p2c_628.003 ist oft genialischer Jdeenreichthum die Ursache von einer p2c_628.004 doppelten Handlung. So z. B. hat Romeo anfangs p2c_628.005 eine andere Liebe, welche ihn einen ganzen Akt durch peinigt. p2c_628.006 Jm Hamlet, welches mehr ein Charakterstückp2c_628.007 ist, fehlt der rasche Gang der Handlung. Tragischerp2c_628.008 ist Makbeth, dessen blutdürstiger Ehrgeiz von Verbrechen p2c_628.009 zu Verbrechen unaufhaltsam fortgeht. Die einfachep2c_628.010 Organisation der Handlung verlangt endlich eine proportionierliche p2c_628.011 Disposition ihrer einzelnen Theile. Da dem p2c_628.012 Zuhörer Ruhepunkte gegeben werden müssen, so hat man p2c_628.013 die Eintheilung in Akte erfunden. Jndeß muß ein Akt p2c_628.014 allemal so schließen, daß eine neue Erwartung entsteht, p2c_628.015 die im folgenden befriedigt wird, wenn gleich er auch schon p2c_628.016 den Anfang einer Auflösung erhalten muß, weil sonst keine p2c_628.017 Ruhe möglich wäre. Unrecht ists, wenn mit Einem Akte p2c_628.018 die Handlung so weit vollendet scheint, daß man keinen p2c_628.019 folgenden vermuthet, wie z. B. im Otto von Wittelsbach, p2c_628.020 im Clavigo. Die Zahl von fünf Akten ist zwar zufällig angenommen, p2c_628.021 ist aber doch in der Natur der Sache gegründet. p2c_628.022 Jede Handlung hat, wie Aristoteles sagt, einen Anfang,p2c_628.023 eine Mitte, ein Ende. Wenn man für den p2c_628.024 Anfang, und für das Ende einen Akt rechnet, so bleiben p2c_628.025 drey für die eigentliche Verwicklung übrig, und das ist eine p2c_628.026 richtige Proportion. Da in der Tragödie alles concentrirt p2c_628.027 seyn muß, so muß alles Ueberflüssige vermieden werden. p2c_628.028 Es ist keine Erzählung, es ist die Thatsache selbst,
p2c_628.001 und das giebt gewissermaßen zwey Handlungen, die nicht p2c_628.002 nothwendig mit einander verbunden sind. Beym Shakespear p2c_628.003 ist oft genialischer Jdeenreichthum die Ursache von einer p2c_628.004 doppelten Handlung. So z. B. hat Romeo anfangs p2c_628.005 eine andere Liebe, welche ihn einen ganzen Akt durch peinigt. p2c_628.006 Jm Hamlet, welches mehr ein Charakterstückp2c_628.007 ist, fehlt der rasche Gang der Handlung. Tragischerp2c_628.008 ist Makbeth, dessen blutdürstiger Ehrgeiz von Verbrechen p2c_628.009 zu Verbrechen unaufhaltsam fortgeht. Die einfachep2c_628.010 Organisation der Handlung verlangt endlich eine proportionierliche p2c_628.011 Disposition ihrer einzelnen Theile. Da dem p2c_628.012 Zuhörer Ruhepunkte gegeben werden müssen, so hat man p2c_628.013 die Eintheilung in Akte erfunden. Jndeß muß ein Akt p2c_628.014 allemal so schließen, daß eine neue Erwartung entsteht, p2c_628.015 die im folgenden befriedigt wird, wenn gleich er auch schon p2c_628.016 den Anfang einer Auflösung erhalten muß, weil sonst keine p2c_628.017 Ruhe möglich wäre. Unrecht ists, wenn mit Einem Akte p2c_628.018 die Handlung so weit vollendet scheint, daß man keinen p2c_628.019 folgenden vermuthet, wie z. B. im Otto von Wittelsbach, p2c_628.020 im Clavigo. Die Zahl von fünf Akten ist zwar zufällig angenommen, p2c_628.021 ist aber doch in der Natur der Sache gegründet. p2c_628.022 Jede Handlung hat, wie Aristoteles sagt, einen Anfang,p2c_628.023 eine Mitte, ein Ende. Wenn man für den p2c_628.024 Anfang, und für das Ende einen Akt rechnet, so bleiben p2c_628.025 drey für die eigentliche Verwicklung übrig, und das ist eine p2c_628.026 richtige Proportion. Da in der Tragödie alles concentrirt p2c_628.027 seyn muß, so muß alles Ueberflüssige vermieden werden. p2c_628.028 Es ist keine Erzählung, es ist die Thatsache selbst,
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/152>, abgerufen am 16.02.2025.
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