Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_618.001 p2c_618.015 p2c_618.001 p2c_618.015 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0142" n="618"/><lb n="p2c_618.001"/> Geisterwelt. Der Nahme mag vom <hi rendition="#g">Tanz</hi> herkommen, <lb n="p2c_618.002"/> denn es ward bey diesen Volksliedern in Jtalien getanzt, <lb n="p2c_618.003"/> und man findet hier und da noch solche rhapsodische Aufführung. <lb n="p2c_618.004"/> Anfangs waren es nicht einmal Erzählungen. Aber <lb n="p2c_618.005"/> späterhin wurden sie auch dramatisch. ─ Der <hi rendition="#g">Volkston</hi> <lb n="p2c_618.006"/> erlaubt hier <hi rendition="#g">Scherz</hi> und selbst einen Grad von Gemeinheit. <lb n="p2c_618.007"/> Der Ausdruck <hi rendition="#aq">poesia volgare</hi>, den die Gedichte <lb n="p2c_618.008"/> in der italienischen Volkssprache führen, ist hier recht <lb n="p2c_618.009"/> eigentlich angewandt. Das Metrum muß fließend, strophisch <lb n="p2c_618.010"/> und für den gemeinschaftlichen Gesang eingerichtet <lb n="p2c_618.011"/> seyn. Uebrigens hieß <hi rendition="#g">Romanze</hi> bey den Jtalienern zuweilen <lb n="p2c_618.012"/> auch das größere romantische Gedicht. Oft besteht <lb n="p2c_618.013"/> es auch bey ihnen wohl mehr aus einer Menge einzelner <lb n="p2c_618.014"/> Romanzen, als daß es Ein Ganzes ausmachen sollte. ─</p> <p><lb n="p2c_618.015"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 3. Das <hi rendition="#g">romantische</hi> Gedicht wählt <lb n="p2c_618.016"/> oft zum Jnhalt das ganze Leben irgend eines Helden, und bedient <lb n="p2c_618.017"/> sich dabey der dramatisirenden Form. Dergleichen <lb n="p2c_618.018"/> <hi rendition="#g">dialogisirte heroische Biographien,</hi> oder dramatisirte <lb n="p2c_618.019"/> Romane werden oft von ihren eigenen Verfassern mit <lb n="p2c_618.020"/> wirklichen <hi rendition="#g">Dramen</hi> verwechselt. So brachte Shakespear <lb n="p2c_618.021"/> das Leben der Englischen Könige auf die Bühne. Szenen <lb n="p2c_618.022"/> aus so einer Biographie darzustellen und mit <hi rendition="#g">Schauspielkunst</hi> <lb n="p2c_618.023"/> zu verbinden, insofern das sich mit der Enge einer Bühne <lb n="p2c_618.024"/> verträgt, ist nicht tadelhaft. Denn die Schauspielkunst <lb n="p2c_618.025"/> kann vielleicht auf mehrere Arten der Poesie angewendet <lb n="p2c_618.026"/> werden, als man bis jetzt denkt, und die Aesthetik wird <lb n="p2c_618.027"/> wohl thun, wenn sie <hi rendition="#g">Drama</hi> und <hi rendition="#g">Schauspiel</hi> ganz </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [618/0142]
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Geisterwelt. Der Nahme mag vom Tanz herkommen, p2c_618.002
denn es ward bey diesen Volksliedern in Jtalien getanzt, p2c_618.003
und man findet hier und da noch solche rhapsodische Aufführung. p2c_618.004
Anfangs waren es nicht einmal Erzählungen. Aber p2c_618.005
späterhin wurden sie auch dramatisch. ─ Der Volkston p2c_618.006
erlaubt hier Scherz und selbst einen Grad von Gemeinheit. p2c_618.007
Der Ausdruck poesia volgare, den die Gedichte p2c_618.008
in der italienischen Volkssprache führen, ist hier recht p2c_618.009
eigentlich angewandt. Das Metrum muß fließend, strophisch p2c_618.010
und für den gemeinschaftlichen Gesang eingerichtet p2c_618.011
seyn. Uebrigens hieß Romanze bey den Jtalienern zuweilen p2c_618.012
auch das größere romantische Gedicht. Oft besteht p2c_618.013
es auch bey ihnen wohl mehr aus einer Menge einzelner p2c_618.014
Romanzen, als daß es Ein Ganzes ausmachen sollte. ─
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Anmerk. 3. Das romantische Gedicht wählt p2c_618.016
oft zum Jnhalt das ganze Leben irgend eines Helden, und bedient p2c_618.017
sich dabey der dramatisirenden Form. Dergleichen p2c_618.018
dialogisirte heroische Biographien, oder dramatisirte p2c_618.019
Romane werden oft von ihren eigenen Verfassern mit p2c_618.020
wirklichen Dramen verwechselt. So brachte Shakespear p2c_618.021
das Leben der Englischen Könige auf die Bühne. Szenen p2c_618.022
aus so einer Biographie darzustellen und mit Schauspielkunst p2c_618.023
zu verbinden, insofern das sich mit der Enge einer Bühne p2c_618.024
verträgt, ist nicht tadelhaft. Denn die Schauspielkunst p2c_618.025
kann vielleicht auf mehrere Arten der Poesie angewendet p2c_618.026
werden, als man bis jetzt denkt, und die Aesthetik wird p2c_618.027
wohl thun, wenn sie Drama und Schauspiel ganz
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