Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_612.001 p2c_612.022 p2c_612.023 p2c_612.001 p2c_612.022 p2c_612.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0136" n="612"/><lb n="p2c_612.001"/> schließen die heroischen Dichter einzelne Gesänge gern mit <lb n="p2c_612.002"/> Bildern der Nacht vor dem Schlachtmorgen, z. B. <hi rendition="#aq">Iliad. <foreign xml:lang="grc">α</foreign></hi>, <lb n="p2c_612.003"/> besonders schön schließt <hi rendition="#aq">Il. <foreign xml:lang="grc">η</foreign></hi>. wo Jupiter die ganze Nacht <lb n="p2c_612.004"/> durch donnert, auch <hi rendition="#aq">Il. <foreign xml:lang="grc">θ</foreign></hi>. Ossian Fingal erstes Buch, wo <lb n="p2c_612.005"/> man die Geister in der Nacht wehklagen, und zuweilen nur <lb n="p2c_612.006"/> den Schall des Schildes hört. ─ Tasso 2ter Gesang, <lb n="p2c_612.007"/> wie die christlichen Helden dem Morgen entgegen sehn, weil <lb n="p2c_612.008"/> sie Jerusalem zu erreichen wünschen. <hi rendition="#aq">Mirano ad or ador <lb n="p2c_612.009"/> se raggio alcuno spunti, o rischiari della notte il bruno</hi>. <lb n="p2c_612.010"/> Die folgenden Bücher beginnen dann mit der Morgenröthe <lb n="p2c_612.011"/> erwartungsvoll. ─ Das Sanfte, die Grazie, das <lb n="p2c_612.012"/> Naive, alles findet sich im Homer, der eine lichte heitere <lb n="p2c_612.013"/> Ansicht von der ganzen Welt giebt. Aber immer kehrt das <lb n="p2c_612.014"/> <hi rendition="#g">Starke,</hi> das Schreckliche wieder, und das Große mildert <lb n="p2c_612.015"/> den Gegensatz. Auch das <hi rendition="#g">Lächerliche</hi> hat Homer in <lb n="p2c_612.016"/> seine Gedichte aufgenommen, spätere Epopöendichter haben <lb n="p2c_612.017"/> es nicht gewagt. Vulkan, der im Olymp herumhinkt, Thersites, <lb n="p2c_612.018"/> Ajax, der in das <foreign xml:lang="grc">ονθος βοων</foreign> fällt ─ (dies hat denn <lb n="p2c_612.019"/> doch der Nachahmer Virgil aufgefaßt und im <hi rendition="#aq">certamine navali</hi> <lb n="p2c_612.020"/> nachgeahmt.) Jn der <hi rendition="#g">heitern</hi> Phantasie des Griechen <lb n="p2c_612.021"/> ist dies keine Dissonanz.</p> <p> <hi rendition="#c"><lb n="p2c_612.022"/> §. 3.</hi> </p> <p><lb n="p2c_612.023"/> Da der Heldendichter als <hi rendition="#g">Erzähler</hi> sich nicht <lb n="p2c_612.024"/> ganz in der Handlung verliehren, sondern den Faden <lb n="p2c_612.025"/> immer in der Hand, und den Blick auf das Ganze behalten <lb n="p2c_612.026"/> muß, sein Stoff aber so wichtig, so ausgedehn </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [612/0136]
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schließen die heroischen Dichter einzelne Gesänge gern mit p2c_612.002
Bildern der Nacht vor dem Schlachtmorgen, z. B. Iliad. α, p2c_612.003
besonders schön schließt Il. η. wo Jupiter die ganze Nacht p2c_612.004
durch donnert, auch Il. θ. Ossian Fingal erstes Buch, wo p2c_612.005
man die Geister in der Nacht wehklagen, und zuweilen nur p2c_612.006
den Schall des Schildes hört. ─ Tasso 2ter Gesang, p2c_612.007
wie die christlichen Helden dem Morgen entgegen sehn, weil p2c_612.008
sie Jerusalem zu erreichen wünschen. Mirano ad or ador p2c_612.009
se raggio alcuno spunti, o rischiari della notte il bruno. p2c_612.010
Die folgenden Bücher beginnen dann mit der Morgenröthe p2c_612.011
erwartungsvoll. ─ Das Sanfte, die Grazie, das p2c_612.012
Naive, alles findet sich im Homer, der eine lichte heitere p2c_612.013
Ansicht von der ganzen Welt giebt. Aber immer kehrt das p2c_612.014
Starke, das Schreckliche wieder, und das Große mildert p2c_612.015
den Gegensatz. Auch das Lächerliche hat Homer in p2c_612.016
seine Gedichte aufgenommen, spätere Epopöendichter haben p2c_612.017
es nicht gewagt. Vulkan, der im Olymp herumhinkt, Thersites, p2c_612.018
Ajax, der in das ονθος βοων fällt ─ (dies hat denn p2c_612.019
doch der Nachahmer Virgil aufgefaßt und im certamine navali p2c_612.020
nachgeahmt.) Jn der heitern Phantasie des Griechen p2c_612.021
ist dies keine Dissonanz.
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§. 3.
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Da der Heldendichter als Erzähler sich nicht p2c_612.024
ganz in der Handlung verliehren, sondern den Faden p2c_612.025
immer in der Hand, und den Blick auf das Ganze behalten p2c_612.026
muß, sein Stoff aber so wichtig, so ausgedehn
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