Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_611.001 p2c_611.001 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0135" n="611"/><lb n="p2c_611.001"/> heroisches Leben, und am Ende löst sich alles auf in eine <lb n="p2c_611.002"/> allgemeine ruhige Jndifferenz des Schicksals. Am Ende <lb n="p2c_611.003"/> der Jliade wird eben der Hektor bestattet, welcher im zwölften <lb n="p2c_611.004"/> Buche, wie ein verderblicher Gott, das Lager der <lb n="p2c_611.005"/> Griechen anzündete. Achills Zorn ist befriedigt, seine Ehre <lb n="p2c_611.006"/> wieder hergestellt. Aber er hat auch gebüßt für seine Leidenschaft. <lb n="p2c_611.007"/> Die allgemeine Weltordnung erscheint hier in <lb n="p2c_611.008"/> einem Moment, unter der Ansicht eines Ganzen. Daher <lb n="p2c_611.009"/> ist über die Epopöe eine große Stimmung verbreitet, welche <lb n="p2c_611.010"/> sich dem Erzähler mittheilt, welche alles modificirt. Das <lb n="p2c_611.011"/> <hi rendition="#g">Starke,</hi> das Heftige, das Schreckliche, findet in der <lb n="p2c_611.012"/> Mitte der Handlung statt. Aber immer muß die Jdee der <lb n="p2c_611.013"/> Größe jeden Contrast wieder aufheben. Auch das <hi rendition="#g">reizend</hi> <lb n="p2c_611.014"/> schöne muß zuweilen gefunden werden, damit die <lb n="p2c_611.015"/> Anspannung nicht zu groß sey. Daher führt uns Homer <lb n="p2c_611.016"/> aus dem Schlachtgewühl ins häusliche Leben, erinnert uns <lb n="p2c_611.017"/> an die Eltern, Weiber, Kinder, für welche gefochten wird. <lb n="p2c_611.018"/> Nur darf man sich nicht zu sehr darein verliehren. Tasso ist <lb n="p2c_611.019"/> selbst mit dem Rinald in die Schlingen der Armide gefallen. <lb n="p2c_611.020"/> Da das Heldengedicht wegen seiner Länge in verschiedene <lb n="p2c_611.021"/> Stücke, Bücher, Rhapsodien, Gesänge getheilt wird, so <lb n="p2c_611.022"/> muß jedes Buch ebenfalls mit einer großen Empfindung <lb n="p2c_611.023"/> schließen, und das folgende mit einer starken muntern beginnen. <lb n="p2c_611.024"/> Das Große muß als <hi rendition="#g">herrschend</hi> bey jeder Pause <lb n="p2c_611.025"/> im Gedicht angetroffen werden. Nur muß die <hi rendition="#g">Größe</hi> <lb n="p2c_611.026"/> nicht so vollendete Ruhe geben, wie am Ende des Werks, <lb n="p2c_611.027"/> sondern muß mit einer Art bangen <hi rendition="#g">Erwartung</hi> verbunden <lb n="p2c_611.028"/> seyn, in Ansehung dessen, was kommen wird. Daher </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [611/0135]
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heroisches Leben, und am Ende löst sich alles auf in eine p2c_611.002
allgemeine ruhige Jndifferenz des Schicksals. Am Ende p2c_611.003
der Jliade wird eben der Hektor bestattet, welcher im zwölften p2c_611.004
Buche, wie ein verderblicher Gott, das Lager der p2c_611.005
Griechen anzündete. Achills Zorn ist befriedigt, seine Ehre p2c_611.006
wieder hergestellt. Aber er hat auch gebüßt für seine Leidenschaft. p2c_611.007
Die allgemeine Weltordnung erscheint hier in p2c_611.008
einem Moment, unter der Ansicht eines Ganzen. Daher p2c_611.009
ist über die Epopöe eine große Stimmung verbreitet, welche p2c_611.010
sich dem Erzähler mittheilt, welche alles modificirt. Das p2c_611.011
Starke, das Heftige, das Schreckliche, findet in der p2c_611.012
Mitte der Handlung statt. Aber immer muß die Jdee der p2c_611.013
Größe jeden Contrast wieder aufheben. Auch das reizend p2c_611.014
schöne muß zuweilen gefunden werden, damit die p2c_611.015
Anspannung nicht zu groß sey. Daher führt uns Homer p2c_611.016
aus dem Schlachtgewühl ins häusliche Leben, erinnert uns p2c_611.017
an die Eltern, Weiber, Kinder, für welche gefochten wird. p2c_611.018
Nur darf man sich nicht zu sehr darein verliehren. Tasso ist p2c_611.019
selbst mit dem Rinald in die Schlingen der Armide gefallen. p2c_611.020
Da das Heldengedicht wegen seiner Länge in verschiedene p2c_611.021
Stücke, Bücher, Rhapsodien, Gesänge getheilt wird, so p2c_611.022
muß jedes Buch ebenfalls mit einer großen Empfindung p2c_611.023
schließen, und das folgende mit einer starken muntern beginnen. p2c_611.024
Das Große muß als herrschend bey jeder Pause p2c_611.025
im Gedicht angetroffen werden. Nur muß die Größe p2c_611.026
nicht so vollendete Ruhe geben, wie am Ende des Werks, p2c_611.027
sondern muß mit einer Art bangen Erwartung verbunden p2c_611.028
seyn, in Ansehung dessen, was kommen wird. Daher
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