p2c_604.001 hundert Zungen haben, um alles auszusprechen. Und doch p2c_604.002 verlangen dergleichen Beschreibungen mehr Ruhe, wie die p2c_604.003 des Lyrikers, dessen Phantasie, ohne fixirt zu seyn, überall p2c_604.004 herumschweift. Weil die Begebenheit Einfluß auf einen p2c_604.005 großen Theil der Menschheit hat, und sie gleichsam von p2c_604.006 Grund aus aufrührt, so ist es natürlich, daß der Dichter p2c_604.007 dabey Sitten, Kenntnisse, Religion, Charaktere eines ganzen p2c_604.008 Zeitalters schildert, z. B. Homers und Tasso's Catalogus. p2c_604.009 2) Da im Heldengedichte die menschliche Freyheitp2c_604.010 im Kampfe und die Willensthätigkeit in der größten Anstrengung p2c_604.011 gezeigt wird, so müssen die Begebenheiten entscheidendp2c_604.012 seyn. Daher gewöhnlich kriegerische Begebenheiten, p2c_604.013 Kampf auf Leben und Tod den Jnhalt ausmachen, p2c_604.014 wo der einzelne Mensch vergessen wird (z. B. Il. e. 689.). p2c_604.015 Augenblicke, wie die im Homer, nux d' ed' ee diarraisei p2c_604.016 straton ee saosei. Venit summa dies et ineluctabile p2c_604.017 tempus - una salus victis nullam sperare salutem. p2c_604.018 Virg. Daher lieben die Heldendichter den Contrast zwischen p2c_604.019 Glück, Frieden und Tod, recht fühlbar zu machen, und p2c_604.020 setzen das reizend schöne dem erhabenen entgegen, wie Homer p2c_604.021 im 6ten und 22sten Buch der Jliade. Tassos Armida. p2c_604.022 Fingal von Ossian 1stes B. zu Ende. Messias fünfter Gesang. p2c_604.023 - Oft auch zeigt sich reine Kraft und Anstrengung, p2c_604.024 wie zu Anfang des eilften B. d. Jliade. Ungeachtet p2c_604.025 also die Personen, welche hier auftreten, oft Heldenp2c_604.026 sind (im engsten Sinne des Worts), so giebt es doch auch p2c_604.027 Epopöen, deren Haupthelden nicht kriegerisch sind. So p2c_604.028 Adam und Eva in Milton. Denn der kriegerische Satan
p2c_604.001 hundert Zungen haben, um alles auszusprechen. Und doch p2c_604.002 verlangen dergleichen Beschreibungen mehr Ruhe, wie die p2c_604.003 des Lyrikers, dessen Phantasie, ohne fixirt zu seyn, überall p2c_604.004 herumschweift. Weil die Begebenheit Einfluß auf einen p2c_604.005 großen Theil der Menschheit hat, und sie gleichsam von p2c_604.006 Grund aus aufrührt, so ist es natürlich, daß der Dichter p2c_604.007 dabey Sitten, Kenntnisse, Religion, Charaktere eines ganzen p2c_604.008 Zeitalters schildert, z. B. Homers und Tasso's Catalogus. p2c_604.009 2) Da im Heldengedichte die menschliche Freyheitp2c_604.010 im Kampfe und die Willensthätigkeit in der größten Anstrengung p2c_604.011 gezeigt wird, so müssen die Begebenheiten entscheidendp2c_604.012 seyn. Daher gewöhnlich kriegerische Begebenheiten, p2c_604.013 Kampf auf Leben und Tod den Jnhalt ausmachen, p2c_604.014 wo der einzelne Mensch vergessen wird (z. B. Il. ε. 689.). p2c_604.015 Augenblicke, wie die im Homer, νυξ δ' ἡδ' ἡε διαρραισει p2c_604.016 ϛρατον ἡε σαωσει. Venit summa dies et ineluctabile p2c_604.017 tempus ─ una salus victis nullam sperare salutem. p2c_604.018 Virg. Daher lieben die Heldendichter den Contrast zwischen p2c_604.019 Glück, Frieden und Tod, recht fühlbar zu machen, und p2c_604.020 setzen das reizend schöne dem erhabenen entgegen, wie Homer p2c_604.021 im 6ten und 22sten Buch der Jliade. Tassos Armida. p2c_604.022 Fingal von Ossian 1stes B. zu Ende. Messias fünfter Gesang. p2c_604.023 ─ Oft auch zeigt sich reine Kraft und Anstrengung, p2c_604.024 wie zu Anfang des eilften B. d. Jliade. Ungeachtet p2c_604.025 also die Personen, welche hier auftreten, oft Heldenp2c_604.026 sind (im engsten Sinne des Worts), so giebt es doch auch p2c_604.027 Epopöen, deren Haupthelden nicht kriegerisch sind. So p2c_604.028 Adam und Eva in Milton. Denn der kriegerische Satan
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik02_1804/128>, abgerufen am 17.02.2025.
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