Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Zweiter Theil. Leipzig, 1804.p2c_585.001 p2c_585.005 p2c_585.001 p2c_585.005 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0109" n="585"/><lb n="p2c_585.001"/> angesehn werden. Man erklärt sich, oder soll sich <lb n="p2c_585.002"/> wenigstens ohne Veränderung und Handlung die Jdeenreihe <lb n="p2c_585.003"/> erklären können. Manche Oratorien sind doch mehr lyrische <lb n="p2c_585.004"/> dramatische Szenen, als eigentlich lyrische Gedichte. ─</p> <p><lb n="p2c_585.005"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 3. Jn der Kantate ist also keine Gleichmäßigkeit, <lb n="p2c_585.006"/> wie im Liede, in der Hymne, sondern die Poesie <lb n="p2c_585.007"/> entwickelt sich in einer freyen Versart zugleich mit der Musik. <lb n="p2c_585.008"/> Jst es ein leidenschaftliches Selbstgespräch, so darf die Kantate <lb n="p2c_585.009"/> freylich nicht so lang seyn, als wenn sie dramatisirt ist. <lb n="p2c_585.010"/> Jm letztern Falle müssen die verschiedenen Stimmen, Baß <lb n="p2c_585.011"/> Discant u. s. w. nach dem Charakteristischen ihrer Rede <lb n="p2c_585.012"/> vertheilt seyn. Die ausführliche Theorie der <hi rendition="#g">Kantate</hi> <lb n="p2c_585.013"/> gehört mehr in eine Aesthetik, als in die Poetik. Daß die <lb n="p2c_585.014"/> Kantate mit einer Arie anfangen müsse, haben einige behauptet. <lb n="p2c_585.015"/> Allein man kann den Grund nicht einsehn. Die <lb n="p2c_585.016"/> Arie ist der höchste lyrische Moment. Bey sehr lyrischen <lb n="p2c_585.017"/> Kantaten kann man mit der Arie beginnen, so wie auch die <lb n="p2c_585.018"/> Ode gleich feyerlich und begeistert beginnt. Bey mehr elegischen <lb n="p2c_585.019"/> und historischen Kantaten hingegen, ist es natürlicher <lb n="p2c_585.020"/> mit dem einfachen Rezitativ anzufangen; denn auf das <lb n="p2c_585.021"/> accompagnirte obligate Rezitativ, und so nach und nach <lb n="p2c_585.022"/> durch Arioso und Cavatina auf die eigentliche Arie überzugehn. <lb n="p2c_585.023"/> Freylich kommt alles auf den Jnhalt an, indeß <lb n="p2c_585.024"/> liebt der Geist eine natürliche Abstufung der Empfindungen, <lb n="p2c_585.025"/> ein continuirliches Steigen und Sinken. Das Recitativ <lb n="p2c_585.026"/> erfordert eine ganz freye madrigalische Versart. Es <lb n="p2c_585.027"/> hat kein ander Gesetz als den <hi rendition="#g">Rhythmus.</hi> Da der </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [585/0109]
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angesehn werden. Man erklärt sich, oder soll sich p2c_585.002
wenigstens ohne Veränderung und Handlung die Jdeenreihe p2c_585.003
erklären können. Manche Oratorien sind doch mehr lyrische p2c_585.004
dramatische Szenen, als eigentlich lyrische Gedichte. ─
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Anmerk. 3. Jn der Kantate ist also keine Gleichmäßigkeit, p2c_585.006
wie im Liede, in der Hymne, sondern die Poesie p2c_585.007
entwickelt sich in einer freyen Versart zugleich mit der Musik. p2c_585.008
Jst es ein leidenschaftliches Selbstgespräch, so darf die Kantate p2c_585.009
freylich nicht so lang seyn, als wenn sie dramatisirt ist. p2c_585.010
Jm letztern Falle müssen die verschiedenen Stimmen, Baß p2c_585.011
Discant u. s. w. nach dem Charakteristischen ihrer Rede p2c_585.012
vertheilt seyn. Die ausführliche Theorie der Kantate p2c_585.013
gehört mehr in eine Aesthetik, als in die Poetik. Daß die p2c_585.014
Kantate mit einer Arie anfangen müsse, haben einige behauptet. p2c_585.015
Allein man kann den Grund nicht einsehn. Die p2c_585.016
Arie ist der höchste lyrische Moment. Bey sehr lyrischen p2c_585.017
Kantaten kann man mit der Arie beginnen, so wie auch die p2c_585.018
Ode gleich feyerlich und begeistert beginnt. Bey mehr elegischen p2c_585.019
und historischen Kantaten hingegen, ist es natürlicher p2c_585.020
mit dem einfachen Rezitativ anzufangen; denn auf das p2c_585.021
accompagnirte obligate Rezitativ, und so nach und nach p2c_585.022
durch Arioso und Cavatina auf die eigentliche Arie überzugehn. p2c_585.023
Freylich kommt alles auf den Jnhalt an, indeß p2c_585.024
liebt der Geist eine natürliche Abstufung der Empfindungen, p2c_585.025
ein continuirliches Steigen und Sinken. Das Recitativ p2c_585.026
erfordert eine ganz freye madrigalische Versart. Es p2c_585.027
hat kein ander Gesetz als den Rhythmus. Da der
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