p1c_041.001 das höchste Grundgesetz praktischer Vernunft, so giebt es p1c_041.002 keine heiligere Pflicht, als diejenige, gar nicht zu p1c_041.003 handeln, überhaupt aufzuhören zu leben. Durch p1c_041.004 jedes Handeln und Leben wird die Vernunft dann entzweyt, p1c_041.005 ihre heilige Jdentität auf's Spiel gesetzt. Wollte man vorschützen, p1c_041.006 daß die Maxime nicht zu leben nie allgemeine p1c_041.007 Gesetzgebung werden könnte, weil sonst alle p1c_041.008 Gesetzgebung aufhören würde, so frage ich: warum überhaupt p1c_041.009 zum innern Wesen der Kantischen Vernunft Gesetzgebung p1c_041.010 nöthig sey? Gesetz ist nur für das Handeln. Die p1c_041.011 innere Vernunft ist befriedigt, wenn ihre Jdentität anerkannt, p1c_041.012 ihr Verbot nicht verletzt ist. Was bedarf es dazu p1c_041.013 eines Wollens und Handelns? Die Vernunft ist, p1c_041.014 nach Kant, eine ruhige logische verbietende Form. Was p1c_041.015 braucht sie erst werden zu wollen? Sie hat ein bloßes p1c_041.016 negatives Jnteresse, in dem Schlafe ihrer Jdentität p1c_041.017 durch keinen Widerspruch gestört zu werden. Jedes Wollen,p1c_041.018 als ein Herausgehn in die Zeit, jedes Begehren nach p1c_041.019 Veränderung ist schon ein gewagtes Majestätsverbrechen p1c_041.020 gegen diese logische leere wesenlose Jdentität, wodurch p1c_041.021 sie beleidigt werden kann. Wenigstens kann mich p1c_041.022 diese Form, die blos hypothetisch negativ ist, nie p1c_041.023 nöthigen, aus mir herauszugehen. Diese Form ist p1c_041.024 weder ein Subjekt, noch ein Objekt, und soll doch wirken,p1c_041.025 soll doch praktisch seyn! Die ganze praktische auf p1c_041.026 obige Formel gebaute Moralphilosophie ist eine absolute p1c_041.027 Nullität. Nein. Wollen, handeln, leben, heißt p1c_041.028 entweder gar nichts, oder ich muß nicht blos eine Form
p1c_041.001 das höchste Grundgesetz praktischer Vernunft, so giebt es p1c_041.002 keine heiligere Pflicht, als diejenige, gar nicht zu p1c_041.003 handeln, überhaupt aufzuhören zu leben. Durch p1c_041.004 jedes Handeln und Leben wird die Vernunft dann entzweyt, p1c_041.005 ihre heilige Jdentität auf's Spiel gesetzt. Wollte man vorschützen, p1c_041.006 daß die Maxime nicht zu leben nie allgemeine p1c_041.007 Gesetzgebung werden könnte, weil sonst alle p1c_041.008 Gesetzgebung aufhören würde, so frage ich: warum überhaupt p1c_041.009 zum innern Wesen der Kantischen Vernunft Gesetzgebung p1c_041.010 nöthig sey? Gesetz ist nur für das Handeln. Die p1c_041.011 innere Vernunft ist befriedigt, wenn ihre Jdentität anerkannt, p1c_041.012 ihr Verbot nicht verletzt ist. Was bedarf es dazu p1c_041.013 eines Wollens und Handelns? Die Vernunft ist, p1c_041.014 nach Kant, eine ruhige logische verbietende Form. Was p1c_041.015 braucht sie erst werden zu wollen? Sie hat ein bloßes p1c_041.016 negatives Jnteresse, in dem Schlafe ihrer Jdentität p1c_041.017 durch keinen Widerspruch gestört zu werden. Jedes Wollen,p1c_041.018 als ein Herausgehn in die Zeit, jedes Begehren nach p1c_041.019 Veränderung ist schon ein gewagtes Majestätsverbrechen p1c_041.020 gegen diese logische leere wesenlose Jdentität, wodurch p1c_041.021 sie beleidigt werden kann. Wenigstens kann mich p1c_041.022 diese Form, die blos hypothetisch negativ ist, nie p1c_041.023 nöthigen, aus mir herauszugehen. Diese Form ist p1c_041.024 weder ein Subjekt, noch ein Objekt, und soll doch wirken,p1c_041.025 soll doch praktisch seyn! Die ganze praktische auf p1c_041.026 obige Formel gebaute Moralphilosophie ist eine absolute p1c_041.027 Nullität. Nein. Wollen, handeln, leben, heißt p1c_041.028 entweder gar nichts, oder ich muß nicht blos eine Form
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ihr Verbot nicht verletzt ist. Was bedarf es dazu p1c_041.013
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Veränderung ist schon ein gewagtes Majestätsverbrechen p1c_041.020
gegen diese logische leere wesenlose Jdentität, wodurch p1c_041.021
sie beleidigt werden kann. Wenigstens kann mich p1c_041.022
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/99>, abgerufen am 24.11.2024.
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