p1c_027.001 Kantische höchste Gut, eine nach Würden vertheilte Glückseligkeit. p1c_027.002 Dieses höchste Gut ist ein Widerspruch der individualisirenden p1c_027.003 Erscheinungswelt, also das höchste Gut p1c_027.004 etwa für diese Welt, aber nicht für eine höhere, Entzweyung p1c_027.005 nicht Seligkeit. Die höhere Tugend, wie die Stoiker recht p1c_027.006 gut einsahen, muß den Sinn für individuelle Glückseligkeit p1c_027.007 vernichten, und die Freuden des edlern Menschen fangen p1c_027.008 an, mit der Liebe, mit der Freundschaft, mit der Vaterlands=und p1c_027.009 Menschenliebe, also da, wo sich das Jndividuum p1c_027.010 verliehrt. Diese praktische Jdendität des Jchs und der p1c_027.011 Welt ist das Gefühl einer idealen Welt, wo alles Jndividuelle p1c_027.012 sich in einem seligen Ganzen vergißt, die Ahnung eines p1c_027.013 Himmels, wo es kein erschlichenes Vorrecht, kein Eigenthum, p1c_027.014 keine Schranke des Einzelnen giebt, sondern, wo p1c_027.015 sich alles dem Heiligsten in dem Grade nähert, als es selbst p1c_027.016 heilig ist. Die Vorahnung dieser praktischen seligen Jdendität, p1c_027.017 ist die einzige mögliche reine Triebfeder für unser p1c_027.018 Handeln, nicht eine unzureichende Achtung für das Gesetz, p1c_027.019 die Kant verlangt, nicht die individuelle Glückseligkeit. Mit p1c_027.020 einem Worte, die Gewißheit, daß ein Gott durch uns p1c_027.021 schafft, und durch unsere Handlungen die widerstrebende p1c_027.022 Welt seinen innern Gesetzen gleich machen will, ist die Religion. p1c_027.023 Diese Religion, deren Jmperatif die Vernunft p1c_027.024 selbst erst begründet und zur Reflexion auf sich herausgehen p1c_027.025 heißt, kann nicht, wie die Kantianer meynen, innerhalb p1c_027.026 der Gränzen der bloßen Vernunft dargestellt werden. Es p1c_027.027 ist unbegreiflich, wie selbst Theologen die Stirn haben können, p1c_027.028 Kanten so blind nachzubeten, daß sie zu verstehn geben,
p1c_027.001 Kantische höchste Gut, eine nach Würden vertheilte Glückseligkeit. p1c_027.002 Dieses höchste Gut ist ein Widerspruch der individualisirenden p1c_027.003 Erscheinungswelt, also das höchste Gut p1c_027.004 etwa für diese Welt, aber nicht für eine höhere, Entzweyung p1c_027.005 nicht Seligkeit. Die höhere Tugend, wie die Stoiker recht p1c_027.006 gut einsahen, muß den Sinn für individuelle Glückseligkeit p1c_027.007 vernichten, und die Freuden des edlern Menschen fangen p1c_027.008 an, mit der Liebe, mit der Freundschaft, mit der Vaterlands=und p1c_027.009 Menschenliebe, also da, wo sich das Jndividuum p1c_027.010 verliehrt. Diese praktische Jdendität des Jchs und der p1c_027.011 Welt ist das Gefühl einer idealen Welt, wo alles Jndividuelle p1c_027.012 sich in einem seligen Ganzen vergißt, die Ahnung eines p1c_027.013 Himmels, wo es kein erschlichenes Vorrecht, kein Eigenthum, p1c_027.014 keine Schranke des Einzelnen giebt, sondern, wo p1c_027.015 sich alles dem Heiligsten in dem Grade nähert, als es selbst p1c_027.016 heilig ist. Die Vorahnung dieser praktischen seligen Jdendität, p1c_027.017 ist die einzige mögliche reine Triebfeder für unser p1c_027.018 Handeln, nicht eine unzureichende Achtung für das Gesetz, p1c_027.019 die Kant verlangt, nicht die individuelle Glückseligkeit. Mit p1c_027.020 einem Worte, die Gewißheit, daß ein Gott durch uns p1c_027.021 schafft, und durch unsere Handlungen die widerstrebende p1c_027.022 Welt seinen innern Gesetzen gleich machen will, ist die Religion. p1c_027.023 Diese Religion, deren Jmperatif die Vernunft p1c_027.024 selbst erst begründet und zur Reflexion auf sich herausgehen p1c_027.025 heißt, kann nicht, wie die Kantianer meynen, innerhalb p1c_027.026 der Gränzen der bloßen Vernunft dargestellt werden. Es p1c_027.027 ist unbegreiflich, wie selbst Theologen die Stirn haben können, p1c_027.028 Kanten so blind nachzubeten, daß sie zu verstehn geben,
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/85>, abgerufen am 25.11.2024.
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