p1c_007.001 auch eine Fähigkeit des Genie's. Genius ist die Kraft p1c_007.002 einer höhern Natur ohne Vorschrift, Regeln und Fesseln, p1c_007.003 aus dem ganzen Felde des Möglichen nur das Nothwendige p1c_007.004 herauszufinden und zu ergreifen. Der Genius erkennt keine p1c_007.005 Ordnung, die er nachahmen könne, sondern allein die Ordnung, p1c_007.006 die er hervorbringt. - Zu jeder bedingten Kunst p1c_007.007 gehört ein angebornes Geschick, z. B. zum Arzte Beobachtungsgeist, p1c_007.008 Kaltblütigkeit, Gegenwart des Geistes. Man p1c_007.009 nennt dies Talent. Jn so fern jede unbedingte Kunst, p1c_007.010 auch einen in der Erscheinungswelt bestimmten Theil hat, p1c_007.011 in so fern gehört zu einer freyen Kunst auch Talent und p1c_007.012 Uebung, z. B. beym bildenden Künstler plastisches Geschick p1c_007.013 und Praktik. Aber ohne Begeisterung, ohne Berufung von p1c_007.014 Seiten einer höhern Natur, die man Genius nennt, bringt p1c_007.015 der nur talentvolle Künstler nichts, als kalte Kunstwerke p1c_007.016 hervor.
p1c_007.017 Anmerk. 5. Da die Poesie eine freye Kunst ist, p1c_007.018 das heißt, sich über die Anschauung des individuell=sinnlichen p1c_007.019 erhebt, so beschreibt man sie auch als eine Thätigkeit p1c_007.020 der Phantasie. Das Vermögen, einen äußern Gegenstand p1c_007.021 zu empfangen, gehört den Sinnen, ist er abwesend, p1c_007.022 sich ihn als gegenwärtig einzubilden, und mittelst des Gedächtnissesp1c_007.023 zu reproduciren, der Einbildungskraft,p1c_007.024 welches ein zufälliges Werk der Erinnerung seyn kann. p1c_007.025 Zwischen den Sinnen und den intellektuellen oder formellen p1c_007.026 Anlagen des Menschen liegt ein vermittelndes Vermögen, p1c_007.027 die Phantasie. Diese ist nicht passiv, wie die Sinne,
p1c_007.001 auch eine Fähigkeit des Genie's. Genius ist die Kraft p1c_007.002 einer höhern Natur ohne Vorschrift, Regeln und Fesseln, p1c_007.003 aus dem ganzen Felde des Möglichen nur das Nothwendige p1c_007.004 herauszufinden und zu ergreifen. Der Genius erkennt keine p1c_007.005 Ordnung, die er nachahmen könne, sondern allein die Ordnung, p1c_007.006 die er hervorbringt. ─ Zu jeder bedingten Kunst p1c_007.007 gehört ein angebornes Geschick, z. B. zum Arzte Beobachtungsgeist, p1c_007.008 Kaltblütigkeit, Gegenwart des Geistes. Man p1c_007.009 nennt dies Talent. Jn so fern jede unbedingte Kunst, p1c_007.010 auch einen in der Erscheinungswelt bestimmten Theil hat, p1c_007.011 in so fern gehört zu einer freyen Kunst auch Talent und p1c_007.012 Uebung, z. B. beym bildenden Künstler plastisches Geschick p1c_007.013 und Praktik. Aber ohne Begeisterung, ohne Berufung von p1c_007.014 Seiten einer höhern Natur, die man Genius nennt, bringt p1c_007.015 der nur talentvolle Künstler nichts, als kalte Kunstwerke p1c_007.016 hervor.
p1c_007.017 Anmerk. 5. Da die Poesie eine freye Kunst ist, p1c_007.018 das heißt, sich über die Anschauung des individuell=sinnlichen p1c_007.019 erhebt, so beschreibt man sie auch als eine Thätigkeit p1c_007.020 der Phantasie. Das Vermögen, einen äußern Gegenstand p1c_007.021 zu empfangen, gehört den Sinnen, ist er abwesend, p1c_007.022 sich ihn als gegenwärtig einzubilden, und mittelst des Gedächtnissesp1c_007.023 zu reproduciren, der Einbildungskraft,p1c_007.024 welches ein zufälliges Werk der Erinnerung seyn kann. p1c_007.025 Zwischen den Sinnen und den intellektuellen oder formellen p1c_007.026 Anlagen des Menschen liegt ein vermittelndes Vermögen, p1c_007.027 die Phantasie. Diese ist nicht passiv, wie die Sinne,
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Uebung, z. B. beym bildenden Künstler plastisches Geschick p1c_007.013
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Anmerk. 5. Da die Poesie eine freye Kunst ist, p1c_007.018
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/65>, abgerufen am 24.11.2024.
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