p1c_434.001 getragen haben sollen. Allein wenn der Deklamator auch p1c_434.002 die Stelle des Dichters vertritt, so kommt es erst darauf p1c_434.003 an, zu bestimmen, ob die Person des Dichters selbst irgend p1c_434.004 einen phantastischen Eindruck machen soll. Bey Nazionen, p1c_434.005 die das Phantastische lieben, wie die Griechen, mochte dies p1c_434.006 der Fall seyn. Es gehört aber schlechterdings nicht zum p1c_434.007 Wesen der Kunst. Die Poesie ist die Darstellungp1c_434.008 des Jdealen durch Gedanken und Sprache. Wir haben schon p1c_434.009 oben gezeigt, daß der Dichter gar nicht auf ein Publikum p1c_434.010 Rücksicht zu nehmen braucht. Er ergötzt seinen eignen p1c_434.011 Geist an den Gedanken, und sein eignes Ohr an dem Wohllaut p1c_434.012 der Sprache. Selbst wenn er, wie die ältesten Sänger, p1c_434.013 seine Worte mit Saitenklang begleitet, ist sein Aeußerliches p1c_434.014 indifferent. Denn Poesie und Musik ist die Darstellung p1c_434.015 des Jdealen in der Zeit. Schauspielkunst ist ein zufälliges p1c_434.016 Jngredienz, wodurch zuweilen die Poesie an Würde p1c_434.017 verliehren kann, wenn sie gleich an Eindruck gewinnt. Da p1c_434.018 nun der Dichter selbst als ein unsichtbares Wesen spricht, p1c_434.019 so muß der Deklamator, der seine Person vertritt, sich ebenfalls p1c_434.020 als unsichtbar ansehen. Es ist also selbst dies eine falsche p1c_434.021 Meynung, daß der Deklamator das Gedicht auswendig hersagen p1c_434.022 müsse. Das auswendig Wissen hat seinen Vortheil, p1c_434.023 damit der Lesende das, was noch kommen soll, kenne und p1c_434.024 im Lesen nicht stocke. Jm übrigen aber ist ein Buch in der p1c_434.025 Hand ihm sehr nützlich, weil es ihm gerade die Gränze setzt, p1c_434.026 die ihn von der Mimik trennt, und die er nicht überspringen p1c_434.027 darf.
p1c_434.001 getragen haben sollen. Allein wenn der Deklamator auch p1c_434.002 die Stelle des Dichters vertritt, so kommt es erst darauf p1c_434.003 an, zu bestimmen, ob die Person des Dichters selbst irgend p1c_434.004 einen phantastischen Eindruck machen soll. Bey Nazionen, p1c_434.005 die das Phantastische lieben, wie die Griechen, mochte dies p1c_434.006 der Fall seyn. Es gehört aber schlechterdings nicht zum p1c_434.007 Wesen der Kunst. Die Poesie ist die Darstellungp1c_434.008 des Jdealen durch Gedanken und Sprache. Wir haben schon p1c_434.009 oben gezeigt, daß der Dichter gar nicht auf ein Publikum p1c_434.010 Rücksicht zu nehmen braucht. Er ergötzt seinen eignen p1c_434.011 Geist an den Gedanken, und sein eignes Ohr an dem Wohllaut p1c_434.012 der Sprache. Selbst wenn er, wie die ältesten Sänger, p1c_434.013 seine Worte mit Saitenklang begleitet, ist sein Aeußerliches p1c_434.014 indifferent. Denn Poesie und Musik ist die Darstellung p1c_434.015 des Jdealen in der Zeit. Schauspielkunst ist ein zufälliges p1c_434.016 Jngredienz, wodurch zuweilen die Poesie an Würde p1c_434.017 verliehren kann, wenn sie gleich an Eindruck gewinnt. Da p1c_434.018 nun der Dichter selbst als ein unsichtbares Wesen spricht, p1c_434.019 so muß der Deklamator, der seine Person vertritt, sich ebenfalls p1c_434.020 als unsichtbar ansehen. Es ist also selbst dies eine falsche p1c_434.021 Meynung, daß der Deklamator das Gedicht auswendig hersagen p1c_434.022 müsse. Das auswendig Wissen hat seinen Vortheil, p1c_434.023 damit der Lesende das, was noch kommen soll, kenne und p1c_434.024 im Lesen nicht stocke. Jm übrigen aber ist ein Buch in der p1c_434.025 Hand ihm sehr nützlich, weil es ihm gerade die Gränze setzt, p1c_434.026 die ihn von der Mimik trennt, und die er nicht überspringen p1c_434.027 darf.
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/492>, abgerufen am 23.11.2024.
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