Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_424.001
sinkt es wieder. Die Zeittheile werden sehr proportionirlich p1c_424.002
abgeschnitten. Hier ist gar keine Hauptcäsur anzubringen. p1c_424.003
Es ist auch deswegen schöner, wenn der zweyte Fuß ein p1c_424.004
Spondäus, als wenn er ein Trochäus ist. Jm letzten Fall p1c_424.005
ist hier die Cäsur angenehm. Die Strophe schließt endlich p1c_424.006
mit einem adonischen Verse, welcher einen herrlichen p1c_424.007
Fall giebt: - - . Denn er enthält noch eine Darstellung p1c_424.008
sowohl des daktylischen als des trochäischen Gesetzes, p1c_424.009
die in der Strophe herrschten, und kehrt in den Trochäen p1c_424.010
zurück, mit dem die Evolution begann. Die Deutschen haben p1c_424.011
der sapphischen Strophe diese ruhige Evolution genommen. p1c_424.012
Klopstocks Ode: die todte Clarissa, beginnt so: p1c_424.013
- - - - - . Hier ist offenbar der Daktylus p1c_424.014
für den Anfang zu lebhaft, und die Reihe der Trochäen zu p1c_424.015
lang. Dies wird zwar in den folgenden Versen abgeändert, p1c_424.016
indem der Daktylus im zweyten Vers der zweyte, im dritten p1c_424.017
der dritte Fuß ist, allein durch diese Mannichfaltigkeit p1c_424.018
geht der rhythmische Bau des griechischen Metrums verlohren. p1c_424.019
Doch hat das deutsche Metrum bey weniger Grazie p1c_424.020
eine eigene Weichheit, eine steigende Geschwindigkeit. Sehr p1c_424.021
passend ist es daher z. B. für Hölty's Ode: die Geliebte, p1c_424.022
S. 155. Auch andere Dichter haben es noch gebraucht. p1c_424.023
Die Franzosen haben eine Art sapphisches Metrum, doch p1c_424.024
ohne Prosodie. Sie lassen auf drey eilfsylbige meist jambische p1c_424.025
Verse einen fünfsylbigen folgen, der auch jambisch oder p1c_424.026
anapästisch ist, z. B. Je demeure sans voix. s. de Lille's p1c_424.027
neue Bearbeitung der Boileauschen Uebersetzung von Sapphos p1c_424.028
phainetai moi. Voyage d'Anachars. T. I. p. 338. -

p1c_424.001
sinkt es wieder. Die Zeittheile werden sehr proportionirlich p1c_424.002
abgeschnitten. Hier ist gar keine Hauptcäsur anzubringen. p1c_424.003
Es ist auch deswegen schöner, wenn der zweyte Fuß ein p1c_424.004
Spondäus, als wenn er ein Trochäus ist. Jm letzten Fall p1c_424.005
ist hier die Cäsur angenehm. Die Strophe schließt endlich p1c_424.006
mit einem adonischen Verse, welcher einen herrlichen p1c_424.007
Fall giebt: ─ ⏝ ⏝ ─ ⏝. Denn er enthält noch eine Darstellung p1c_424.008
sowohl des daktylischen als des trochäischen Gesetzes, p1c_424.009
die in der Strophe herrschten, und kehrt in den Trochäen p1c_424.010
zurück, mit dem die Evolution begann. Die Deutschen haben p1c_424.011
der sapphischen Strophe diese ruhige Evolution genommen. p1c_424.012
Klopstocks Ode: die todte Clarissa, beginnt so: p1c_424.013
─ ⏝ ⏝ ─ ⏝ ─ ⏝ ─ ⏝ ─ ⏝. Hier ist offenbar der Daktylus p1c_424.014
für den Anfang zu lebhaft, und die Reihe der Trochäen zu p1c_424.015
lang. Dies wird zwar in den folgenden Versen abgeändert, p1c_424.016
indem der Daktylus im zweyten Vers der zweyte, im dritten p1c_424.017
der dritte Fuß ist, allein durch diese Mannichfaltigkeit p1c_424.018
geht der rhythmische Bau des griechischen Metrums verlohren. p1c_424.019
Doch hat das deutsche Metrum bey weniger Grazie p1c_424.020
eine eigene Weichheit, eine steigende Geschwindigkeit. Sehr p1c_424.021
passend ist es daher z. B. für Hölty's Ode: die Geliebte, p1c_424.022
S. 155. Auch andere Dichter haben es noch gebraucht. p1c_424.023
Die Franzosen haben eine Art sapphisches Metrum, doch p1c_424.024
ohne Prosodie. Sie lassen auf drey eilfsylbige meist jambische p1c_424.025
Verse einen fünfsylbigen folgen, der auch jambisch oder p1c_424.026
anapästisch ist, z. B. Jĕ dĕmeūrĕ săns voix. s. de Lille's p1c_424.027
neue Bearbeitung der Boileauschen Uebersetzung von Sapphos p1c_424.028
φαινεται μοι. Voyage d'Anachars. T. I. p. 338. ─

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0482" n="424"/><lb n="p1c_424.001"/>
sinkt es wieder. Die Zeittheile werden sehr proportionirlich <lb n="p1c_424.002"/>
abgeschnitten. Hier ist gar keine Hauptcäsur anzubringen. <lb n="p1c_424.003"/>
Es ist auch deswegen schöner, wenn der zweyte Fuß ein <lb n="p1c_424.004"/>
Spondäus, als wenn er ein Trochäus ist. Jm letzten Fall <lb n="p1c_424.005"/>
ist hier die Cäsur angenehm. Die Strophe schließt endlich <lb n="p1c_424.006"/>
mit einem <hi rendition="#g">adonischen</hi> Verse, welcher einen herrlichen <lb n="p1c_424.007"/>
Fall giebt: &#x2500; &#x23DD; &#x23DD; &#x2500; &#x23DD;. Denn er enthält noch eine Darstellung <lb n="p1c_424.008"/>
sowohl des daktylischen als des trochäischen Gesetzes, <lb n="p1c_424.009"/>
die in der Strophe herrschten, und kehrt in den Trochäen <lb n="p1c_424.010"/>
zurück, mit dem die Evolution begann. Die Deutschen haben <lb n="p1c_424.011"/>
der sapphischen Strophe diese ruhige Evolution genommen. <lb n="p1c_424.012"/>
Klopstocks Ode: die todte Clarissa, beginnt so: <lb n="p1c_424.013"/>
&#x2500; &#x23DD; &#x23DD; &#x2500; &#x23DD; &#x2500; &#x23DD; &#x2500; &#x23DD; &#x2500; &#x23DD;. Hier ist offenbar der Daktylus <lb n="p1c_424.014"/>
für den Anfang zu lebhaft, und die Reihe der Trochäen zu <lb n="p1c_424.015"/>
lang. Dies wird zwar in den folgenden Versen abgeändert, <lb n="p1c_424.016"/>
indem der Daktylus im zweyten Vers der zweyte, im dritten <lb n="p1c_424.017"/>
der dritte Fuß ist, allein durch diese Mannichfaltigkeit <lb n="p1c_424.018"/>
geht der rhythmische Bau des griechischen Metrums verlohren. <lb n="p1c_424.019"/>
Doch hat das deutsche Metrum bey weniger Grazie <lb n="p1c_424.020"/>
eine eigene Weichheit, eine steigende Geschwindigkeit. Sehr <lb n="p1c_424.021"/>
passend ist es daher z. B. für Hölty's Ode: die Geliebte, <lb n="p1c_424.022"/>
S. 155. Auch andere Dichter haben es noch gebraucht. <lb n="p1c_424.023"/>
Die Franzosen haben eine Art sapphisches Metrum, doch <lb n="p1c_424.024"/>
ohne Prosodie. Sie lassen auf drey eilfsylbige meist jambische <lb n="p1c_424.025"/>
Verse einen fünfsylbigen folgen, der auch jambisch oder <lb n="p1c_424.026"/>
anapästisch ist, z. B. <hi rendition="#aq">J&#x0115; d&#x0115;me&#x016B;r&#x0115; s&#x0103;ns voix</hi>. s. de Lille's <lb n="p1c_424.027"/>
neue Bearbeitung der Boileauschen Uebersetzung von Sapphos <lb n="p1c_424.028"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C6;&#x03B1;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; &#x03BC;&#x03BF;&#x03B9;</foreign>. <hi rendition="#aq">Voyage d'Anachars. T. I. p</hi>. 338. &#x2500;
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[424/0482] p1c_424.001 sinkt es wieder. Die Zeittheile werden sehr proportionirlich p1c_424.002 abgeschnitten. Hier ist gar keine Hauptcäsur anzubringen. p1c_424.003 Es ist auch deswegen schöner, wenn der zweyte Fuß ein p1c_424.004 Spondäus, als wenn er ein Trochäus ist. Jm letzten Fall p1c_424.005 ist hier die Cäsur angenehm. Die Strophe schließt endlich p1c_424.006 mit einem adonischen Verse, welcher einen herrlichen p1c_424.007 Fall giebt: ─ ⏝ ⏝ ─ ⏝. Denn er enthält noch eine Darstellung p1c_424.008 sowohl des daktylischen als des trochäischen Gesetzes, p1c_424.009 die in der Strophe herrschten, und kehrt in den Trochäen p1c_424.010 zurück, mit dem die Evolution begann. Die Deutschen haben p1c_424.011 der sapphischen Strophe diese ruhige Evolution genommen. p1c_424.012 Klopstocks Ode: die todte Clarissa, beginnt so: p1c_424.013 ─ ⏝ ⏝ ─ ⏝ ─ ⏝ ─ ⏝ ─ ⏝. Hier ist offenbar der Daktylus p1c_424.014 für den Anfang zu lebhaft, und die Reihe der Trochäen zu p1c_424.015 lang. Dies wird zwar in den folgenden Versen abgeändert, p1c_424.016 indem der Daktylus im zweyten Vers der zweyte, im dritten p1c_424.017 der dritte Fuß ist, allein durch diese Mannichfaltigkeit p1c_424.018 geht der rhythmische Bau des griechischen Metrums verlohren. p1c_424.019 Doch hat das deutsche Metrum bey weniger Grazie p1c_424.020 eine eigene Weichheit, eine steigende Geschwindigkeit. Sehr p1c_424.021 passend ist es daher z. B. für Hölty's Ode: die Geliebte, p1c_424.022 S. 155. Auch andere Dichter haben es noch gebraucht. p1c_424.023 Die Franzosen haben eine Art sapphisches Metrum, doch p1c_424.024 ohne Prosodie. Sie lassen auf drey eilfsylbige meist jambische p1c_424.025 Verse einen fünfsylbigen folgen, der auch jambisch oder p1c_424.026 anapästisch ist, z. B. Jĕ dĕmeūrĕ săns voix. s. de Lille's p1c_424.027 neue Bearbeitung der Boileauschen Uebersetzung von Sapphos p1c_424.028 φαινεται μοι. Voyage d'Anachars. T. I. p. 338. ─

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/482
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/482>, abgerufen am 23.11.2024.