Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_407.001
. - So wie das Metrum dazu dienen kann, in Jdyllen p1c_407.002
und andern die Natur nachahmenden Gedichten einzelne p1c_407.003
sinnliche Gegenstände auszudrücken, eben so kann es sich p1c_407.004
auch nach der Gemüthsstimmung des Dichters richten, und p1c_407.005
die Empfindung des Dichters überhaupt genommen ist eigentlich p1c_407.006
das, was vorzüglich die Wahl eines Metrums bestimmt. p1c_407.007
Dadurch entsteht die musikalische Bewegung p1c_407.008
des Gedichts, die wir vorzugsweise Harmonie nennen. p1c_407.009
Wenn es Sache der Metrik ist, die einzelnen Metra zu klassificiren p1c_407.010
und zu messen, so kommt es besonders der Poetik p1c_407.011
zu, das Verhältniß der verschiedenen Sylbenmaaße zur p1c_407.012
Empfindung und zu dem, was der Dichter ausdrücken will, p1c_407.013
anzugeben. Wir müssen also hier noch ein paar Worte darüber p1c_407.014
sagen. 1) Der Prosa am nächsten sind die Metra, in p1c_407.015
denen das trochäische Gesetz herrscht, und hierher rechnet p1c_407.016
Hermann mit vollem Recht auch die Jamben. Die rohsten p1c_407.017
Metra bey allen Nazionen haben Spuren davon. Man p1c_407.018
kann den jambischen Gang in Liedern der Bibel entdecken. p1c_407.019
Der alte Saturnische Vers bey den Römern, wie man aus p1c_407.020
der Grabschrift des Nävius sieht, enthält schon das jambische, p1c_407.021
folglich auch das trochäische Gesetz, wiewohl die p1c_407.022
Sprache damals nur durch den Accent ihren Sylben Quantität p1c_407.023
gab. - Jamben und Trochäen passen also für Gedichte, p1c_407.024
welche sich der Sprache des gewöhnlichen Lebens p1c_407.025
mehr nähern. Als Metra dieser Gattung sind vorzüglich p1c_407.026
zu merken: a) der Iambus trimeter oder senarius, der p1c_407.027
zwölfsylbige Jambe. An sich ist dies ein sehr leichtes Metrum. p1c_407.028
Die Alten haben daher für die Tragödien den Spondäen

p1c_407.001
. ─ So wie das Metrum dazu dienen kann, in Jdyllen p1c_407.002
und andern die Natur nachahmenden Gedichten einzelne p1c_407.003
sinnliche Gegenstände auszudrücken, eben so kann es sich p1c_407.004
auch nach der Gemüthsstimmung des Dichters richten, und p1c_407.005
die Empfindung des Dichters überhaupt genommen ist eigentlich p1c_407.006
das, was vorzüglich die Wahl eines Metrums bestimmt. p1c_407.007
Dadurch entsteht die musikalische Bewegung p1c_407.008
des Gedichts, die wir vorzugsweise Harmonie nennen. p1c_407.009
Wenn es Sache der Metrik ist, die einzelnen Metra zu klassificiren p1c_407.010
und zu messen, so kommt es besonders der Poetik p1c_407.011
zu, das Verhältniß der verschiedenen Sylbenmaaße zur p1c_407.012
Empfindung und zu dem, was der Dichter ausdrücken will, p1c_407.013
anzugeben. Wir müssen also hier noch ein paar Worte darüber p1c_407.014
sagen. 1) Der Prosa am nächsten sind die Metra, in p1c_407.015
denen das trochäische Gesetz herrscht, und hierher rechnet p1c_407.016
Hermann mit vollem Recht auch die Jamben. Die rohsten p1c_407.017
Metra bey allen Nazionen haben Spuren davon. Man p1c_407.018
kann den jambischen Gang in Liedern der Bibel entdecken. p1c_407.019
Der alte Saturnische Vers bey den Römern, wie man aus p1c_407.020
der Grabschrift des Nävius sieht, enthält schon das jambische, p1c_407.021
folglich auch das trochäische Gesetz, wiewohl die p1c_407.022
Sprache damals nur durch den Accent ihren Sylben Quantität p1c_407.023
gab. ─ Jamben und Trochäen passen also für Gedichte, p1c_407.024
welche sich der Sprache des gewöhnlichen Lebens p1c_407.025
mehr nähern. Als Metra dieser Gattung sind vorzüglich p1c_407.026
zu merken: a) der Iambus trimeter oder senarius, der p1c_407.027
zwölfsylbige Jambe. An sich ist dies ein sehr leichtes Metrum. p1c_407.028
Die Alten haben daher für die Tragödien den Spondäen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0465" n="407"/><lb n="p1c_407.001"/>
. &#x2500; So wie das Metrum dazu dienen kann, in Jdyllen <lb n="p1c_407.002"/>
und andern die Natur nachahmenden Gedichten einzelne <lb n="p1c_407.003"/>
sinnliche Gegenstände auszudrücken, eben so kann es sich <lb n="p1c_407.004"/>
auch nach der Gemüthsstimmung des Dichters richten, und <lb n="p1c_407.005"/>
die Empfindung des Dichters überhaupt genommen ist eigentlich <lb n="p1c_407.006"/>
das, was vorzüglich die Wahl eines Metrums bestimmt. <lb n="p1c_407.007"/>
Dadurch entsteht die musikalische <hi rendition="#g">Bewegung</hi> <lb n="p1c_407.008"/>
des Gedichts, die wir vorzugsweise <hi rendition="#g">Harmonie</hi> nennen. <lb n="p1c_407.009"/>
Wenn es Sache der Metrik ist, die einzelnen Metra zu klassificiren <lb n="p1c_407.010"/>
und zu messen, so kommt es besonders der Poetik <lb n="p1c_407.011"/>
zu, das Verhältniß der verschiedenen Sylbenmaaße zur <lb n="p1c_407.012"/>
Empfindung und zu dem, was der Dichter ausdrücken will, <lb n="p1c_407.013"/>
anzugeben. Wir müssen also hier noch ein paar Worte darüber <lb n="p1c_407.014"/>
sagen. 1) Der Prosa am nächsten sind die Metra, in <lb n="p1c_407.015"/>
denen das <hi rendition="#g">trochäische</hi> Gesetz herrscht, und hierher rechnet <lb n="p1c_407.016"/>
Hermann mit vollem Recht auch die Jamben. Die rohsten <lb n="p1c_407.017"/>
Metra bey allen Nazionen haben Spuren davon. Man <lb n="p1c_407.018"/>
kann den jambischen Gang in Liedern der Bibel entdecken. <lb n="p1c_407.019"/>
Der alte Saturnische Vers bey den Römern, wie man aus <lb n="p1c_407.020"/>
der Grabschrift des Nävius sieht, enthält schon das jambische, <lb n="p1c_407.021"/>
folglich auch das trochäische Gesetz, wiewohl die <lb n="p1c_407.022"/>
Sprache damals nur durch den Accent ihren Sylben Quantität <lb n="p1c_407.023"/>
gab. &#x2500; Jamben und Trochäen passen also für Gedichte, <lb n="p1c_407.024"/>
welche sich der Sprache des gewöhnlichen Lebens <lb n="p1c_407.025"/>
mehr nähern. Als Metra dieser Gattung sind vorzüglich <lb n="p1c_407.026"/>
zu merken: <hi rendition="#aq">a</hi>) der <hi rendition="#aq">Iambus trimeter</hi> oder <hi rendition="#aq">senarius</hi>, der <lb n="p1c_407.027"/>
zwölfsylbige Jambe. An sich ist dies ein sehr leichtes Metrum.     <lb n="p1c_407.028"/>
Die Alten haben daher für die Tragödien den Spondäen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0465] p1c_407.001 . ─ So wie das Metrum dazu dienen kann, in Jdyllen p1c_407.002 und andern die Natur nachahmenden Gedichten einzelne p1c_407.003 sinnliche Gegenstände auszudrücken, eben so kann es sich p1c_407.004 auch nach der Gemüthsstimmung des Dichters richten, und p1c_407.005 die Empfindung des Dichters überhaupt genommen ist eigentlich p1c_407.006 das, was vorzüglich die Wahl eines Metrums bestimmt. p1c_407.007 Dadurch entsteht die musikalische Bewegung p1c_407.008 des Gedichts, die wir vorzugsweise Harmonie nennen. p1c_407.009 Wenn es Sache der Metrik ist, die einzelnen Metra zu klassificiren p1c_407.010 und zu messen, so kommt es besonders der Poetik p1c_407.011 zu, das Verhältniß der verschiedenen Sylbenmaaße zur p1c_407.012 Empfindung und zu dem, was der Dichter ausdrücken will, p1c_407.013 anzugeben. Wir müssen also hier noch ein paar Worte darüber p1c_407.014 sagen. 1) Der Prosa am nächsten sind die Metra, in p1c_407.015 denen das trochäische Gesetz herrscht, und hierher rechnet p1c_407.016 Hermann mit vollem Recht auch die Jamben. Die rohsten p1c_407.017 Metra bey allen Nazionen haben Spuren davon. Man p1c_407.018 kann den jambischen Gang in Liedern der Bibel entdecken. p1c_407.019 Der alte Saturnische Vers bey den Römern, wie man aus p1c_407.020 der Grabschrift des Nävius sieht, enthält schon das jambische, p1c_407.021 folglich auch das trochäische Gesetz, wiewohl die p1c_407.022 Sprache damals nur durch den Accent ihren Sylben Quantität p1c_407.023 gab. ─ Jamben und Trochäen passen also für Gedichte, p1c_407.024 welche sich der Sprache des gewöhnlichen Lebens p1c_407.025 mehr nähern. Als Metra dieser Gattung sind vorzüglich p1c_407.026 zu merken: a) der Iambus trimeter oder senarius, der p1c_407.027 zwölfsylbige Jambe. An sich ist dies ein sehr leichtes Metrum. p1c_407.028 Die Alten haben daher für die Tragödien den Spondäen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/465
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/465>, abgerufen am 27.11.2024.