Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_404.001
Größe seyn. Es kann mehr oder weniger Lebendigkeit, p1c_404.002
Kürze, Ernst in dem Gang eines rhythmischen Perioden herrschen. p1c_404.003
Hierzu braucht man noch kein absolnt gleiches p1c_404.004
Maaß
oder Metrum, um das zu unterscheiden. Der p1c_404.005
Gang eines rhythmischen Perioden wird nun die Gemüthsstimmung p1c_404.006
des Dichters, auch ohne Rücksicht auf das Metrum, p1c_404.007
blos nach der Wortstellung schon ausdrücken. Z. B. p1c_404.008
Il. m. 460 seqq. die kurzen Sätze bey der Beschreibung, wie p1c_404.009
Hektor das Thor stürmt, erregen eine ängstliche Empfindung.

p1c_404.010
Anmerk. 2. Der Klang der Worte ist unsern Empfindungen p1c_404.011
angemessen. Das Wort Trauer drückt schon p1c_404.012
durch den Klang eben so wohl als Wonne die Bedeutung p1c_404.013
aus, die es in Beziehung auf das Gefühl hat. Das tiefe p1c_404.014
u, in das sich der Diphthong auflöst, das Tr sagt eben so p1c_404.015
gut den Sinn, wie das W, die fließenden n und das musikalische p1c_404.016
o im andern Worte. Diese Harmonie des p1c_404.017
Klangs mit unsern Empfindungen ist von dem oben erwähnten p1c_404.018
Tonausdruck, wodurch blos Gegenstände außer uns p1c_404.019
nachgeahmt werden, zu unterscheiden. - Was den Reim p1c_404.020
betrifft, so erregt er zwar schon die Jdee von einer Art Harmonie p1c_404.021
oder Einheit in der Tonverschiedenheit durch das p1c_404.022
Wiederkehren der Schallähnlichkeit. - Jndessen die Harmonie, p1c_404.023
im Sinne unsers §, erreicht er nur dann, wenn p1c_404.024
der Klang, den er besonders accentuirt, für das Gefühl paßt.

p1c_404.025
Anmerk. 3. Das Metrum ist bisher nur an sich p1c_404.026
betrachtet worden, als eine Gleichheit des Taktes. Der

p1c_404.001
Größe seyn. Es kann mehr oder weniger Lebendigkeit, p1c_404.002
Kürze, Ernst in dem Gang eines rhythmischen Perioden herrschen. p1c_404.003
Hierzu braucht man noch kein absolnt gleiches p1c_404.004
Maaß
oder Metrum, um das zu unterscheiden. Der p1c_404.005
Gang eines rhythmischen Perioden wird nun die Gemüthsstimmung p1c_404.006
des Dichters, auch ohne Rücksicht auf das Metrum, p1c_404.007
blos nach der Wortstellung schon ausdrücken. Z. B. p1c_404.008
Il. μ. 460 seqq. die kurzen Sätze bey der Beschreibung, wie p1c_404.009
Hektor das Thor stürmt, erregen eine ängstliche Empfindung.

p1c_404.010
Anmerk. 2. Der Klang der Worte ist unsern Empfindungen p1c_404.011
angemessen. Das Wort Trauer drückt schon p1c_404.012
durch den Klang eben so wohl als Wonne die Bedeutung p1c_404.013
aus, die es in Beziehung auf das Gefühl hat. Das tiefe p1c_404.014
u, in das sich der Diphthong auflöst, das Tr sagt eben so p1c_404.015
gut den Sinn, wie das W, die fließenden n und das musikalische p1c_404.016
o im andern Worte. Diese Harmonie des p1c_404.017
Klangs mit unsern Empfindungen ist von dem oben erwähnten p1c_404.018
Tonausdruck, wodurch blos Gegenstände außer uns p1c_404.019
nachgeahmt werden, zu unterscheiden. ─ Was den Reim p1c_404.020
betrifft, so erregt er zwar schon die Jdee von einer Art Harmonie p1c_404.021
oder Einheit in der Tonverschiedenheit durch das p1c_404.022
Wiederkehren der Schallähnlichkeit. ─ Jndessen die Harmonie, p1c_404.023
im Sinne unsers §, erreicht er nur dann, wenn p1c_404.024
der Klang, den er besonders accentuirt, für das Gefühl paßt.

p1c_404.025
Anmerk. 3. Das Metrum ist bisher nur an sich p1c_404.026
betrachtet worden, als eine Gleichheit des Taktes. Der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0462" n="404"/><lb n="p1c_404.001"/>
Größe seyn. Es kann mehr oder weniger Lebendigkeit, <lb n="p1c_404.002"/>
Kürze, Ernst in dem Gang eines rhythmischen Perioden herrschen. <lb n="p1c_404.003"/>
Hierzu braucht man noch kein absolnt <hi rendition="#g">gleiches <lb n="p1c_404.004"/>
Maaß</hi> oder Metrum, um das zu unterscheiden. Der <lb n="p1c_404.005"/>
Gang eines rhythmischen Perioden wird nun die Gemüthsstimmung <lb n="p1c_404.006"/>
des Dichters, auch ohne Rücksicht auf das Metrum, <lb n="p1c_404.007"/>
blos nach der Wortstellung schon ausdrücken. Z. B. <lb n="p1c_404.008"/> <hi rendition="#aq">Il. <foreign xml:lang="grc">&#x03BC;</foreign>. 460 seqq</hi>. die kurzen Sätze bey der Beschreibung, wie <lb n="p1c_404.009"/>
Hektor das Thor stürmt, erregen eine ängstliche Empfindung.</p>
          <p><lb n="p1c_404.010"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 2. Der Klang der Worte ist unsern Empfindungen <lb n="p1c_404.011"/>
angemessen. Das Wort <hi rendition="#g">Trauer</hi> drückt schon <lb n="p1c_404.012"/>
durch den Klang eben so wohl als <hi rendition="#g">Wonne</hi> die Bedeutung <lb n="p1c_404.013"/>
aus, die es in Beziehung auf das Gefühl hat. Das tiefe <lb n="p1c_404.014"/> <hi rendition="#aq">u</hi>, in das sich der Diphthong auflöst, das <hi rendition="#aq">Tr</hi> sagt eben so <lb n="p1c_404.015"/>
gut den Sinn, wie das <hi rendition="#aq">W</hi>, die fließenden <hi rendition="#aq">n</hi> und das musikalische <lb n="p1c_404.016"/> <hi rendition="#aq">o</hi> im andern Worte. Diese <hi rendition="#g">Harmonie</hi> des <lb n="p1c_404.017"/>
Klangs mit unsern Empfindungen ist von dem oben erwähnten <lb n="p1c_404.018"/>
Tonausdruck, wodurch blos Gegenstände außer uns <lb n="p1c_404.019"/>
nachgeahmt werden, zu unterscheiden. &#x2500; Was den Reim <lb n="p1c_404.020"/>
betrifft, so erregt er zwar schon die Jdee von einer Art <hi rendition="#g">Harmonie</hi> <lb n="p1c_404.021"/>
oder Einheit in der Tonverschiedenheit durch das <lb n="p1c_404.022"/>
Wiederkehren der Schallähnlichkeit. &#x2500; Jndessen die <hi rendition="#g">Harmonie,</hi> <lb n="p1c_404.023"/>
im Sinne unsers §, erreicht er nur dann, wenn <lb n="p1c_404.024"/>
der Klang, den er besonders accentuirt, für das Gefühl paßt.</p>
          <p><lb n="p1c_404.025"/><hi rendition="#g">Anmerk.</hi> 3. Das <hi rendition="#g">Metrum</hi> ist bisher nur an sich <lb n="p1c_404.026"/>
betrachtet worden, als eine Gleichheit des Taktes. Der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[404/0462] p1c_404.001 Größe seyn. Es kann mehr oder weniger Lebendigkeit, p1c_404.002 Kürze, Ernst in dem Gang eines rhythmischen Perioden herrschen. p1c_404.003 Hierzu braucht man noch kein absolnt gleiches p1c_404.004 Maaß oder Metrum, um das zu unterscheiden. Der p1c_404.005 Gang eines rhythmischen Perioden wird nun die Gemüthsstimmung p1c_404.006 des Dichters, auch ohne Rücksicht auf das Metrum, p1c_404.007 blos nach der Wortstellung schon ausdrücken. Z. B. p1c_404.008 Il. μ. 460 seqq. die kurzen Sätze bey der Beschreibung, wie p1c_404.009 Hektor das Thor stürmt, erregen eine ängstliche Empfindung. p1c_404.010 Anmerk. 2. Der Klang der Worte ist unsern Empfindungen p1c_404.011 angemessen. Das Wort Trauer drückt schon p1c_404.012 durch den Klang eben so wohl als Wonne die Bedeutung p1c_404.013 aus, die es in Beziehung auf das Gefühl hat. Das tiefe p1c_404.014 u, in das sich der Diphthong auflöst, das Tr sagt eben so p1c_404.015 gut den Sinn, wie das W, die fließenden n und das musikalische p1c_404.016 o im andern Worte. Diese Harmonie des p1c_404.017 Klangs mit unsern Empfindungen ist von dem oben erwähnten p1c_404.018 Tonausdruck, wodurch blos Gegenstände außer uns p1c_404.019 nachgeahmt werden, zu unterscheiden. ─ Was den Reim p1c_404.020 betrifft, so erregt er zwar schon die Jdee von einer Art Harmonie p1c_404.021 oder Einheit in der Tonverschiedenheit durch das p1c_404.022 Wiederkehren der Schallähnlichkeit. ─ Jndessen die Harmonie, p1c_404.023 im Sinne unsers §, erreicht er nur dann, wenn p1c_404.024 der Klang, den er besonders accentuirt, für das Gefühl paßt. p1c_404.025 Anmerk. 3. Das Metrum ist bisher nur an sich p1c_404.026 betrachtet worden, als eine Gleichheit des Taktes. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/462
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/462>, abgerufen am 23.11.2024.