p1c_378.003 Anmerk. 1. Der Rhythmus, wie wir gesehen p1c_378.004 haben, erweckt nur die Jdee von zweckmäßiger Bewegung p1c_378.005 in einer proportionirlichen Eintheilung der Zeit nach irrationalen p1c_378.006 Verhältnissen. Hiermit ist aber die Jdee eines Ganzenp1c_378.007 noch nicht gegeben. Diese kann begrifflos nicht p1c_378.008 anders dargestellt werden, als wenn ein bestimmtes Maaß p1c_378.009 die Zeit in gleiche Theile theilt, welches Maaß zwar als p1c_378.010 herrschend erscheint, weil es immer wiederkehrt, aber immer p1c_378.011 wieder durch den unendlichen Rhythmus aufgehoben p1c_378.012 wird. Dies Maaß ist in der Musik der Takt und in der p1c_378.013 Dichtkunst das Metrum. Beyde erwecken das Gefühl der p1c_378.014 Vollständigkeit und Allheit. Denn wenn man anfängt p1c_378.015 etwas nach einem bestimmten Maaß zu messen, so setzt man p1c_378.016 voraus, daß es durch irgend eine Zahl dieses Maaßes gefaßt p1c_378.017 werden könne. Die Gleichheit der Zeittheile ist an p1c_378.018 sich eine ganz willkührliche Annahme. Es giebt keine absolutenp1c_378.019 Kürzen, weil die Zeit ein Continuum ist, das sich p1c_378.020 ins Unendliche theilen läßt. Da es in der Zeit also keine p1c_378.021 Einheit giebt, sondern immer kleinere Theile möglich sind, p1c_378.022 so entsteht die Jdee von Länge und Kürze nur durch ein Verhältniß, p1c_378.023 relativ. Der Musiker bestimmt seine Vierthel p1c_378.024 willkührlich, und hieraus ergeben sich seine Sechzehntheile p1c_378.025 u. s. w. Ein Aehnliches findet statt bey dem Metrum in p1c_378.026 der Sprache. Es wird willkührlich ein gewisses Maaß der p1c_378.027 Sylbe als Kürze angenommen. Das doppelte Maaß
p1c_378.003 Anmerk. 1. Der Rhythmus, wie wir gesehen p1c_378.004 haben, erweckt nur die Jdee von zweckmäßiger Bewegung p1c_378.005 in einer proportionirlichen Eintheilung der Zeit nach irrationalen p1c_378.006 Verhältnissen. Hiermit ist aber die Jdee eines Ganzenp1c_378.007 noch nicht gegeben. Diese kann begrifflos nicht p1c_378.008 anders dargestellt werden, als wenn ein bestimmtes Maaß p1c_378.009 die Zeit in gleiche Theile theilt, welches Maaß zwar als p1c_378.010 herrschend erscheint, weil es immer wiederkehrt, aber immer p1c_378.011 wieder durch den unendlichen Rhythmus aufgehoben p1c_378.012 wird. Dies Maaß ist in der Musik der Takt und in der p1c_378.013 Dichtkunst das Metrum. Beyde erwecken das Gefühl der p1c_378.014 Vollständigkeit und Allheit. Denn wenn man anfängt p1c_378.015 etwas nach einem bestimmten Maaß zu messen, so setzt man p1c_378.016 voraus, daß es durch irgend eine Zahl dieses Maaßes gefaßt p1c_378.017 werden könne. Die Gleichheit der Zeittheile ist an p1c_378.018 sich eine ganz willkührliche Annahme. Es giebt keine absolutenp1c_378.019 Kürzen, weil die Zeit ein Continuum ist, das sich p1c_378.020 ins Unendliche theilen läßt. Da es in der Zeit also keine p1c_378.021 Einheit giebt, sondern immer kleinere Theile möglich sind, p1c_378.022 so entsteht die Jdee von Länge und Kürze nur durch ein Verhältniß, p1c_378.023 relativ. Der Musiker bestimmt seine Vierthel p1c_378.024 willkührlich, und hieraus ergeben sich seine Sechzehntheile p1c_378.025 u. s. w. Ein Aehnliches findet statt bey dem Metrum in p1c_378.026 der Sprache. Es wird willkührlich ein gewisses Maaß der p1c_378.027 Sylbe als Kürze angenommen. Das doppelte Maaß
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0436"n="378"/><lbn="p1c_378.001"/>
Ordnung wiederkehrendes Sylbenmaaß ausgedrückt.</p><lbn="p1c_378.002"/><p><lbn="p1c_378.003"/><hirendition="#g">Anmerk.</hi> 1. Der <hirendition="#g">Rhythmus,</hi> wie wir gesehen <lbn="p1c_378.004"/>
haben, erweckt nur die Jdee von zweckmäßiger Bewegung <lbn="p1c_378.005"/>
in einer proportionirlichen Eintheilung der Zeit nach irrationalen <lbn="p1c_378.006"/>
Verhältnissen. Hiermit ist aber die Jdee eines <hirendition="#g">Ganzen</hi><lbn="p1c_378.007"/>
noch nicht gegeben. Diese kann <hirendition="#g">begrifflos</hi> nicht <lbn="p1c_378.008"/>
anders dargestellt werden, als wenn ein bestimmtes Maaß <lbn="p1c_378.009"/>
die Zeit in gleiche Theile theilt, welches Maaß zwar als <lbn="p1c_378.010"/>
herrschend erscheint, weil es immer wiederkehrt, aber immer <lbn="p1c_378.011"/>
wieder durch den unendlichen Rhythmus aufgehoben <lbn="p1c_378.012"/>
wird. Dies Maaß ist in der Musik der <hirendition="#g">Takt</hi> und in der <lbn="p1c_378.013"/>
Dichtkunst das <hirendition="#g">Metrum.</hi> Beyde erwecken das Gefühl der <lbn="p1c_378.014"/>
Vollständigkeit und Allheit. Denn wenn man anfängt <lbn="p1c_378.015"/>
etwas nach einem bestimmten Maaß zu messen, so setzt man <lbn="p1c_378.016"/>
voraus, daß es durch irgend eine Zahl dieses Maaßes gefaßt <lbn="p1c_378.017"/>
werden könne. Die <hirendition="#g">Gleichheit</hi> der Zeittheile ist an <lbn="p1c_378.018"/>
sich eine ganz willkührliche Annahme. Es giebt keine <hirendition="#g">absoluten</hi><lbn="p1c_378.019"/>
Kürzen, weil die Zeit ein Continuum ist, das sich <lbn="p1c_378.020"/>
ins Unendliche theilen läßt. Da es in der Zeit also keine <lbn="p1c_378.021"/>
Einheit giebt, sondern immer kleinere Theile möglich sind, <lbn="p1c_378.022"/>
so entsteht die Jdee von Länge und Kürze nur durch ein Verhältniß, <lbn="p1c_378.023"/>
relativ. Der Musiker bestimmt seine Vierthel <lbn="p1c_378.024"/>
willkührlich, und hieraus ergeben sich seine Sechzehntheile <lbn="p1c_378.025"/>
u. s. w. Ein Aehnliches findet statt bey dem Metrum in <lbn="p1c_378.026"/>
der Sprache. Es wird willkührlich ein gewisses Maaß der <lbn="p1c_378.027"/>
Sylbe als <hirendition="#g">Kürze</hi> angenommen. Das doppelte Maaß
</p></div></div></body></text></TEI>
[378/0436]
p1c_378.001
Ordnung wiederkehrendes Sylbenmaaß ausgedrückt.
p1c_378.002
p1c_378.003
Anmerk. 1. Der Rhythmus, wie wir gesehen p1c_378.004
haben, erweckt nur die Jdee von zweckmäßiger Bewegung p1c_378.005
in einer proportionirlichen Eintheilung der Zeit nach irrationalen p1c_378.006
Verhältnissen. Hiermit ist aber die Jdee eines Ganzen p1c_378.007
noch nicht gegeben. Diese kann begrifflos nicht p1c_378.008
anders dargestellt werden, als wenn ein bestimmtes Maaß p1c_378.009
die Zeit in gleiche Theile theilt, welches Maaß zwar als p1c_378.010
herrschend erscheint, weil es immer wiederkehrt, aber immer p1c_378.011
wieder durch den unendlichen Rhythmus aufgehoben p1c_378.012
wird. Dies Maaß ist in der Musik der Takt und in der p1c_378.013
Dichtkunst das Metrum. Beyde erwecken das Gefühl der p1c_378.014
Vollständigkeit und Allheit. Denn wenn man anfängt p1c_378.015
etwas nach einem bestimmten Maaß zu messen, so setzt man p1c_378.016
voraus, daß es durch irgend eine Zahl dieses Maaßes gefaßt p1c_378.017
werden könne. Die Gleichheit der Zeittheile ist an p1c_378.018
sich eine ganz willkührliche Annahme. Es giebt keine absoluten p1c_378.019
Kürzen, weil die Zeit ein Continuum ist, das sich p1c_378.020
ins Unendliche theilen läßt. Da es in der Zeit also keine p1c_378.021
Einheit giebt, sondern immer kleinere Theile möglich sind, p1c_378.022
so entsteht die Jdee von Länge und Kürze nur durch ein Verhältniß, p1c_378.023
relativ. Der Musiker bestimmt seine Vierthel p1c_378.024
willkührlich, und hieraus ergeben sich seine Sechzehntheile p1c_378.025
u. s. w. Ein Aehnliches findet statt bey dem Metrum in p1c_378.026
der Sprache. Es wird willkührlich ein gewisses Maaß der p1c_378.027
Sylbe als Kürze angenommen. Das doppelte Maaß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/436>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.