p1c_329.001 laut werden zu lassen. Aber die Dichtkunst drückt auf jede p1c_329.002 Sprachwendung für einen Fall der höchsten Empfindung den p1c_329.003 Stempel der Nothwendigkeit. Man nehme die Stelle im p1c_329.004 Homer, wo des Patroklus Tod angekündigt wird: Keitai p1c_329.005 Patroklos, nekuos de de amphimakhontai, gumnou, atar p1c_329.006 ta ge teukhe' ekhei koruthaiolos Ektor - ein aggelos p1c_329.007 in der wirklichen Welt, der die Nachricht ohne Empfindung p1c_329.008 überbrächte, würde blos prosaisch die Sache zu erkennen geben, p1c_329.009 und folglich eben so gut sagen können: Petroclus ist p1c_329.010 gefallen. Aber in der idealischen Welt des Dichters bestimmt p1c_329.011 die Eile des Boten, die Stärke der Empfindung, die p1c_329.012 er mittheilen will, mit der er, ohne es zu wollen, den p1c_329.013 Achill gleichsam niederschmettert, die Wendung anders. p1c_329.014 Antilochus möchte gern alles in ein Wort zusammenfassen, p1c_329.015 er wird also nothwendig den Hauptgedanken zuerst setzen, p1c_329.016 keitai, denn das ist hier der Hauptbegriff, nicht Patroclus, p1c_329.017 weil von Patroclus sich auch noch mehr sagen ließe. Jtzt p1c_329.018 erinnert sich der Sprechende erst, daß sein Wort noch unbestimmt p1c_329.019 lasse, wer liege, also fügt er hinzu: Patroclus.p1c_329.020 Ferner steht keitai im Hexameter gerade auf dem Jktus, p1c_329.021 der die ganze Sylbenreihe bestimmt. Auch dadurch wird p1c_329.022 die Wortstellung nothwendig. Die Stellung der folgenden p1c_329.023 Worte ist eben so genau bestimmt. nekuos giebt einen p1c_329.024 schnellen und leichten Uebergang, indem es eine Wiederholung p1c_329.025 von dem keitai enthält. Es ist aber auch nothwendig p1c_329.026 als der Hauptbegriff des folgenden, und steht deswegen auch p1c_329.027 wieder zuerst. Denn Achill kann, sobald er den Tod seines p1c_329.028 Freundes weiß, vermöge der Denkungsart der Griechen,
p1c_329.001 laut werden zu lassen. Aber die Dichtkunst drückt auf jede p1c_329.002 Sprachwendung für einen Fall der höchsten Empfindung den p1c_329.003 Stempel der Nothwendigkeit. Man nehme die Stelle im p1c_329.004 Homer, wo des Patroklus Tod angekündigt wird: Κειται p1c_329.005 Πατροκλος, νεκυος δε δη ἀμφιμαχονται, γυμνου, ἀταρ p1c_329.006 τα γε τευχε' ἐχει κορυθαιολος Ἑκτωρ ─ ein ἀγγελος p1c_329.007 in der wirklichen Welt, der die Nachricht ohne Empfindung p1c_329.008 überbrächte, würde blos prosaisch die Sache zu erkennen geben, p1c_329.009 und folglich eben so gut sagen können: Petroclus ist p1c_329.010 gefallen. Aber in der idealischen Welt des Dichters bestimmt p1c_329.011 die Eile des Boten, die Stärke der Empfindung, die p1c_329.012 er mittheilen will, mit der er, ohne es zu wollen, den p1c_329.013 Achill gleichsam niederschmettert, die Wendung anders. p1c_329.014 Antilochus möchte gern alles in ein Wort zusammenfassen, p1c_329.015 er wird also nothwendig den Hauptgedanken zuerst setzen, p1c_329.016 κειται, denn das ist hier der Hauptbegriff, nicht Patroclus, p1c_329.017 weil von Patroclus sich auch noch mehr sagen ließe. Jtzt p1c_329.018 erinnert sich der Sprechende erst, daß sein Wort noch unbestimmt p1c_329.019 lasse, wer liege, also fügt er hinzu: Patroclus.p1c_329.020 Ferner steht κειται im Hexameter gerade auf dem Jktus, p1c_329.021 der die ganze Sylbenreihe bestimmt. Auch dadurch wird p1c_329.022 die Wortstellung nothwendig. Die Stellung der folgenden p1c_329.023 Worte ist eben so genau bestimmt. νεκυος giebt einen p1c_329.024 schnellen und leichten Uebergang, indem es eine Wiederholung p1c_329.025 von dem κειται enthält. Es ist aber auch nothwendig p1c_329.026 als der Hauptbegriff des folgenden, und steht deswegen auch p1c_329.027 wieder zuerst. Denn Achill kann, sobald er den Tod seines p1c_329.028 Freundes weiß, vermöge der Denkungsart der Griechen,
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/387>, abgerufen am 09.11.2024.
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