p1c_320.001 und lebhaft, mithin neu und ungewöhnlich, und im Einzelnen p1c_320.002 anschaulich seyn soll, wodurch oft die Verständlichkeit p1c_320.003 und die Uebersicht des Ganzen leidet. Der Dichter muß also p1c_320.004 1) die Amphibolien oder den Doppelsinn vermeiden. p1c_320.005 Quinctilian sagt: Amphiboliae species sunt innumerabiles, p1c_320.006 genera admodum pauca. Aut enim vocibus p1c_320.007 accidit singulis, aut coniunctis. Die einzelnen p1c_320.008 Worte geben Doppelsinn durch die omonumia. Freylich muß p1c_320.009 der Zusammenhang viel bestimmen, und es wird nicht leicht p1c_320.010 einer den Tod, wenn er vom Dichter Freund Hain genannt p1c_320.011 wird, mit dem Haine verwechseln, weil er dann einen p1c_320.012 ähnlich lautenden Namen erhält. Zuweilen machen mehrere p1c_320.013 Worte neben einander gestellt einen Doppelsinn, z. B. in p1c_320.014 genua, arma mentum, wenn der Vorleser sie zusammenzieht. p1c_320.015 Auch dies muß der Dichter zu vermeiden suchen, wo p1c_320.016 etwas darauf ankommen kann. Umgekehrt kann auch der p1c_320.017 Vorleser ein zusammengesetztes Wort getrennt lesen, und p1c_320.018 auch hieraus kann Amphibolie entstehen, welches der Dichter p1c_320.019 bey Zusammensetzung neuer Worte berücksichtigen muß. p1c_320.020 Der hauptsächlichste Doppelsinn kann durch die casus geschehen p1c_320.021 bey der Construction. Hierher gehört der bekannte p1c_320.022 wohl mit Fleiß so gestellte Vers des Orakels: Aio te, p1c_320.023 Aeacida, Romanos vincere posse. Beym Klopstock findet p1c_320.024 man eine ähnliche bekannte Amphibolie: "Hallers Doris, p1c_320.025 sie sang selber des Liedes werth, Hirzels Dafne, den Kleist p1c_320.026 zärtlich, wie Gleimen liebt." - Für den, der Hallers p1c_320.027 Gedichte kennt, ist die Amphibolie leicht zu lösen. Auch p1c_320.028 war der Periode nicht gut anders zu wenden. Aber die
p1c_320.001 und lebhaft, mithin neu und ungewöhnlich, und im Einzelnen p1c_320.002 anschaulich seyn soll, wodurch oft die Verständlichkeit p1c_320.003 und die Uebersicht des Ganzen leidet. Der Dichter muß also p1c_320.004 1) die Amphibolien oder den Doppelsinn vermeiden. p1c_320.005 Quinctilian sagt: Amphiboliae species sunt innumerabiles, p1c_320.006 genera admodum pauca. Aut enim vocibus p1c_320.007 accidit singulis, aut coniunctis. Die einzelnen p1c_320.008 Worte geben Doppelsinn durch die ὁμωνυμια. Freylich muß p1c_320.009 der Zusammenhang viel bestimmen, und es wird nicht leicht p1c_320.010 einer den Tod, wenn er vom Dichter Freund Hain genannt p1c_320.011 wird, mit dem Haine verwechseln, weil er dann einen p1c_320.012 ähnlich lautenden Namen erhält. Zuweilen machen mehrere p1c_320.013 Worte neben einander gestellt einen Doppelsinn, z. B. in p1c_320.014 genua, arma mentum, wenn der Vorleser sie zusammenzieht. p1c_320.015 Auch dies muß der Dichter zu vermeiden suchen, wo p1c_320.016 etwas darauf ankommen kann. Umgekehrt kann auch der p1c_320.017 Vorleser ein zusammengesetztes Wort getrennt lesen, und p1c_320.018 auch hieraus kann Amphibolie entstehen, welches der Dichter p1c_320.019 bey Zusammensetzung neuer Worte berücksichtigen muß. p1c_320.020 Der hauptsächlichste Doppelsinn kann durch die casus geschehen p1c_320.021 bey der Construction. Hierher gehört der bekannte p1c_320.022 wohl mit Fleiß so gestellte Vers des Orakels: Aio te, p1c_320.023 Aeacida, Romanos vincere posse. Beym Klopstock findet p1c_320.024 man eine ähnliche bekannte Amphibolie: „Hallers Doris, p1c_320.025 sie sang selber des Liedes werth, Hirzels Dafne, den Kleist p1c_320.026 zärtlich, wie Gleimen liebt.“ ─ Für den, der Hallers p1c_320.027 Gedichte kennt, ist die Amphibolie leicht zu lösen. Auch p1c_320.028 war der Periode nicht gut anders zu wenden. Aber die
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und lebhaft, mithin neu und ungewöhnlich, und im Einzelnen p1c_320.002
anschaulich seyn soll, wodurch oft die Verständlichkeit p1c_320.003
und die Uebersicht des Ganzen leidet. Der Dichter muß also p1c_320.004
1) die Amphibolien oder den Doppelsinn vermeiden. p1c_320.005
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wird, mit dem Haine verwechseln, weil er dann einen p1c_320.012
ähnlich lautenden Namen erhält. Zuweilen machen mehrere p1c_320.013
Worte neben einander gestellt einen Doppelsinn, z. B. in p1c_320.014
genua, arma mentum, wenn der Vorleser sie zusammenzieht. p1c_320.015
Auch dies muß der Dichter zu vermeiden suchen, wo p1c_320.016
etwas darauf ankommen kann. Umgekehrt kann auch der p1c_320.017
Vorleser ein zusammengesetztes Wort getrennt lesen, und p1c_320.018
auch hieraus kann Amphibolie entstehen, welches der Dichter p1c_320.019
bey Zusammensetzung neuer Worte berücksichtigen muß. p1c_320.020
Der hauptsächlichste Doppelsinn kann durch die casus geschehen p1c_320.021
bey der Construction. Hierher gehört der bekannte p1c_320.022
wohl mit Fleiß so gestellte Vers des Orakels: Aio te, p1c_320.023
Aeacida, Romanos vincere posse. Beym Klopstock findet p1c_320.024
man eine ähnliche bekannte Amphibolie: „Hallers Doris, p1c_320.025
sie sang selber des Liedes werth, Hirzels Dafne, den Kleist p1c_320.026
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/378>, abgerufen am 23.11.2024.
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