p1c_313.001 beurtheilt wird. - Etwas anders ist von der eigentlichen p1c_313.002 Allegorie als Dichtungsart zu sagen, welche, wie p1c_313.003 wir an einem andern Orte beweisen werden, bey aller Jndividualität p1c_313.004 nicht ohne Deutung seyn kann. - Uebrigens p1c_313.005 zeigt selbst die irrige Sucht zu allegorisiren, daß von je her p1c_313.006 die Wahrheit gefühlt worden ist, das Schöne sey ein p1c_313.007 Symbol von etwas Höherem. Jndem alle Poesiep1c_313.008 eigentlich Allegorie ist, so ist auch Allegorie die älteste p1c_313.009 und zugleich die neuste Dichtungsart. Der unkultivirte p1c_313.010 Mensch allegorisirt ohne es zu wissen, ohne es zu wollen. p1c_313.011 Seine Sprache ist sinnlich. Seine Jdeen sind Ahnungen p1c_313.012 von etwas Unsinnlichen. Er denkt sich also sinnliche Gegenstände p1c_313.013 und fühlt darinnen das Höhere, ohne sich der Beziehung p1c_313.014 deutlich bewußt zu seyn. Je mehr die Jntelligenz an p1c_313.015 Selbstbewußtseyn zunimmt bey steigender Kultur, desto näher p1c_313.016 wird die Beziehung des Schönen auf das, was man p1c_313.017 weiß, bestimmt, und man sucht ein höheres Schöne auf, p1c_313.018 welches dem Grade des Wissens correspondire und genugthue. p1c_313.019 Zu der allegorischen Diktion kann man auch die p1c_313.020 Zweydeutigkeiten rechnen, welche aber nur beym p1c_313.021 Scherzhaften und Witzigen Statt finden können. p1c_313.022 Der sinnliche Mensch liebt sie wegen des Lebensreitzes, den p1c_313.023 sie erwecken, und so können sie selbst zur Lebendigkeit der p1c_313.024 Phantasie beytragen. Die Zweydeutigkeiten können auch p1c_313.025 einen muntern Verstand als witzige Aehnlichkeiten belustigen. p1c_313.026 Aber von der Kunst werden sie nur ungern und höchstens p1c_313.027 beym Scherzhaften niedrer Art geduldet werden können. p1c_313.028 Die nackte Darstellung des Jnstinkts, wenn sie nicht
p1c_313.001 beurtheilt wird. ─ Etwas anders ist von der eigentlichen p1c_313.002 Allegorie als Dichtungsart zu sagen, welche, wie p1c_313.003 wir an einem andern Orte beweisen werden, bey aller Jndividualität p1c_313.004 nicht ohne Deutung seyn kann. ─ Uebrigens p1c_313.005 zeigt selbst die irrige Sucht zu allegorisiren, daß von je her p1c_313.006 die Wahrheit gefühlt worden ist, das Schöne sey ein p1c_313.007 Symbol von etwas Höherem. Jndem alle Poesiep1c_313.008 eigentlich Allegorie ist, so ist auch Allegorie die älteste p1c_313.009 und zugleich die neuste Dichtungsart. Der unkultivirte p1c_313.010 Mensch allegorisirt ohne es zu wissen, ohne es zu wollen. p1c_313.011 Seine Sprache ist sinnlich. Seine Jdeen sind Ahnungen p1c_313.012 von etwas Unsinnlichen. Er denkt sich also sinnliche Gegenstände p1c_313.013 und fühlt darinnen das Höhere, ohne sich der Beziehung p1c_313.014 deutlich bewußt zu seyn. Je mehr die Jntelligenz an p1c_313.015 Selbstbewußtseyn zunimmt bey steigender Kultur, desto näher p1c_313.016 wird die Beziehung des Schönen auf das, was man p1c_313.017 weiß, bestimmt, und man sucht ein höheres Schöne auf, p1c_313.018 welches dem Grade des Wissens correspondire und genugthue. p1c_313.019 Zu der allegorischen Diktion kann man auch die p1c_313.020 Zweydeutigkeiten rechnen, welche aber nur beym p1c_313.021 Scherzhaften und Witzigen Statt finden können. p1c_313.022 Der sinnliche Mensch liebt sie wegen des Lebensreitzes, den p1c_313.023 sie erwecken, und so können sie selbst zur Lebendigkeit der p1c_313.024 Phantasie beytragen. Die Zweydeutigkeiten können auch p1c_313.025 einen muntern Verstand als witzige Aehnlichkeiten belustigen. p1c_313.026 Aber von der Kunst werden sie nur ungern und höchstens p1c_313.027 beym Scherzhaften niedrer Art geduldet werden können. p1c_313.028 Die nackte Darstellung des Jnstinkts, wenn sie nicht
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/371>, abgerufen am 23.11.2024.
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