p1c_312.001 blos allegorische Maschienerie in ein historisches Gedicht p1c_312.002 gebracht, so ist dies eine Vermischung heterogener p1c_312.003 Dichtungsarten und läßt gewöhnlich kalt, weil dergleichen p1c_312.004 abstrakten Personen die individuellen Züge fehlen. Voltaire p1c_312.005 glaubte dadurch seine Henriade für aufgeklärte Nationen genießbar p1c_312.006 zu machen, allein Personen, wie die Zwietracht p1c_312.007 z. B., haben nicht so viel poetisches Leben, als die ursprünglich p1c_312.008 historischen Götter des Alterthums. Sie haben weder p1c_312.009 Charakter noch Leidenschaft, und die paar sinnlichen Attribute, p1c_312.010 mit denen sie ärmlich ausgestattet werden, sind nicht p1c_312.011 hinreichend zu interessiren. Mehr davon bey der Epopee.p1c_312.012 Die Commentatoren der Dichter suchen überall Allegorieen p1c_312.013 und dehnen die Erklärung bis auf die kleinsten Umstände aus. p1c_312.014 Dies ist z. B. der Fall mit der ersten Ekloge des Virgils. p1c_312.015 Freylich liegt der Fehler hier etwas am Dichter selbst und p1c_312.016 an seiner ungleichen nicht rein idyllischen Schreibart, wie p1c_312.017 schon Heyne bemerkt. Allein wenn man annehmen könnte, p1c_312.018 daß der Dichter selbst immer einen Doppelsinn vor Augen p1c_312.019 hätte, so würde nothwendig die Phantasie zu vielen Zwang p1c_312.020 des Verstandes erleiden, um noch hinlänglich lebhaft zu p1c_312.021 seyn. Wie Harduin mit dem Horaz, die italienischen Ausleger p1c_312.022 mit dem Ariost verfahren, ist bekannt. Tasso selbst p1c_312.023 soll in seinem blos historischen Gedicht hinterdrein eine Allegorie p1c_312.024 gesucht und gefunden haben. Dies ist ein Streben p1c_312.025 nach allgemeiner Wahrheit im poetischen Geiste, der sich p1c_312.026 nur selbst mißversteht. Der Dichter möchte gern seine p1c_312.027 Phantasieen mit den einmal aufgeführten abstrakten Systemen p1c_312.028 der Menschen aussöhnen, denen zu Liebe er oft ungerecht
p1c_312.001 blos allegorische Maschienerie in ein historisches Gedicht p1c_312.002 gebracht, so ist dies eine Vermischung heterogener p1c_312.003 Dichtungsarten und läßt gewöhnlich kalt, weil dergleichen p1c_312.004 abstrakten Personen die individuellen Züge fehlen. Voltaire p1c_312.005 glaubte dadurch seine Henriade für aufgeklärte Nationen genießbar p1c_312.006 zu machen, allein Personen, wie die Zwietracht p1c_312.007 z. B., haben nicht so viel poetisches Leben, als die ursprünglich p1c_312.008 historischen Götter des Alterthums. Sie haben weder p1c_312.009 Charakter noch Leidenschaft, und die paar sinnlichen Attribute, p1c_312.010 mit denen sie ärmlich ausgestattet werden, sind nicht p1c_312.011 hinreichend zu interessiren. Mehr davon bey der Epopee.p1c_312.012 Die Commentatoren der Dichter suchen überall Allegorieen p1c_312.013 und dehnen die Erklärung bis auf die kleinsten Umstände aus. p1c_312.014 Dies ist z. B. der Fall mit der ersten Ekloge des Virgils. p1c_312.015 Freylich liegt der Fehler hier etwas am Dichter selbst und p1c_312.016 an seiner ungleichen nicht rein idyllischen Schreibart, wie p1c_312.017 schon Heyne bemerkt. Allein wenn man annehmen könnte, p1c_312.018 daß der Dichter selbst immer einen Doppelsinn vor Augen p1c_312.019 hätte, so würde nothwendig die Phantasie zu vielen Zwang p1c_312.020 des Verstandes erleiden, um noch hinlänglich lebhaft zu p1c_312.021 seyn. Wie Harduin mit dem Horaz, die italienischen Ausleger p1c_312.022 mit dem Ariost verfahren, ist bekannt. Tasso selbst p1c_312.023 soll in seinem blos historischen Gedicht hinterdrein eine Allegorie p1c_312.024 gesucht und gefunden haben. Dies ist ein Streben p1c_312.025 nach allgemeiner Wahrheit im poetischen Geiste, der sich p1c_312.026 nur selbst mißversteht. Der Dichter möchte gern seine p1c_312.027 Phantasieen mit den einmal aufgeführten abstrakten Systemen p1c_312.028 der Menschen aussöhnen, denen zu Liebe er oft ungerecht
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blos allegorische Maschienerie in ein historisches Gedicht p1c_312.002
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Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/370>, abgerufen am 23.11.2024.
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