Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

p1c_304.001
, welche bey den Liedern das giebt, was man Refrain p1c_304.002
nennt. Bey den kurzen Gesellschaftsliedern, welche p1c_304.003
besonders einen gesetzmäßigen Parallelismus verrathen müssen, p1c_304.004
thut es gute Wirkung, oft denselben Vers, oft eine p1c_304.005
wenigstens ähnlich gestellte Jdee zu finden. Die Epistrophe p1c_304.006
kommt aber auch als allgemeine Figur in der Dichtkunst p1c_304.007
vor. Oft schließt ein Dichter ein Gedicht, wie er es p1c_304.008
anfing, gleichsam nach geendetem Kreislauf, weil es die p1c_304.009
Empfindung so mit sich bringt, wodurch die Uebersicht des p1c_304.010
Ganzen erleichtert wird. Z. B. Hölty: "Wunder seliger p1c_304.011
Mann, welcher der Stadt entfloh." Bey lyrischen Kleinigkeiten p1c_304.012
ist es oft eine herrschende Hauptidee, z. B. der p1c_304.013
Name der Geliebten, um den herum sich wie in einem Blumenkranz p1c_304.014
die übrigen Gedanken winden. Dies giebt dann p1c_304.015
die Empfindung des Niedlichen und zeugt doch zuweilen p1c_304.016
von leidenschaftlicher Wahrheit. Z. B. Mathissons Adelaide. p1c_304.017
Man hat auch ein französisches Gedicht, wo zu p1c_304.018
Anfang und Ende der Strophe der Name der Geliebten wiederkehrt. p1c_304.019
- D'Adelaide, ah que l'empire est doux, p1c_304.020
s'il-y-avoit un autre Alcide, il fileroit aux genoux p1c_304.021
d'Adelaide
. - Hierauf gründet sich auch die Natur p1c_304.022
des Trioletts. Z. B. le premior jour du mois de p1c_304.023
may
, weil der Dichter ganz in seinen einfachen Jdeen verlohren p1c_304.024
ist. Zuweilen ist es aber auch mehr der Witz als die p1c_304.025
Empfindung, der dergleichen Gedichte hervorbringt. Sie p1c_304.026
tragen aber im Kleinen den Gedanken der vollendeten Totalität p1c_304.027
und sind also niedlich. Z. B. in Uzens Gedicht: p1c_304.028
Die alten und heutigen deutschen Sitten, schließt jede

p1c_304.001
, welche bey den Liedern das giebt, was man Refrain p1c_304.002
nennt. Bey den kurzen Gesellschaftsliedern, welche p1c_304.003
besonders einen gesetzmäßigen Parallelismus verrathen müssen, p1c_304.004
thut es gute Wirkung, oft denselben Vers, oft eine p1c_304.005
wenigstens ähnlich gestellte Jdee zu finden. Die Epistrophe p1c_304.006
kommt aber auch als allgemeine Figur in der Dichtkunst p1c_304.007
vor. Oft schließt ein Dichter ein Gedicht, wie er es p1c_304.008
anfing, gleichsam nach geendetem Kreislauf, weil es die p1c_304.009
Empfindung so mit sich bringt, wodurch die Uebersicht des p1c_304.010
Ganzen erleichtert wird. Z. B. Hölty: „Wunder seliger p1c_304.011
Mann, welcher der Stadt entfloh.“ Bey lyrischen Kleinigkeiten p1c_304.012
ist es oft eine herrschende Hauptidee, z. B. der p1c_304.013
Name der Geliebten, um den herum sich wie in einem Blumenkranz p1c_304.014
die übrigen Gedanken winden. Dies giebt dann p1c_304.015
die Empfindung des Niedlichen und zeugt doch zuweilen p1c_304.016
von leidenschaftlicher Wahrheit. Z. B. Mathissons Adelaide. p1c_304.017
Man hat auch ein französisches Gedicht, wo zu p1c_304.018
Anfang und Ende der Strophe der Name der Geliebten wiederkehrt. p1c_304.019
D'Adelaide, ah que l'empire est doux, p1c_304.020
s'il-y-avoit un autre Alcide, il fileroit aux genoux p1c_304.021
d'Adelaide
. ─ Hierauf gründet sich auch die Natur p1c_304.022
des Trioletts. Z. B. le premior jour du mois de p1c_304.023
may
, weil der Dichter ganz in seinen einfachen Jdeen verlohren p1c_304.024
ist. Zuweilen ist es aber auch mehr der Witz als die p1c_304.025
Empfindung, der dergleichen Gedichte hervorbringt. Sie p1c_304.026
tragen aber im Kleinen den Gedanken der vollendeten Totalität p1c_304.027
und sind also niedlich. Z. B. in Uzens Gedicht: p1c_304.028
Die alten und heutigen deutschen Sitten, schließt jede

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0362" n="304"/><lb n="p1c_304.001"/>
, welche bey den Liedern das giebt, was man <hi rendition="#aq">Refrain</hi> <lb n="p1c_304.002"/>
nennt. Bey den kurzen Gesellschaftsliedern, welche <lb n="p1c_304.003"/>
besonders einen gesetzmäßigen Parallelismus verrathen müssen, <lb n="p1c_304.004"/>
thut es gute Wirkung, oft denselben Vers, oft eine <lb n="p1c_304.005"/>
wenigstens <hi rendition="#g">ähnlich</hi> gestellte Jdee zu finden. Die Epistrophe <lb n="p1c_304.006"/>
kommt aber auch als allgemeine Figur in der Dichtkunst <lb n="p1c_304.007"/>
vor. Oft schließt ein Dichter ein Gedicht, wie er es <lb n="p1c_304.008"/>
anfing, gleichsam nach geendetem Kreislauf, weil es die <lb n="p1c_304.009"/>
Empfindung so mit sich bringt, wodurch die Uebersicht des <lb n="p1c_304.010"/>
Ganzen erleichtert wird. Z. B. <hi rendition="#g">Hölty:</hi> &#x201E;Wunder seliger <lb n="p1c_304.011"/>
Mann, welcher der Stadt entfloh.&#x201C; Bey lyrischen Kleinigkeiten <lb n="p1c_304.012"/>
ist es oft eine herrschende Hauptidee, z. B. der <lb n="p1c_304.013"/>
Name der Geliebten, um den herum sich wie in einem Blumenkranz <lb n="p1c_304.014"/>
die übrigen Gedanken winden. Dies giebt dann <lb n="p1c_304.015"/>
die Empfindung des <hi rendition="#g">Niedlichen</hi> und zeugt doch zuweilen <lb n="p1c_304.016"/>
von leidenschaftlicher Wahrheit. Z. B. Mathissons Adelaide. <lb n="p1c_304.017"/>
Man hat auch ein französisches Gedicht, wo zu <lb n="p1c_304.018"/>
Anfang und Ende der Strophe der Name der Geliebten wiederkehrt. <lb n="p1c_304.019"/>
&#x2500; <hi rendition="#aq">D'Adelaide, ah que l'empire est doux, <lb n="p1c_304.020"/>
s'il-y-avoit un autre Alcide, il fileroit aux genoux <lb n="p1c_304.021"/>
d'Adelaide</hi>. &#x2500; Hierauf gründet sich auch die Natur <lb n="p1c_304.022"/>
des Trioletts. Z. B. <hi rendition="#aq">le premior jour du mois de <lb n="p1c_304.023"/>
may</hi>, weil der Dichter ganz in seinen einfachen Jdeen verlohren <lb n="p1c_304.024"/>
ist. Zuweilen ist es aber auch mehr der Witz als die <lb n="p1c_304.025"/>
Empfindung, der dergleichen Gedichte hervorbringt. Sie <lb n="p1c_304.026"/>
tragen aber im Kleinen den Gedanken der vollendeten Totalität <lb n="p1c_304.027"/>
und sind also <hi rendition="#g">niedlich.</hi> Z. B. in Uzens Gedicht: <lb n="p1c_304.028"/>
Die alten und heutigen deutschen Sitten, schließt jede
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[304/0362] p1c_304.001 , welche bey den Liedern das giebt, was man Refrain p1c_304.002 nennt. Bey den kurzen Gesellschaftsliedern, welche p1c_304.003 besonders einen gesetzmäßigen Parallelismus verrathen müssen, p1c_304.004 thut es gute Wirkung, oft denselben Vers, oft eine p1c_304.005 wenigstens ähnlich gestellte Jdee zu finden. Die Epistrophe p1c_304.006 kommt aber auch als allgemeine Figur in der Dichtkunst p1c_304.007 vor. Oft schließt ein Dichter ein Gedicht, wie er es p1c_304.008 anfing, gleichsam nach geendetem Kreislauf, weil es die p1c_304.009 Empfindung so mit sich bringt, wodurch die Uebersicht des p1c_304.010 Ganzen erleichtert wird. Z. B. Hölty: „Wunder seliger p1c_304.011 Mann, welcher der Stadt entfloh.“ Bey lyrischen Kleinigkeiten p1c_304.012 ist es oft eine herrschende Hauptidee, z. B. der p1c_304.013 Name der Geliebten, um den herum sich wie in einem Blumenkranz p1c_304.014 die übrigen Gedanken winden. Dies giebt dann p1c_304.015 die Empfindung des Niedlichen und zeugt doch zuweilen p1c_304.016 von leidenschaftlicher Wahrheit. Z. B. Mathissons Adelaide. p1c_304.017 Man hat auch ein französisches Gedicht, wo zu p1c_304.018 Anfang und Ende der Strophe der Name der Geliebten wiederkehrt. p1c_304.019 ─ D'Adelaide, ah que l'empire est doux, p1c_304.020 s'il-y-avoit un autre Alcide, il fileroit aux genoux p1c_304.021 d'Adelaide. ─ Hierauf gründet sich auch die Natur p1c_304.022 des Trioletts. Z. B. le premior jour du mois de p1c_304.023 may, weil der Dichter ganz in seinen einfachen Jdeen verlohren p1c_304.024 ist. Zuweilen ist es aber auch mehr der Witz als die p1c_304.025 Empfindung, der dergleichen Gedichte hervorbringt. Sie p1c_304.026 tragen aber im Kleinen den Gedanken der vollendeten Totalität p1c_304.027 und sind also niedlich. Z. B. in Uzens Gedicht: p1c_304.028 Die alten und heutigen deutschen Sitten, schließt jede

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/362
Zitationshilfe: Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/362>, abgerufen am 09.11.2024.