p1c_288.001 der Vergleichung betrifft, so kann es kleiner seyn, als der p1c_288.002 Hauptgegenstand, und auch größer, je nachdem dadurch die p1c_288.003 Jdee anschaulicher wird. Homer vergleicht das Heer mit p1c_288.004 Bienen, denn es soll hier blos die Menge anschaulich werden, p1c_288.005 und dies ist durch ein kleiner Bild leichter zu erreichen, p1c_288.006 als durch ein größeres. Il. XV. 362. wird Apoll, der die p1c_288.007 Mauer einreißt, mit einem Knaben verglichen, der Sandhaufen p1c_288.008 einreißt, welche er baute. Dadurch wird die Macht p1c_288.009 anschaulich. Dagegen wird die Macht eines kleinern Gegenstandes p1c_288.010 oft sinnlich anschaulicher durch eine größere Vergleichung. p1c_288.011 o d' ar esthore phaidimos Ektor nukti thoe p1c_288.012 atalantos upopia, d. h. es ward schnelle Nacht vor den p1c_288.013 Augen jedem, der den Helden erblickte. Il. n. 754. wird p1c_288.014 Hektor mit einem Schneegebirg verglichen, wobey vielleicht p1c_288.015 der Dichter an die Farbe und Höhe seines Helmbusches dachte, p1c_288.016 wie auch Pope meynt. Diese Vergleichung ist beynah p1c_288.017 hyperbolisch, allein sie ist kräftig, weil sie die Gewalt p1c_288.018 des fortstürzenden Hekrors anzeigt. Uebrigens muß ein p1c_288.019 Gleichniß zwar in der Hauptsache dem Gegenstande ähnlich p1c_288.020 seyn, in den Nebenzügen ist aber keine genaue Aehnlichkeit p1c_288.021 zu suchen. Das würde zu sehr den Verstand beschäftigen. p1c_288.022 Die Phantasie liebt eine Art Nachlässigkeit. Der Dichter p1c_288.023 setzt daher zum Ueberfluß etwas hinzu, was blos das Gleichniß p1c_288.024 angeht und auf den Hauptgegenstand keinen Bezug hat. p1c_288.025 Il. l. 113. wird Agamemnon, der zwey Söhne des Priamus p1c_288.026 tödtet, mit einem Löwen verglichen, welcher die Kinder p1c_288.027 einer Hirschkuh mordet. Diese kann ihnen aber nicht p1c_288.028 helfen, sondern flieht durch die Wälder und Büsche. So
p1c_288.001 der Vergleichung betrifft, so kann es kleiner seyn, als der p1c_288.002 Hauptgegenstand, und auch größer, je nachdem dadurch die p1c_288.003 Jdee anschaulicher wird. Homer vergleicht das Heer mit p1c_288.004 Bienen, denn es soll hier blos die Menge anschaulich werden, p1c_288.005 und dies ist durch ein kleiner Bild leichter zu erreichen, p1c_288.006 als durch ein größeres. Il. XV. 362. wird Apoll, der die p1c_288.007 Mauer einreißt, mit einem Knaben verglichen, der Sandhaufen p1c_288.008 einreißt, welche er baute. Dadurch wird die Macht p1c_288.009 anschaulich. Dagegen wird die Macht eines kleinern Gegenstandes p1c_288.010 oft sinnlich anschaulicher durch eine größere Vergleichung. p1c_288.011 ὁ δ' αρ ἐσθορε φαιδιμος Ἑκτωρ νυκτι θοῃ p1c_288.012 ἀταλαντος ὑπωπια, d. h. es ward schnelle Nacht vor den p1c_288.013 Augen jedem, der den Helden erblickte. Il. ν. 754. wird p1c_288.014 Hektor mit einem Schneegebirg verglichen, wobey vielleicht p1c_288.015 der Dichter an die Farbe und Höhe seines Helmbusches dachte, p1c_288.016 wie auch Pope meynt. Diese Vergleichung ist beynah p1c_288.017 hyperbolisch, allein sie ist kräftig, weil sie die Gewalt p1c_288.018 des fortstürzenden Hekrors anzeigt. Uebrigens muß ein p1c_288.019 Gleichniß zwar in der Hauptsache dem Gegenstande ähnlich p1c_288.020 seyn, in den Nebenzügen ist aber keine genaue Aehnlichkeit p1c_288.021 zu suchen. Das würde zu sehr den Verstand beschäftigen. p1c_288.022 Die Phantasie liebt eine Art Nachlässigkeit. Der Dichter p1c_288.023 setzt daher zum Ueberfluß etwas hinzu, was blos das Gleichniß p1c_288.024 angeht und auf den Hauptgegenstand keinen Bezug hat. p1c_288.025 Il. λ. 113. wird Agamemnon, der zwey Söhne des Priamus p1c_288.026 tödtet, mit einem Löwen verglichen, welcher die Kinder p1c_288.027 einer Hirschkuh mordet. Diese kann ihnen aber nicht p1c_288.028 helfen, sondern flieht durch die Wälder und Büsche. So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0346"n="288"/><lbn="p1c_288.001"/>
der Vergleichung betrifft, so kann es kleiner seyn, als der <lbn="p1c_288.002"/>
Hauptgegenstand, und auch größer, je nachdem dadurch die <lbn="p1c_288.003"/>
Jdee anschaulicher wird. Homer vergleicht das Heer mit <lbn="p1c_288.004"/>
Bienen, denn es soll hier blos die Menge anschaulich werden, <lbn="p1c_288.005"/>
und dies ist durch ein kleiner Bild leichter zu erreichen, <lbn="p1c_288.006"/>
als durch ein größeres. <hirendition="#aq">Il. XV</hi>. 362. wird Apoll, der die <lbn="p1c_288.007"/>
Mauer einreißt, mit einem Knaben verglichen, der Sandhaufen <lbn="p1c_288.008"/>
einreißt, welche er baute. Dadurch wird die Macht <lbn="p1c_288.009"/>
anschaulich. Dagegen wird die Macht eines kleinern Gegenstandes <lbn="p1c_288.010"/>
oft sinnlich anschaulicher durch eine größere Vergleichung. <lbn="p1c_288.011"/><foreignxml:lang="grc">ὁδ' αρἐσθορεφαιδιμοςἙκτωρνυκτιθοῃ</foreign><lbn="p1c_288.012"/><foreignxml:lang="grc">ἀταλαντοςὑπωπια</foreign>, d. h. es ward schnelle Nacht vor den <lbn="p1c_288.013"/>
Augen jedem, der den Helden erblickte. <hirendition="#aq">Il. <foreignxml:lang="grc">ν</foreign></hi>. 754. wird <lbn="p1c_288.014"/>
Hektor mit einem Schneegebirg verglichen, wobey vielleicht <lbn="p1c_288.015"/>
der Dichter an die Farbe und Höhe seines Helmbusches dachte, <lbn="p1c_288.016"/>
wie auch Pope meynt. Diese Vergleichung ist beynah <lbn="p1c_288.017"/><hirendition="#g">hyperbolisch,</hi> allein sie ist kräftig, weil sie die Gewalt <lbn="p1c_288.018"/>
des fortstürzenden Hekrors anzeigt. Uebrigens muß ein <lbn="p1c_288.019"/>
Gleichniß zwar in der Hauptsache dem Gegenstande ähnlich <lbn="p1c_288.020"/>
seyn, in den Nebenzügen ist aber keine genaue Aehnlichkeit <lbn="p1c_288.021"/>
zu suchen. Das würde zu sehr den Verstand beschäftigen. <lbn="p1c_288.022"/>
Die Phantasie liebt eine Art Nachlässigkeit. Der Dichter <lbn="p1c_288.023"/>
setzt daher zum Ueberfluß etwas hinzu, was blos das Gleichniß <lbn="p1c_288.024"/>
angeht und auf den Hauptgegenstand keinen Bezug hat. <lbn="p1c_288.025"/><hirendition="#aq">Il. <foreignxml:lang="grc">λ</foreign></hi>. 113. wird Agamemnon, der zwey Söhne des Priamus <lbn="p1c_288.026"/>
tödtet, mit einem Löwen verglichen, welcher die Kinder <lbn="p1c_288.027"/>
einer Hirschkuh mordet. Diese kann ihnen aber nicht <lbn="p1c_288.028"/>
helfen, sondern flieht durch die Wälder und Büsche. So
</p></div></div></body></text></TEI>
[288/0346]
p1c_288.001
der Vergleichung betrifft, so kann es kleiner seyn, als der p1c_288.002
Hauptgegenstand, und auch größer, je nachdem dadurch die p1c_288.003
Jdee anschaulicher wird. Homer vergleicht das Heer mit p1c_288.004
Bienen, denn es soll hier blos die Menge anschaulich werden, p1c_288.005
und dies ist durch ein kleiner Bild leichter zu erreichen, p1c_288.006
als durch ein größeres. Il. XV. 362. wird Apoll, der die p1c_288.007
Mauer einreißt, mit einem Knaben verglichen, der Sandhaufen p1c_288.008
einreißt, welche er baute. Dadurch wird die Macht p1c_288.009
anschaulich. Dagegen wird die Macht eines kleinern Gegenstandes p1c_288.010
oft sinnlich anschaulicher durch eine größere Vergleichung. p1c_288.011
ὁ δ' αρ ἐσθορε φαιδιμος Ἑκτωρ νυκτι θοῃ p1c_288.012
ἀταλαντος ὑπωπια, d. h. es ward schnelle Nacht vor den p1c_288.013
Augen jedem, der den Helden erblickte. Il. ν. 754. wird p1c_288.014
Hektor mit einem Schneegebirg verglichen, wobey vielleicht p1c_288.015
der Dichter an die Farbe und Höhe seines Helmbusches dachte, p1c_288.016
wie auch Pope meynt. Diese Vergleichung ist beynah p1c_288.017
hyperbolisch, allein sie ist kräftig, weil sie die Gewalt p1c_288.018
des fortstürzenden Hekrors anzeigt. Uebrigens muß ein p1c_288.019
Gleichniß zwar in der Hauptsache dem Gegenstande ähnlich p1c_288.020
seyn, in den Nebenzügen ist aber keine genaue Aehnlichkeit p1c_288.021
zu suchen. Das würde zu sehr den Verstand beschäftigen. p1c_288.022
Die Phantasie liebt eine Art Nachlässigkeit. Der Dichter p1c_288.023
setzt daher zum Ueberfluß etwas hinzu, was blos das Gleichniß p1c_288.024
angeht und auf den Hauptgegenstand keinen Bezug hat. p1c_288.025
Il. λ. 113. wird Agamemnon, der zwey Söhne des Priamus p1c_288.026
tödtet, mit einem Löwen verglichen, welcher die Kinder p1c_288.027
einer Hirschkuh mordet. Diese kann ihnen aber nicht p1c_288.028
helfen, sondern flieht durch die Wälder und Büsche. So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/346>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.