p1c_253.001 setzt für den Gedanken, als das eigenthümliche, und dazu p1c_253.002 ein Zeichen von einem andern Gedanken nimmt, der den ersten p1c_253.003 begleitet. Wenn Cicero von den catilinarischen Verschwornen p1c_253.004 gesagt haben soll vixerunt, so ist dieser Euphemismus p1c_253.005 eine Periphrasis von dem eigenthümlichen Wortzeichen p1c_253.006 sie sind hingerichtet, und diese Periphrase ist p1c_253.007 vielleicht um vieles kürzer, als der eigentliche Ausdruck. p1c_253.008 Sie ist aber verständlich, weil die Einbildungskraft bey dieser p1c_253.009 Nebenidee die Hauptidee denkt. Zur Periphrase als p1c_253.010 Tropus rechne ich nun olgendes. a) Die Paraphrase. Dieses p1c_253.011 ist eigentlich das Wort für die Quinctilianische Definition, p1c_253.012 weil para supra bedeutet. Die Dichter lieben es, p1c_253.013 eine Jdee durch Nebenideen auszudrücken, welche mehr Ausdehnungp1c_253.014 dem poetischen Gedanken geben. z. B. p1c_253.015 Die Zeit der Zefire, der Veilchengerüche für den Frühling.p1c_253.016 So sagt Virgil: Et iam summa procul villarum culmina p1c_253.017 fumant, maioresque cadunt altis de montibus p1c_253.018 umbrae. Statt: es wird Abend. "So lang ein Herz p1c_253.019 an diesen Panzer schlägt, mag sich Don Philipp ruhig schlafen p1c_253.020 legen." Schiller. (statt: so lang ich lebe.) Eine p1c_253.021 Menge dunkler und passender Verstellungen gesellen sich so p1c_253.022 dazu, und der poetische Styl wird reichhaltiger. b) Wenn p1c_253.023 man das Enthaltende für das Enthaltene, die Form für die p1c_253.024 Materie, den Ort für die Sache, das Zeichen für das Bezeichnete p1c_253.025 setzt und umgekehrt. (Fälle, welche bisher zur p1c_253.026 Metonymie gerechnet wurden.) "Die Erde schwieg vor p1c_253.027 Alexander." Hier sagt die Erde mehr, als wenn es hieß: p1c_253.028 die Völker der Erde. Oft ists umgekehrt: "Er stieg hinab
p1c_253.001 setzt für den Gedanken, als das eigenthümliche, und dazu p1c_253.002 ein Zeichen von einem andern Gedanken nimmt, der den ersten p1c_253.003 begleitet. Wenn Cicero von den catilinarischen Verschwornen p1c_253.004 gesagt haben soll vixerunt, so ist dieser Euphemismus p1c_253.005 eine Periphrasis von dem eigenthümlichen Wortzeichen p1c_253.006 sie sind hingerichtet, und diese Periphrase ist p1c_253.007 vielleicht um vieles kürzer, als der eigentliche Ausdruck. p1c_253.008 Sie ist aber verständlich, weil die Einbildungskraft bey dieser p1c_253.009 Nebenidee die Hauptidee denkt. Zur Periphrase als p1c_253.010 Tropus rechne ich nun olgendes. a) Die Paraphrase. Dieses p1c_253.011 ist eigentlich das Wort für die Quinctilianische Definition, p1c_253.012 weil παρα supra bedeutet. Die Dichter lieben es, p1c_253.013 eine Jdee durch Nebenideen auszudrücken, welche mehr Ausdehnungp1c_253.014 dem poetischen Gedanken geben. z. B. p1c_253.015 Die Zeit der Zefire, der Veilchengerüche für den Frühling.p1c_253.016 So sagt Virgil: Et iam summa procul villarum culmina p1c_253.017 fumant, maioresque cadunt altis de montibus p1c_253.018 umbrae. Statt: es wird Abend. „So lang ein Herz p1c_253.019 an diesen Panzer schlägt, mag sich Don Philipp ruhig schlafen p1c_253.020 legen.“ Schiller. (statt: so lang ich lebe.) Eine p1c_253.021 Menge dunkler und passender Verstellungen gesellen sich so p1c_253.022 dazu, und der poetische Styl wird reichhaltiger. b) Wenn p1c_253.023 man das Enthaltende für das Enthaltene, die Form für die p1c_253.024 Materie, den Ort für die Sache, das Zeichen für das Bezeichnete p1c_253.025 setzt und umgekehrt. (Fälle, welche bisher zur p1c_253.026 Metonymie gerechnet wurden.) „Die Erde schwieg vor p1c_253.027 Alexander.“ Hier sagt die Erde mehr, als wenn es hieß: p1c_253.028 die Völker der Erde. Oft ists umgekehrt: „Er stieg hinab
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0311"n="253"/><lbn="p1c_253.001"/>
setzt für den Gedanken, als das eigenthümliche, und dazu <lbn="p1c_253.002"/>
ein Zeichen von einem andern Gedanken nimmt, der den ersten <lbn="p1c_253.003"/>
begleitet. Wenn Cicero von den catilinarischen Verschwornen <lbn="p1c_253.004"/>
gesagt haben soll <hirendition="#aq">vixerunt</hi>, so ist dieser Euphemismus <lbn="p1c_253.005"/>
eine <hirendition="#g">Periphrasis</hi> von dem eigenthümlichen Wortzeichen <lbn="p1c_253.006"/><hirendition="#g">sie sind hingerichtet,</hi> und diese Periphrase ist <lbn="p1c_253.007"/>
vielleicht um vieles kürzer, als der eigentliche Ausdruck. <lbn="p1c_253.008"/>
Sie ist aber verständlich, weil die Einbildungskraft bey dieser <lbn="p1c_253.009"/>
Nebenidee die Hauptidee denkt. Zur <hirendition="#g">Periphrase</hi> als <lbn="p1c_253.010"/>
Tropus rechne ich nun olgendes. <hirendition="#aq">a</hi>) Die Paraphrase. Dieses <lbn="p1c_253.011"/>
ist eigentlich das Wort für die Quinctilianische Definition, <lbn="p1c_253.012"/>
weil <foreignxml:lang="grc">παρα</foreign><hirendition="#aq">supra</hi> bedeutet. Die Dichter lieben es, <lbn="p1c_253.013"/>
eine Jdee durch Nebenideen auszudrücken, welche mehr <hirendition="#g">Ausdehnung</hi><lbn="p1c_253.014"/>
dem <hirendition="#g">poetischen</hi> Gedanken geben. z. B. <lbn="p1c_253.015"/>
Die Zeit der Zefire, der Veilchengerüche für den <hirendition="#g">Frühling.</hi><lbn="p1c_253.016"/>
So sagt Virgil: <hirendition="#aq">Et iam summa procul villarum culmina <lbn="p1c_253.017"/>
fumant, maioresque cadunt altis de montibus <lbn="p1c_253.018"/>
umbrae</hi>. Statt: es wird Abend. „So lang ein Herz <lbn="p1c_253.019"/>
an diesen Panzer schlägt, mag sich Don Philipp ruhig schlafen <lbn="p1c_253.020"/>
legen.“<hirendition="#g">Schiller.</hi> (statt: so lang ich lebe.) Eine <lbn="p1c_253.021"/>
Menge dunkler und passender Verstellungen gesellen sich so <lbn="p1c_253.022"/>
dazu, und der poetische Styl wird reichhaltiger. <hirendition="#aq">b</hi>) Wenn <lbn="p1c_253.023"/>
man das Enthaltende für das Enthaltene, die Form für die <lbn="p1c_253.024"/>
Materie, den Ort für die Sache, das Zeichen für das Bezeichnete <lbn="p1c_253.025"/>
setzt und umgekehrt. (Fälle, welche bisher zur <lbn="p1c_253.026"/>
Metonymie gerechnet wurden.) „Die Erde schwieg vor <lbn="p1c_253.027"/>
Alexander.“ Hier sagt die Erde <hirendition="#g">mehr,</hi> als wenn es hieß: <lbn="p1c_253.028"/>
die Völker der Erde. Oft ists umgekehrt: „Er stieg hinab
</p></div></div></body></text></TEI>
[253/0311]
p1c_253.001
setzt für den Gedanken, als das eigenthümliche, und dazu p1c_253.002
ein Zeichen von einem andern Gedanken nimmt, der den ersten p1c_253.003
begleitet. Wenn Cicero von den catilinarischen Verschwornen p1c_253.004
gesagt haben soll vixerunt, so ist dieser Euphemismus p1c_253.005
eine Periphrasis von dem eigenthümlichen Wortzeichen p1c_253.006
sie sind hingerichtet, und diese Periphrase ist p1c_253.007
vielleicht um vieles kürzer, als der eigentliche Ausdruck. p1c_253.008
Sie ist aber verständlich, weil die Einbildungskraft bey dieser p1c_253.009
Nebenidee die Hauptidee denkt. Zur Periphrase als p1c_253.010
Tropus rechne ich nun olgendes. a) Die Paraphrase. Dieses p1c_253.011
ist eigentlich das Wort für die Quinctilianische Definition, p1c_253.012
weil παρα supra bedeutet. Die Dichter lieben es, p1c_253.013
eine Jdee durch Nebenideen auszudrücken, welche mehr Ausdehnung p1c_253.014
dem poetischen Gedanken geben. z. B. p1c_253.015
Die Zeit der Zefire, der Veilchengerüche für den Frühling. p1c_253.016
So sagt Virgil: Et iam summa procul villarum culmina p1c_253.017
fumant, maioresque cadunt altis de montibus p1c_253.018
umbrae. Statt: es wird Abend. „So lang ein Herz p1c_253.019
an diesen Panzer schlägt, mag sich Don Philipp ruhig schlafen p1c_253.020
legen.“ Schiller. (statt: so lang ich lebe.) Eine p1c_253.021
Menge dunkler und passender Verstellungen gesellen sich so p1c_253.022
dazu, und der poetische Styl wird reichhaltiger. b) Wenn p1c_253.023
man das Enthaltende für das Enthaltene, die Form für die p1c_253.024
Materie, den Ort für die Sache, das Zeichen für das Bezeichnete p1c_253.025
setzt und umgekehrt. (Fälle, welche bisher zur p1c_253.026
Metonymie gerechnet wurden.) „Die Erde schwieg vor p1c_253.027
Alexander.“ Hier sagt die Erde mehr, als wenn es hieß: p1c_253.028
die Völker der Erde. Oft ists umgekehrt: „Er stieg hinab
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Clodius, Christian August Heinrich: Entwurf einer systematischen Poetik nebst Collectaneen zu ihrer Ausführung. Erster Theil. Leipzig, 1804, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clodius_poetik01_1804/311>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.